So werden Sie Ihr eigener Boss
Der Weg in die Selbständigkeit ist hart: Es braucht gute Planung, genug Geld, Hartnäckigkeit und viel Wissen. Doch wer alles richtig anpackt, hat am Ende Erfolg.
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K-Tipp 3/2005
09.02.2005
Sandra Willmeroth - redaktion@ktipp.ch
Es ist ein schöner Traum: sein eigener Chef sein, fürs eigene Portemonnaie arbeiten, seinen Tag selber bestimmen. Viele machen diesen Traum auch wahr: Gemäss dem Schweizerischen Verband Creditreform haben sich letztes Jahr 34 443 Menschen zum Schritt in die Selbständigkeit entschlossen.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen: solides Fachwissen und ein intaktes Netzwerk. «Business ist Networking», sagt Luca Vidi, Gründer des Übersetzungsbüros 24translate. «Ohne die Kontakt...
Es ist ein schöner Traum: sein eigener Chef sein, fürs eigene Portemonnaie arbeiten, seinen Tag selber bestimmen. Viele machen diesen Traum auch wahr: Gemäss dem Schweizerischen Verband Creditreform haben sich letztes Jahr 34 443 Menschen zum Schritt in die Selbständigkeit entschlossen.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen: solides Fachwissen und ein intaktes Netzwerk. «Business ist Networking», sagt Luca Vidi, Gründer des Übersetzungsbüros 24translate. «Ohne die Kontakte aus dem Sport und aus meiner früheren Tätigkeit als freiberuflicher Berater hätte es sicher nicht geklappt», erinnert er sich.
Vor knapp drei Jahren machte sich der damals 26-jährige Student selbständig. Eine Verletzung hatte den einstigen Profisportler gezwungen, die Ski einzumotten und sich eine neue Zukunft aufzubauen. Er begann ein Wirtschaftsstudium an der Hochschule St. Gallen.
Als sein persönliches Budget aber immer kleiner wurde, musste sich Vidi etwas einfallen lassen. «Ich habe 24translate eigentlich nur gegründet, um mein Studium zu finanzieren.» Die erste Zeit konnte Vidi davon allerdings nicht leben: Nur rund 1100 Franken hat er monatlich nach Hause getragen. Für die Dienste der ersten Bürokraft musste er vorübergehend sogar auf diese bescheidene Summe verzichten.
Erst nach einem guten halben Jahr kam Luca Vidi langsam aus den roten Zahlen. Und war damit deutlich schneller als die meisten neu gegründeten Unternehmen. Durchschnittlich wirtschaften solche Newcomer nach zwölf Monaten kostendeckend - und erst im dritten Jahr gewinnbringend.
Plant man die Selbständigkeit, sollte man sicherstellen, dass genug Geld vorhanden ist, um die harte Startphase zu finanzieren. Denn meist braucht es einen langen Atem, um sich am Markt zu etablieren. Sonst geht es einem wie Beat Habegger, Mitbegründer der Swiss-Kaffee Service AG in Bern. «Am Tag nach der Eröffnung unseres ersten Geschäfts standen wir plötzlich ohne einen Rappen da», berichtet der heute 36-jährige Unternehmer.
Businessplan erstellt und Markt analysiert
Zusammen mit seinem Fussballkollegen gründete der gelernte Schreiner 1996 das Café Center Bern. Die Geschäftsidee gaben eigentlich die früheren Kunden seines Kompagnons Stefan Luzi, der in einer Kaffee-Firma gearbeitet und dort ständig unzufriedene Kunden erlebt hatte: Es war ihnen schlicht zu aufwändig, die Kaffeemaschine zur Wartung oder Reparatur vorbeizubringen. «Daher kam die Idee, einen Kaffee-Komplett-Service anzubieten», erinnert sich Habegger.
Konkret: Die Firma stellt die Kaffeemaschine auf, liefert den Kaffee und alles Zubehör und ist auch für Wartung und Reparaturen besorgt - der Kunde muss sich um nichts kümmern.
Die Idee wurde ein halbes Jahr akribisch durchdacht, in einem Businessplan zusammengefasst, durch eine Marktanalyse erhärtet und mit selber am Computer gebastelten und eigenhändig kopierten Werbe-Flyern bekannt gemacht.
Risikobereitschaft gehört dazu
Beat Habegger hatte auch Glück. «Wir mussten damals innert Tagen nach der Eröffnung 80 000 Franken für die nötigen Investitionen auftreiben. Wir haben es geschafft - dank guter Beziehungen zur Bürgschaftsgenossenschaft und dem Vertrauen einer Bank», sagt Habegger. Die Investitionen haben sich gelohnt. Sowohl das Café Center Bern als auch die darauf aufbauende, im April 2003 gegründete Swiss-Kaffee Service AG arbeiten profitabel.
Habeggers Beispiel zeigt: Die Finanzierung ist für alle Unternehmen das grösste Problem. «Liquidität ist das Allerwichtigste», weiss Bettina Hein, Finanzchefin von Svox, einem Zürcher Jungunternehmen, das elektronischen Geräten das Sprechen beibringt.
Als Ausgliederung eines Instituts der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich entstanden, konnte das Unternehmen auf Ergebnisse von 20 Jahren Forschung aufbauen. Dennoch waren die Investitionskosten beim Aufbau der Firma enorm, Bettina Hein spricht von Millionenbeträgen. «Man kann noch so gut sein, noch so eine tolle Geschäftsidee, noch so ein gutes Produkt haben: Wenn der Firma das Geld ausgeht, laufen Mitarbeiter und Kunden weg», berichtet die Finanzchefin.
Sie rät jedem potenziellen Jungunternehmer, eine ausführliche Finanzplanung zu erstellen, damit er ein bis drei Jahre lang den erhofften Erfolg vorfinanzieren kann. Dabei helfen unter Umständen private Investoren, die Banken oder kantonale Stellen. Hein hat die Millionen für ihre Firma bei privaten Investoren und Risiko-kapitalgesellschaften zusammengetragen - überzeugend und hartnäckig. «Wer mit seiner Geschäftsidee im stillen Kämmerchen bleibt und nicht auf die Leute zugeht, wird kaum Erfolg haben», meint Hein.
Das zeigt auch: Nicht jede Persönlichkeit ist zum Unternehmer geeignet. Mitzubringen sind in jedem Fall Risikobereitschaft, Offenheit und Flexibilität, Optimismus und die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen.
Denn am Anfang macht jeder Fehler. «Ich habe mein Lehrgeld bezahlt», erinnert sich Luca Vidi, der bereits mit 21 Jahren seine erste Aktiengesellschaft gegründet hatte. Mit der lief es allerdings nicht so gut. Durch die enge Bindung an die privaten Investoren fühlte sich Vidi in seinem eigenen Unternehmen unfrei. Für ihn war klar: Beim nächsten Mal würde er eine andere Gesellschaftsform wählen. Sein zweites Unternehmen gründete er denn auch als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).
Ganz anders bei Svox, die zu Beginn als GmbH gegründet worden war und die Bettina Hein ein Jahr später mühsam und kostenaufwändig in eine AG umwandeln musste - weil der Kapitalbedarf der Firma so hoch war und durch private und institutionelle Investoren gedeckt werden musste. In solchen Fällen ist die Rechtsform einer AG am besten geeignet.
Nach dem ersten Jahr wirds richtig hart
AG, GmbH oder noch ein anderes Rechtskleid für die Firma? Diese Frage muss jeder Neuunternehmer beantworten. Die wichtigsten Vor- und Nachteile der einzelnen Rechtsformen sind im neuen K-Tipp-Ratgeber ausführlich beschrieben.
Luca Vidi jedenfalls war froh, als er seine erste Firma nach anderthalb Jahren zum Selbstkostenpreis verkaufen konnte. Unterm Strich hat er aber trotzdem gewonnen - an Erfahrung. «Ich komme zwar aus einer Unternehmerfamilie, aber die ersten eigenen Schritte als Selbständiger waren trotzdem Neuland für mich und für den Erfolg meiner zweiten Firma Gold wert», meint Vidi heute. Genau genommen sind seine Erfahrungen derzeit 4 Millionen Franken wert, was in etwa dem Umsatz entspricht, den seine Übersetzungsagentur 24translate dieses Jahr einfahren wird.
In vielen andern Fällen ist der Traum vom selbständigen Arbeiten jedoch schnell ausgeträumt. Die Chancen, das erste Jahr zu überleben, liegen bei rund 80 Prozent. Aber danach beginnen die richtig harten Zeiten: Rein statistisch existiert fast die Hälfte aller neu gegründeten Unternehmen nach vier Jahren nicht mehr.
«Liquidität ist die Luft zum Atmen»
Die häufigsten Fehler von Firmengründern liegen in der ungenügenden Finanzierung, weiss KMU-Fürsprecher Hans-Ulrich Müller. «Ausreichende Liquidität ist für ein Unternehmen die Luft zum Atmen», meint der Banker, der als Leiter Firmenkunden «Kleinere und mittlere Unternehmen Schweiz» bei der Credit Suisse schon viel erlebt hat.
«Manchmal sind die Businesspläne der Existenzgründer reine Luftschlösser», erzählt er. Das Schlimme sei, dass solch realitätsferne Selbst- und Markteinschätzungen das Vertrauen der Investoren, der Lieferanten und der Kunden kosten. «Vertrauen ist das wichtigste Kapital der KMUs», ist sich Müller sicher.
Er muss es wissen, denn es ist sein Beruf, dafür zu sorgen, dass sich Jungunternehmer etablieren können und nicht in der traurigen Bilanz des Scheiterns auftauchen: 2004 war auch das Rekordjahr der Pleiten - 4955 Firmenkonkurse hat die Creditreform gezählt.
Neu: Was Kleinunternehmer wissen müssen
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