Rauchlachs: 10 von 30 Proben waren unappetitlich
Eine saldo-Stichprobe zeigt: Jeder dritte Rauchlachs ist voller Bakterien. Kein Wunder – denn die Toleranzwerte wurden abgeschafft!
Inhalt
saldo 20/2008
01.12.2008
Letzte Aktualisierung:
02.12.2008
Sabine Rindlisbacher, Petra Stöhr
Wer Rauchlachs isst, nimmt auch Millionen von Bakterien zu sich. Ein Drittel der im Labor untersuchten Proben überschritten die Gesamtkeimzahl von einer Million pro Gramm. Über 10 Millionen Bakterien fand das Labor im Migros-Lachs Norway Atlantic und im Soroya Toast Rauchlachs von Manor – gar 60 Millionen im Globus-Lachs Création hugo d.
Bedenklich viele Enterobakterien, die Durchfall auslösen können, tummelten sich in sechs Fischen. Auch hie...
Wer Rauchlachs isst, nimmt auch Millionen von Bakterien zu sich. Ein Drittel der im Labor untersuchten Proben überschritten die Gesamtkeimzahl von einer Million pro Gramm. Über 10 Millionen Bakterien fand das Labor im Migros-Lachs Norway Atlantic und im Soroya Toast Rauchlachs von Manor – gar 60 Millionen im Globus-Lachs Création hugo d.
Bedenklich viele Enterobakterien, die Durchfall auslösen können, tummelten sich in sechs Fischen. Auch hier ist Globus das Schlusslicht: Sein Balik Sky Snack enthielt über 150000 Enterobakterien pro Gramm. Dieses Produkt schnitt am schlechtesten ab, weil zudem die Gesamtkeimzahl hoch war – ausgerechnet beim teuersten Lachs.
Schon in früheren Stichproben viele schlechte Produkte
Ein Blick auf die letzte Rauchlachs-Stichprobe von saldo vor drei Jahren zeigt: Damals war die Gesamtkeimzahl bei über der Hälfte der Fische zu hoch, aber nur 2 von 13 Proben wiesen zu viele Enterobakterien aus. Für die Bewertung massgeblich waren dort Toleranzwerte für eine Gesamtkeimzahl von einer Million und 1000 Enterobakterien pro Gramm.
Heute gibt es diese Toleranzwerte nicht mehr. Der Bundesrat hat sie aus der Hygieneverordnung gestrichen. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) handle es sich um eine Angleichung ans EU-Recht. Unangenehm ist dies nicht nur für die Konsumenten, sondern auch für die Kantonschemiker, die Lebensmittel kontrollieren. BAG-Sprecherin Sabina Helfer: «Die Vollzugsbehörden müssen sich koordinieren.»
Kantonschemiker urteilen nach unterschiedlichen Toleranzwerten
Das funktioniert offensichtlich nicht, wie die Stichprobe zeigt. Die Kantonschemiker orientieren sich an verschiedenen Werten. Entsprechend fallen ihre Bewertungen unterschiedlich aus. So sagt der stellvertretende Berner Kantonschemiker Erhard Walter: «Anhand der Ergebnisse können alle Proben als lebensmittelrechtlich einwandfrei beurteilt werden.» Der St.Galler Kantonschemiker Pius Kölbener rechnet mit dem Zehnfachen der alten Toleranzwerte. Er würde fünf Proben beanstanden, deren Gesamtkeimzahl über 10 Millionen liegt, und fünf Proben, die mehr als 10000 Enterobakterien pro Gramm enthalten.
Strenger sind die Aargauer und Zürcher. Sie halten sich an die früheren Toleranzwerte, die auf langjähriger Erfahrung basieren. Auch saldo nahm bei der Bewertung die alten Toleranzwerte zum Massstab.
Für die Konsumenten bedeutet der neue Kantönligeist im Klartext: Es ist denkbar, dass sie an Weihnachten einen Rauchlachs essen, der vor drei Jahren noch beanstandet worden wäre.
Migros, Manor, Denner und Globus kontrollieren künftig besser
Coop und Migros haben das Aufheben der Toleranzwerte durch die Behörden dazu benutzt, als interne Vorgabe die Gesamtkeimzahl um das Zehnfache zu erhöhen. Deshalb betrachtet Coop-Sprecherin Susanne Erdös auch den Coop-Lachs mit einer Gesamtkeimzahl von über einer Million noch als «einwandfrei». Bei der Migros fallen selbst nach der internen Migros-Vorgabe zwei Lachse durch. Sprecherin Monika Weibel: «Wir lassen die Produkte in Zukunft vermehrt kontrollieren.»
Auch der Berner Bio-Laden Vatter hat reagiert: Er nahm Trapper’s Creek Smoked Salmon aus dem Kühlregal. Vatter geht davon aus, dass die Ware bereits kontaminiert geliefert wurde. Bei Manor liegen zwei Werte im roten Bereich. Sprecher Markus Laub: «Die Werte sind ganz klar nicht akzeptabel.» Die hohe Gesamtkeimzahl des Soroya Toast Rauchlachses weise auf eine Unterbrechung der Kühlkette hin. Das Warenhaus überprüft nun die Abläufe in allen Manor-Foodmärkten.
Über 150000 Enterobakterien hatten der Premium Sockeye Wildlachs von Denner und der Balik Sky Snack von Globus – 150-mal mehr als der alte Toleranzwert. Für Denner-Sprecherin Anita Daeppen ist Lachs ein «Hochrisiko-Produkt», das monatlich untersucht werde. Sie vermutet einen Unterbruch der Kühlkette. Bei Globus schnitten zwei Produkte mangelhaft ab. Sprecher Jürg Welti: «Der Grund für die schlechten Resultate liegt beim Transport.» Globus werde die Transporte besser kontrollieren.
Kriterien
saldo hat 30 Rauchlachs-Produkte in Zürich, Bern, Baden, Wil SG, Pratteln BL und Embrach ZH bei elf Anbietern eingekauft und gekühlt ins Labor gebracht. Dieses hat die Proben auf die Gesamtkeimzahl (aerobe mesophile Keime) und Enterobakterien untersucht. Eine hohe Zahl von aeroben mesophilen Keimen weisen auf Hygieneprobleme und verdorbene Speisen hin. Zu viel Enterobakterien können Durchfall auslösen.
Weiter liess saldo die Lachse auf Escherichia coli (Fäkalbakterien), Staphylokokken, Salmonellen und Listerien überprüfen – sie können ernsthafte Gesundheitsprobleme verursachen. Diese Bakterien hat das Labor bei keinem Produkt gefunden.