Kassieren mit langen Ansagen
Mobilnetzbetreiber machen ihre Ansagetexte für die Anrufbeantworter immer länger - und verdienen mit jeder Sekunde mehrere Millionen dazu.
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saldo 16/2003
08.10.2003
Michael Perticone
Das ist Geldmacherei!» Musiklehrerin Corina Brönnimann Cavegn regt sich mächtig auf: «Es macht mich richtig wütend.» Der Grund ihres Ärgers: Seit Anfang September läuft auf allen Anrufbeanwortern für Orange-Handys ein neuer Ansagetext. Diesen Zusatz hat Orange ohne zu fragen allen Kunden angehängt.
Je länger der Ansagetext, desto höher die Kosten
Wer seither auf Corina Brönnimanns Handy anruft und auf dem Anrufbeantworter landet, hört folgenden Orange-...
Das ist Geldmacherei!» Musiklehrerin Corina Brönnimann Cavegn regt sich mächtig auf: «Es macht mich richtig wütend.» Der Grund ihres Ärgers: Seit Anfang September läuft auf allen Anrufbeanwortern für Orange-Handys ein neuer Ansagetext. Diesen Zusatz hat Orange ohne zu fragen allen Kunden angehängt.
Je länger der Ansagetext, desto höher die Kosten
Wer seither auf Corina Brönnimanns Handy anruft und auf dem Anrufbeantworter landet, hört folgenden Orange-Zusatz: «Sie können die Nachricht mit der Rautetaste jederzeit löschen.» Ein Anrufer, der sich verplappert hat, kann es also nochmals versuchen. Der Orange-Standardtext dauert deshalb neu 16 statt 12 Sekunden.
Bei Orange kann man den Ärger der Kundin nicht verstehen. «Wir haben diese Funktion eingeführt, weil wir festgestellt haben, dass sie einem generellen Kundenbedürfnis entspricht», sagt Andreas Waber von Orange. Nur: Wie diese Kundenbefragung in der Schweiz aussah, will Orange nicht sagen. Waber verweist lediglich darauf, dass der Zusatztext auch in England und Frankreich laufe.
Das Verlängern der Standard-Ansagen ist ein verbreitetes Übel: Swisscom hat die Ansage ihrer Combox vor einem Jahr verlängert. Seither muss, wer auf einer Combox mit dem Swisscom-Standardtext landet, eine gut 17 Sekunden lange Ansage inklusive der soeben gewählten Nummer anhören. Ohne Nummernansage war der Text etwa halb so lang: 9 Sekunden. Auch Swisscom beruft sich auf Kundenbedürfnisse.
Die Verlängerung der Ansagetexte hat für die Anbieter neben dem angeblichen Kundeninteresse einen handfesten Grund: mehr Einnahmen. Denn mit jeder Sekunde, die ein Ansagetext länger wird, steigen die Telefonkosten. Und zwar massiv.
Swisscom: Jährlich 19 Mio. Franken Mehreinnahmen
Keiner der drei Anbieter will Zahlen zu Umsatz und Nutzung der Anrufbeantworter herausrücken. Kassensturz hat deshalb eine Hochrechnung angestellt, die sich auf eine Marktstudie des deutschen Mobilfunkanbieters E-plus und eine eigene Stichprobe stützt. Zweimal pro Woche landet demnach ein Anrufer auf einem Handy-Beantworter. Diese Zahl hat Kassensturz halbiert, weil viele Kunden eine persönliche Ansage verwenden.
So gerechnet nimmt Swisscom mit ihren 3,6 Millionen Abonnenten dank der Verlängerung durch die Nummernansage jährlich 19 Millionen Franken zusätzlich ein.
Zusatzkosten auch fürs Abhören der eigenen Combox
Insgesamt fliessen mit dem langen Standard-Ansagetext 37 Millionen Franken in die Swisscom-Kassen. Bei Sunrise (1,2 Millionen Abonnenten) mit einem Ansagetext von 13 Sekunden sind es 6 Millionen Franken, bei Orange (eine Million Abonnenten) mit einer Ansagedauer von 16 Sekunden kommen 5,5 Millionen Franken zusammen. So kassieren die Anbieter gemäss Kassensturz-Hochrechnung 48,5 Millionen Franken pro Jahr.
Das ist allerdings sehr zurückhaltend geschätzt. Nicht berechnet wurden netzübergreifende Anrufe - also zum Beispiel ein Anruf von einem Orange-Handy auf ein Swisscom-Mobiltelefon oder von einem Fix-Anschluss auf einen Handy-Beantworter. Ebenfalls nicht mitgerechnet wurden die Kosten, die beim Abhören des eigenen Anrufbeantworters anfallen. Wären sämtliche Anrufe in die Rechnung mit einbezogen, kämen noch einige Millionen Franken dazu.
Ansagetexte kürzen
Wer bei einem Anruf auf ein Swisscom-Handy auf der Combox landet, kann, egal von welchem Netz er anruft, den Ansagetext mit Drücken der Rautetaste überspringen und direkt eine Mitteilung sprechen. Diesen Service bieten zurzeit weder Sunrise noch Orange: Orange will die Funktion erst einführen, dasselbe überlegt sich Sunrise.
Am günstigsten kommt es die Anrufer zu stehen, wenn der Angerufene einen eigenen Ansagetext aufgenommen hat. Dieser sollte möglichst kurz sein, jedoch mindestens 2 bis 3 Sekunden. Die Mitteilung mit Name und Hinweis auf die Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen genügt in der Regel: «Mark Muster, Mitteilungen nach dem Signalton» - sogar ein «Danke» hätte da noch locker Platz.