Fragwürdige Feuerlöscher bei Sodbrennen
Stress und falsche Essgewohnheiten führen bei vielen Menschen zu Magenbeschwerden. Betroffene greifen gerne zu Säurehemmern. Nur: Oft wirken solche Mittel nicht besser als ein Plazebo.
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Gesundheitstipp 2/2004
18.02.2004
Sonja Marti - smarti@pulstipp.ch
Schwungvoll eilt der Kellner durch das voll besetzte Restaurant, begleitet von schmissigen Samba-Rhythmen. In der Küche beisst er rasch in ein Brötchen, und gleich gehts zurück zu den Gästen. Doch dann passierts: Ein plötzliches Brennen im Magen stoppt ihn abrupt. Schmerz verzerrt sein Gesicht. Da erklingt eine warme Stimme aus dem Hintergrund: «Wenn Sie einmal zu beschäftigt sind und nicht die Zeit finden, richtig zu essen, kann das Magenbrennen verursachen. Gut, wenn Sie jetzt Rennie zu...
Schwungvoll eilt der Kellner durch das voll besetzte Restaurant, begleitet von schmissigen Samba-Rhythmen. In der Küche beisst er rasch in ein Brötchen, und gleich gehts zurück zu den Gästen. Doch dann passierts: Ein plötzliches Brennen im Magen stoppt ihn abrupt. Schmerz verzerrt sein Gesicht. Da erklingt eine warme Stimme aus dem Hintergrund: «Wenn Sie einmal zu beschäftigt sind und nicht die Zeit finden, richtig zu essen, kann das Magenbrennen verursachen. Gut, wenn Sie jetzt Rennie zur Hand haben.» Denn Rennie soll «schnell und wirkungsvoll» helfen - so verspricht es der Werbespot.
Nicht immer ist Magensäure der Auslöser von Schmerzen
Zwar können so genannte Antazida wie zum Beispiel Rennie, Riopan oder Alucol einen Teil der Magensäure neutralisieren. Doch Ärzte kritisieren den häufigen Gebrauch von Säurehemmern bei Sodbrennen. Rémy Meier, Facharzt für MagenDarm-Krankheiten im Kantonsspital Liestal, hat die Ergebnisse mehrerer Studien geprüft. Sein Fazit: «Antazida sind wenig wirksam.» Man solle sie nur bei leichten Beschwerden und nur für kurze Zeit nehmen.
Jetzt hat eine aktuelle Studie des renommierten Cochrane-Instituts in London ergeben: Antazida wirken auch bei anderen Verdauungsbeschwerden, die nicht von einem Geschwür verursacht sind, nicht viel besser als Plazebo-Pillen. Denn oft ist nicht überschüssige Magensäure das Problem, sondern ein zu starker Druck auf den Magen. Oder das Ventil zwischen Magen und Speiseröhre funktioniert nicht richtig. Fachleute nennen dies «Reflux».
Welchen Wirkstoff das Medikament enthält, spielt bei der Wirksamkeit kaum eine Rolle, so Rémy Meier. Doch bei den Nebenwirkungen unterscheiden sie sich:
- Karbonate können Blähungen verursachen. Möglicherweise regen sie zudem den Magen an, mehr Säure zu bilden.
- Magnesium-Verbindungen können abführend wirken.
- Aluminium-Verbindungen können stopfend wirken. Bei länger dauernder Einnahme grösserer Mengen kann sich Aluminium in Nerven und Knochen ablagern (vgl. dazu auch S. 22).
Die Hersteller von Antazida weisen die Kritik jedoch zurück. Sie bestehen darauf, dass ihre Medikamente «nur dann eingesetzt werden, wenn zu viel Magensäure die Ursache der Beschwerden ist». So der Schweizer Vertrieb von Alucol, die Zürcher Firma Melisana: «Die Wirkung von Antazida bei Magenübersäuerung ist unbestritten.» Bei anderen Ursachen für Magenbeschwerden sei Alucol nicht angezeigt. Auch der Schweizer Pharmakonzern Roche, Hersteller von Rennie, erklärt: «Wir haben Studien, die nachweisen, dass Rennie gegen die Symptome eines übersäuerten Magens hilft.» Allerdings sagt Puls-Tipp-Arzt Thomas Walser: «Wer gegen Sodbrennen in der Apotheke einen rezeptfreien Säurehemmer erhält, weiss nur selten, ob tatsächlich eine Übersäuerung die Ursache seiner Beschwerden ist.»
Und der Markt mit den Säureblockern boomt: Gegen hundert verschiedene Produkte gibt es in der Schweiz. Und jährlich gehen rund 2,4 Millionen Packungen über den Ladentisch der Apotheker. Kein Wunder: In der Schweiz haben über 40 Prozent der Erwachsenen mindestens einmal pro Monat Sodbrennen, 10 Prozent sogar jede Woche. Und die Zahl der Betroffenen steigt. Schuld daran ist vermutlich vor allem eines: «Ein hektischer Lebensstil, ungesunde Ernährung und die steigende Zahl von Übergewichtigen», so Spezialist Rémy Meier.
Fachärzte empfehlen deshalb, bei Sodbrennen erst einmal die Ess- und Lebensgewohnheiten zu überprüfen (siehe Kasten unten). Dominique Criblez, Leitender Arzt für MagenDarm-Krankheiten am Kantonsspital Luzern: «Vor einer medikamentösen Therapie sollte man prüfen, ob üppige, fettreiche Kost, spätes Abendessen, Rauchen oder Alkohol die Beschwerden verursachen.» Puls-Tipp-Arzt Thomas Walser rät zu weniger Kaffee, weniger Pfefferminztee und Rauchstopp: «Eine Zigarette lähmt den unteren Drittel der Speiseröhre für ganze drei Stunden.» Dadurch funktioniert das Ventil zwischen Magen und Speiseröhre nicht mehr richtig.
Einfache Mittel gegen Sodbrennen - darauf schwört auch Josef Laimbacher aus Oberwil (ZG). Jahrzehntelang hatte er extreme Beschwerden. «Es war so schlimm, dass ich mich manchmal nach einem feinen Essen vor Schmerz krümmte», erzählt der 68-Jährige. Auf Medikamente verzichtet er: «Die halfen nur kurzfristig.» Sein «Wundermittel» ist Brennnesseltee. «Jeden Morgen trinke ich erst einmal drei Tassen davon. So verschwanden meine Beschwerden praktisch über Nacht», berichtet Laimbacher. Zudem achte er darauf, nicht zu schwer zu essen.
Bei starken und anhaltenden Beschwerden zum Arzt
Auch der 71-jährigen Vreni Furter aus Beinwil am See (AG) hilft bei Sodbrennen ein Hausmittel: Kartoffelsaft. Dafür reibt sie eine geschälte, rohe Kartoffel an der Bircherraffel und presst den Brei durch ein Sieb. «Ein knapper Esslöffel davon - und das Sodbrennen ist gestoppt», sagt Furter.
Erst wenn Verhaltensänderungen nichts nützen und die Beschwerden über längere Zeit häufig auftreten, sollte man zum Arzt. Das gilt vor allem für Menschen über 50. Der Arzt verschreibt dann meist Medikamente: die Protonenpumpen-Hemmer. Sie sind zwar deutlich teurer als die rezeptfreien Antazida - aber sie wirken.
Eine Spiegelung der Speiseröhre ist erst dann nötig, wenn diese Therapie nicht anschlägt oder bestimmte Warnsignale auftreten: unerklärlicher Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Schluckbeschwerden oder Bluterbrechen. Die Gefahr einer ernsthaften Krankheit der Speiseröhre ist jedoch sehr gering.
Das hilft bei Sodbrennen
- Tragen Sie keine engen Kleider, die auf den Magen drücken.
- Essen Sie nicht zu viel aufs Mal. Halten Sie sich zurück bei fett- und kohlehydratreichen Mahlzeiten, Schokolade und Pfefferminz.
- Trinken Sie nur wenig Alkohol, Kaffee, saure Fruchtsäfte und Cola.
- Sitzen Sie beim Essen aufrecht und kauen Sie gut.
- Verzichten Sie unmittelbar nach dem Essen auf Sport.
- Vermeiden Sie Stress.
- Verzichten Sie aufs Rauchen.
- Essen Sie am Abend möglichst früh, wenig und leicht. Legen Sie sich frühestens drei Stunden nach dem Essen ins Bett.
- Schlafen Sie mit erhöhtem Oberkörper, indem Sie zum Beispiel am Kopfende Ziegelsteine unter das Bettgestell legen.
- Medikamente wie Kalziumblocker, Benzodiazepine (z.B. Valium) oder Theophyllin können Sodbrennen fördern. Fragen Sie den Arzt, ob er Ihnen ein anderes Medikament verschreiben kann.