Goldene Nebengeschäfte
Einige Zahnärzte verdienen Geld mit dem Zahngold ihrer Kunden. Statt es ihren Patienten zurückzugeben, verkaufen sie es auf eigene Rechnung.
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saldo 7/2005
13.04.2005
Franco Tonozzi
Jeden Tag geschieht es irgendwo in der Schweiz: Ein Zahnarzt ersetzt bei einem Patienten die Goldkrone. Handelt der Zahnmediziner nach Vorschrift, gibt er das Altgold dem Patienten zurück. Denn diesem gehört es - auch dann, wenn er vergisst danach zu fragen. «Wir weisen unsere Mitglieder darauf hin, dass Patienten einen Anspruch auf das Altgold haben», sagt Alexander Weber, Sekretär der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO).
Deutschland: Behörden ermitteln ge...
Jeden Tag geschieht es irgendwo in der Schweiz: Ein Zahnarzt ersetzt bei einem Patienten die Goldkrone. Handelt der Zahnmediziner nach Vorschrift, gibt er das Altgold dem Patienten zurück. Denn diesem gehört es - auch dann, wenn er vergisst danach zu fragen. «Wir weisen unsere Mitglieder darauf hin, dass Patienten einen Anspruch auf das Altgold haben», sagt Alexander Weber, Sekretär der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO).
Deutschland: Behörden ermitteln gegen Betrüger
Leider kümmert das nicht alle Dentisten. In Deutschland sind jetzt erstmals Betrügereien im grossen Stil aufgeflogen: Zahnmediziner haben die Goldkronen ihrer Patienten behalten und sie an gut zahlende Edelmetallhändler verschachert. Die Behörden ermitteln gegen rund 100 Zahnärzte, Zahnlabors und Goldhändler. Das potenzielle Geschäftsvolumen ist riesig: 600 Millionen Franken ist das jährlich in Deutschland anfallende Zahngold wert, berichtete kürzlich der Fernsehsender ZDF.
Goldgräber ohne Schürfrechte gibt es auch in der Schweiz. Mehrere von saldo kontaktierte Zahnärzte bestätigen: Angebote von Goldhändlern sind durchaus keine Seltenheit. Und ein Zahnmediziner gibt zu, er sei bei solchen Geschäften auch schon von Händlern «über den Tisch gezogen» worden.
Die SSO verurteilt solche Nebentätigkeiten. Etwas dagegen zu unternehmen, sei aber schwierig. Alexander Weber: «Letztlich hat jeder Zahnarzt selber zu entscheiden, wie er das handhabt. Wir können ja nicht hinter jedes Mitglied einen Polizisten stellen.»
Altgoldhändler inserieren in Zahnarztmagazinen
Wie ungeniert Goldhändler Zahnärzten ihre Dienste anpreisen, belegen Inserate aus der «Schweizerischen Monatszeitschrift für Zahnmedizin»: «Altgoldankauf zu Tageshöchstpreisen», «auf Wunsch Hausbesuch», «absolute Diskretion».
saldo machte die Probe: Ein Redaktor rief einen Händler an, gab sich als Zahnarzt aus und bot 500 Gramm Zahngold zum Kauf an. Der Händler zögerte keine Sekunde: Mitte April sei er wieder auf Tour in Zürich, dann könne er die Ware abholen. Das Gold werde von ihm vor Ort gewogen und dann bar bezahlt - 8000 Franken stellte er in Aussicht. «Wir machen das selbstverständlich ohne Rechnung», versprach der versierte Geschäftsmann.
Max Schatzmann, pensionierter Zahnarzt aus Weinfelden TG, hat sich über die Sondergeschäfte einiger seiner Kollegen schon immer geärgert. Ihn stört aber auch, dass das Fachblatt der Zahnmediziner mit den Inseraten regelmässig darüber informiert, wie man aus Zahngold einfach und schnell Bargeld macht. Schatzmann hat den Verband aufgefordert, Anzeigen von Goldhändlern aus der Zeitschrift zu kippen. Ohne Erfolg. SSO-Sekretär Weber: «Wir haben gewiss kein Interesse daran, schwarze Schafe zu unterstützen. Weil die Goldhändler aber einer bewilligten Tätigkeit nachgehen, können wir die Inserate aus rechtlichen Gründen nicht abweisen.»
Zahnmediziner Schatzmann weiss: «Bei jedem Schweizer Zahnarzt fällt pro Jahr Altgold für 500 bis 1000 Franken an.» Bei 3700 Zahnarztpraxen kommen so rund 2,8 Millionen Franken zusammen. Allerdings: Die Mehrheit der Zahnärzte arbeitet ehrlich. Allen anderen können nur die Patienten das Handwerk legen, wenn sie ihr Zahngold einfordern. Dieser Anspruch verjährt erst nach zehn Jahren.
Rotes Kreuz sammelt Zahngold für einen guten Zweck
Wer will, kann das Edelmetall aus seinem Mund für einen guten Zweck spenden. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) und Zahnarzt Schatzmann haben die Aktion «Altgold für Augenlicht» ins Leben gerufen. «Mit dem Erlös werden Augenoperationen in der Dritten Welt finanziert», sagt SRK-Projektleiterin Beatrix Spring. Bei vielen Zahnärzten liegen Sammeltüten auf, die die Patienten portofrei dem SRK schicken können. Im vergangenen Jahr ist auf diese Weise allein durch Zahngold eine halbe Million Franken zusammengekommen.