Diese drei Wagen strahlen stark
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K-Tipp 13/2002
21.08.2002
Messungen aus Schweden zeigen: Bei Autos mit Batterie im Kofferraum ist die Strahlenbelastung der Insassen deutlich höher. Der Volvo V70 erreicht einen Wert fast wie unter einer Hochspannungsleitung.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Der Volvo V70 ist eines der sichersten Fahrzeuge, das Sie für sich und Ihre Mitfahrer wählen können», heisst es auf der Internet-Seite von Volvo Schweiz. Besonders am Herzen liege Volvo «die Sicherheit der kleinen Passagiere» - al...
Messungen aus Schweden zeigen: Bei Autos mit Batterie im Kofferraum ist die Strahlenbelastung der Insassen deutlich höher. Der Volvo V70 erreicht einen Wert fast wie unter einer Hochspannungsleitung.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Der Volvo V70 ist eines der sichersten Fahrzeuge, das Sie für sich und Ihre Mitfahrer wählen können», heisst es auf der Internet-Seite von Volvo Schweiz. Besonders am Herzen liege Volvo «die Sicherheit der kleinen Passagiere» - also der Kinder.
Die Werbebotschaft ist nun in Frage gestellt. Denn Messungen des grössten schwedischen Automobil-Magazins «Vi Bilägare» («Wir Autobesitzer») haben ergeben, dass die Insassen eines Volvo V70 elektromagnetischen Feldern von bis zu 18 Mikrotesla (Einheit zur Messung elektromagnetischer Felder) ausgesetzt sind. Das entspricht fast dem Feld unter einer Hochspannungsleitung.
Zum Vergleich: In Wohnungen verursachen Stromleitungen und Haushaltgeräte gewöhnlich nicht mehr als 0,1 Mikrotesla. In der Nähe von Computern können Felder bis 0,2 Mikrotesla auftreten. Solche Felder gelten gemeinhin als ungefährlich.
Doch von so tiefen Zahlen ist nicht nur der Volvo V70 weit entfernt. Auch die Schwestermodelle S60 und S80 sowie die 3er-, 5er- und 7er-Reihe von BMW weisen an bestimmten Messpunkten Werte zwischen 10 und 15 Mikrotesla auf.
Spitzenreiter ist jedoch die E-Klasse von Mercedes-Benz. Hier wurden im Bereich des rechten Fusses des Passagiers auf dem rechten Rücksitz sogar 19 Mikrotesla gemessen. (Dieser Wert ist aus der nebenstehenden Tabelle nicht ersichtlich. Die vollständigen Resultate finden Sie unter www.ktipp.ch/ elektrosmog)
Alle genannten Fahrzeuge haben eines gemeinsam: Ihre Batterie ist aus Gründen der Platzersparnis und der Gewichtsverteilung im Kofferraum untergebracht. Ein nicht abgeschirmtes Kabel, das unter dem Fahrgastraum durchführt, verbindet die Batterie mit dem Motor.
Dieses Kabel erzeugt ein Magnetfeld, das bis zu 100-mal stärker ist als jenes in Autos mit herkömmlicher Bauweise. So wurden auf dem Fahrersitz des Volvo V70 im Leerlauf 3 Mikrotesla gemessen; beim Ford Focus hingegen - er hat die Batterie vorne - waren es nur 0,03 Mikrotesla.
Auffällig ist auch, dass die elektromagnetischen Felder bei der Mercedes-E-Klasse und bei den betroffenen BMW-Modellen auf der rechten Fahrzeugseite deutlich stärker sind. Der Grund ist, dass das Stromkabel bei diesen Marken rechts verläuft. Bei Volvo liegt die «strahlende» Seite links.
Für die Physikerin Mirjana Moser vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind diese Resultate «interessant und beunruhigend». Letzteres deshalb, «weil mehrere Studien darauf hindeuten, dass Kinder, die längere Zeit einem Magnetfeld von mehr als 0,4 Mikrotesla ausgesetzt sind, ein doppelt so hohes Risiko haben, an Leukämie zu erkranken».
Studie belegt: Mehr Fehlgeburten
Professor Kjell Hansson Mild vom schwedischen Institut für Arbeitsplatzsicherheit in Umeå erwähnt ausserdem eine kalifornische Studie, wonach sich das Risiko von Fehlgeburten und Missbildungen verdoppelt, wenn Schwangere einem Feld von 1,6 Mikrotesla ausgesetzt sind. «Unter diesen Umständen», so Mild, «ist es unverantwortlich, wenn Volvo für die betroffenen Modelle mit der Kindersicherheit wirbt.»
Der Professor, weltweit einer der bedeutendsten Forscher auf dem Gebiet des Elektrosmogs, geht mit Volvo aber auch noch aus einem anderen Grund hart ins Gericht: Eine gemeinsame Studie von Volvo und der schwedischen Universität Chalmer habe schon 1997 ergeben, dass eine im Kofferraum platzierte Batterie eine rund siebenmal höhere Strahlenbelastung der Insassen zur Folge habe.
Für Mild ist deshalb klar: «Volvo setzt Käufer seiner Modelle V70, S60 und S80 wissentlich einer starken Strahlung aus.» Er befürchtet, «dass besonders Taxifahrer und andere Personen, die täglich stundenlang im Auto sitzen, ein höheres Risiko haben könnten, an Krebs zu erkranken oder ein Herzleiden zu bekommen».
Wissenschaftlich bewiesen ist zwar noch nichts. Nach Ansicht von Mirjana Moser vom BAG «sind die Indizien aber so stark, dass unnötige Belastungen vermieden werden sollten, wo dies möglich ist». Es müsse das Vorsorgeprinzip gelten.
Genau deswegen hat der Bundesrat in der Verordnung zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (Nis-Verordnung) einen Anlagegrenzwert von 1 Mikrotesla für «Orte mit empfindlicher Nutzung» wie etwa Wohnräume festgelegt. Er soll die Bevölkerung vor Strahlung schützen, deren schädliche Wirkung vermutet wird, aber noch nicht wissenschaftlich belegt ist.
Bloss: Dieser Grenzwert gilt nicht für Autos, sondern nur für ortsfeste Anlagen wie zum Beispiel Hochspannungsleitungen. Massgebend für Autos ist lediglich der international anerkannte Grenzwert von 100 Mikrotesla. Mercedes, Volvo und BMW berufen sich denn auch darauf, dass sie diesen Grenzwert klar einhalten.
Dass es auch mit der Batterie im Kofferraum möglich ist, relativ tiefe Werte zu erreichen, zeigt das Beispiel des Toyota Prius. Der kleine Japaner hält punkto Elektrosmog locker mit Konkurrenten herkömmlicher Bauweise mit.
Da will auch Volvo nicht nachstehen. Der zu Ford gehörende schwedische Autohersteller offeriert verunsicherten Kunden nun den Einbau eines neuen Kabelsatzes samt Erdungskabel. Messungen in einem damit ausgerüsteten Volvo S80 haben denn auch deutlich tiefere Werte ergeben.
Der Einbau ist allerdings nicht gratis. In Deutschland und Schweden verlangt Volvo dafür umgerechnet rund 300 Franken. In der Schweiz solls «zirka 500 Franken» kosten.
«Gesundheitsrisiko nicht bewiesen»
Das sagen Volvo, BMW und Mercedes-Benz zu den überdurchschnittlich starken elektromagnetischen Feldern:
- Peter Cornelis, Generaldirektor von Volvo Schweiz, schreibt dem K-Tipp, es sei «wissenschaftlich nicht erwiesen, dass niedrigfrequente elektromagnetische Abstrahlungen gesundheitliche Schäden nach sich ziehen». Renommierte Wissenschaftler seien der Ansicht, dass «Magnetfelder niedriger Stärke für Menschen ungefährlich sind».
Ausserdem lägen die gemessenen Werte «um ein Mehrfaches unter den internationalen Grenzwerten». Fahrer und Passagiere in Volvo-Fahrzeugen seien deshalb «keinem Gesundheitsrisiko» durch Elektrosmog ausgesetzt und so liege auch «kein Widerspruch zu unserer auf Sicherheit fokussierten Werbung vor».
Folgende Modelle haben die Batterie im Kofferraum: S60 (Modelljahre ab 2001), S80 (Modelljahre ab 1999), V70 (Modelljahre ab 2000).
- BMW Schweiz bestätigt, dass «die Grössenordnung der in "Vi Bilägare" veröffentlichten Messwerte eigenen Messungen entspricht». Alle Werte lägen aber «weit unterhalb der relevanten internationalen Grenzwerte und ein Vielfaches unterhalb der Emissionen von viel genutzten Elektrogeräten im Haushalt», schreibt Kommunikationschef Philipp Odermatt. Zudem hätten sich «unabhängige schwedische Wissenschaftler sehr kritisch über die spekulativen Aussagen in "Vi Bilägare" geäussert».
Laut Odermatt haben alle aktuellen BMW-Fahrzeuge die Batterie im Kofferraum.
- Die Firma DaimlerChrysler, zu der Mercedes gehört, hält fest: «Die internationalen Grenzwerte werden selbst für den strengsten Expositionsbereich um den Faktor 50 unterschritten.» Verglichen mit elektrischen Geräten wie Rasierapparaten sei die Belastung in Autos 50- bis 100-mal niedriger.
Auch DaimlerChrysler weist darauf hin, dass «ein Zusammenhang zwischen diesen sehr kleinen Magnetfeldern und gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen» bis heute nicht bewiesen sei. Man strebe aber «eine weitere Reduzierung der Belastung» an.
Nebst der neuen E-Klasse hat auch die S-Klasse von Mercedes die Batterie im Kofferraum.
Die Werte von 22 Autotypen
Die schwedische Autozeitschrift «Vi Bilägare» hat Anfang dieses Jahres die elektromagnetischen Felder in 22 Fahrzeugtypen gemessen. Untersucht wurde jeweils das neuste Modell.
Da die Stärke der Felder vor allem von der Lage der Batterie abhängt, sind laut «Vi Bilägare» die Werte bei allen Varianten eines Fahrzeugtyps (VW Golf GTI, VW Golf V6) ungefähr gleich.
Gemessen wurde bei allen vier Sitzplätzen jeweils an folgenden Punkten: linker Fuss, rechter Fuss, Boden, Türschwelle, Sitz, Brust, Kopf. Überall wurden zwei Werte erhoben: im Leerlauf und bei 90 Kilometern pro Stunde.
Die nachfolgende Tabelle beschränkt sich auf den linken Fuss, den Sitz und den Kopf des Fahrers. Ausnahmen: Bei den BMW-Modellen und der Mercedes-E-Klasse sind die Werte im Beifahrerraum angegeben, weil bei diesen Fahrzeugen das Stromkabel auf der rechten Seite verläuft.
Alle Angaben in Mikrotesla (Einheit zur Messung elektromagnetischer Felder). Die Fahrzeuge sind in der Tabelle nach Messwerten beim linken Fuss im Leerlauf geordnet. Sämtliche Resultate finden Sie unter www.ktipp.ch/elektrosmog