SBB drohen mit Preisaufschlägen – trotz satten Gewinnen
Die SBB fahren im Personenverkehr seit Jahren Gewinne ein. Trotzdem wollen sie die Tarife für die Bahnreisenden erhöhen – um den defizitären Güterverkehr weiter zu subventionieren.
Inhalt
saldo 04/2009
28.02.2009
Letzte Aktualisierung:
03.03.2009
Werner Fischer, Thomas Lattmann
SBB-Sprecher Roman Marti kündigte es in der Zeitung «Sonntag» an: «Eine Preiserhöhung im Dezember ist betriebswirtschaftlich unausweichlich.» SBB-Chef Andreas Meyer bestätigte diese Aussage: Tarifanpassungen seien nötig. Die Begründung der Bahn-Manager: Seit der Preiserhöhung im Dezember 2007 sei das Angebot um 5,5 Prozent Zugkilometer länger. Dazu komme die Teuerung sowie Investitionen von 20 Milliarden Franken bis ins Jahr 2030 f&uu...
SBB-Sprecher Roman Marti kündigte es in der Zeitung «Sonntag» an: «Eine Preiserhöhung im Dezember ist betriebswirtschaftlich unausweichlich.» SBB-Chef Andreas Meyer bestätigte diese Aussage: Tarifanpassungen seien nötig. Die Begründung der Bahn-Manager: Seit der Preiserhöhung im Dezember 2007 sei das Angebot um 5,5 Prozent Zugkilometer länger. Dazu komme die Teuerung sowie Investitionen von 20 Milliarden Franken bis ins Jahr 2030 für neues Rollmaterial. Die offizielle Begründung überzeugt nicht: Die Investitionen ins Rollmaterial können die SBB aus dem laufenden Budget bestreiten, und die Mehrkilometer werden von den zunehmenden Fahrgastzahlen locker wettgemacht. Laut SBB-Sprecher Roland Binz hat die Zahl der Reisenden seit 2003 um 29 Prozent zugenommen. Und von einer Teuerung seit dem letzten Aufschlag im Dezember 2007 kann auch keine Rede sein: Seither ist der Preisindex um 0,1 Prozent gesunken.
Innert fünf Jahren 711 Millionen Überschuss im Personenverkehr
Seit Mai 2001 erhöhten die Bundesbahnen die Personentarife nicht weniger als sieben Mal. Die Teuerung betrug in den letzten zehn Jahren gemäss Bundesamt für Statistik 10 Prozent. Die Preise für SBB-Streckenabonnemente sind in dieser Zeitspanne aber um 13,4 Prozent gestiegen, diejenigen für Tageskarten der 2. Klasse gar um 23,1 Prozent. Die häufigen Aufschläge der letzten Jahre haben deutliche Spuren in der SBB-Rechnung hinterlassen: Das Geschäft mit dem Personenverkehr läuft äusserst profitabel. Die SBB fuhren 2007 in diesem Bereich einen Gewinn von 193 Millionen Franken ein. Der Güterverkehr hingegen stand mit 87,9 Millionen im Minus. Schlimmer noch: Für die Sanierung von SBB Cargo stellte der Konzern zusätzlich 102,5 Millionen Franken zurück. Insgesamt schloss also der Güterverkehr mit einem Defizit von 190,4 Millionen ab.
Ähnlich sah es in den Vorjahren aus: Der Personenverkehr hat durchs Band mit satten Gewinnen abgeschlossen. In den Jahren 2003 bis 2007 waren es fast 711 Millionen Franken Überschuss (siehe Grafik im pdf-Artikel). Für rote Zahlen hingegen sorgte der Bereich Güterverkehr. Er leistete sich in der gleichen Periode Defizite von insgesamt 429 Millionen Franken. Auch letztes Jahr änderte sich das Bild nicht: Die Bilanz präsentieren die SBB zwar erst am 2. April, aber SBB-Chef Meyer hat in «Cash» angekündigt, dass der Güterverkehr erneut ein negatives Ergebnis ausweisen wird. Im Personenverkehr liegen die Bundesbahnen sogar «deutlich über dem Vorjahr». Die Zahlen aus den Geschäftsberichten belegen, dass der Personenverkehr das Cargo-Geschäft subventioniert. Und die SBB-Fahrgäste zahlen schon in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler kräftig mit. So leistete die öffentliche Hand in den letzten Jahren Beiträge von jeweils gut 2 Milliarden Franken.
«Leute in den Chefetagen wissen wohl nicht einmal, was ein Billett kostet»
Edwin Dutler, Präsident von Pro Bahn, protestiert gegen eine Tariferhöhung «auf Vorrat». Erst müssten die SBB das Angebot qualitativ verbessern und neues Rollmaterial bringen. «Mit Preiserhöhungen sind die SBB immer sehr schnell, aber ihre alten Versprechen lösen sie nicht ein.» Dutler fordert mehr Mitsprache der Kunden bei künftigen Preiserhöhungen. «Die Leute in den Entscheidungsgremien haben ja alle ein Gratis-Generalabo. Sie wissen wohl nicht einmal, was ein Billett kostet.» Auch VCS-Zentralpräsidentin Franziska Teuscher hält eine weitere Tariferhöhung für ein «völlig falsches Signal». Es schwäche die Position des öffentlichen Verkehrs gegenüber dem privaten Motorfahrzeugverkehr. Preisüberwacher Stefan Meierhans kündigt an, dass er eine allfällige Tariferhöhung kritisch prüfen werde. Er bestätigt den Eindruck, dass die Fahrgäste den Güterverkehr in den letzten Jahren mitfinanzierten: «Der Personenverkehr deckte die Defizite des Güterverkehrs.» SBB-Sprecher Binz widerspricht: «Personen- und Güterverkehr weisen separate Spartenrechnungen aus. Was die SBB im Personenverkehr verdienen, kommt wieder den Kunden im Personenverkehr zugute.»
Entscheid über eine Preiserhöhung fällt in den nächsten Wochen
Die SBB werden laut Binz noch im März entscheiden, ob sie eine weitere Tariferhöhung wagen wollen. Der Antrag würde dann dem Verband öffentlicher Verkehr vorgelegt. Anschliessend müsste der Preisüberwacher über die Bücher. Nicht ausgeschlossen ist, dass die SBB in letzter Minute auf eine Preiserhöhung verzichten. Selbst der neue Verwaltungsratspräsident Ulrich Gygi hat bemerkt, dass eine neue Preisrunde «schwierig durchzusetzen ist». Der für die SBB zuständige Departementschef Moritz Leuenberger ist ebenfalls skeptisch, ob die Rechnung der SBB letztlich aufgeht. Er warnt: «Die Bahnen müssen aufpassen, dass die Leute nicht wegen einer Tariferhöhung von der Bahn zurück aufs Auto umsteigen.»
Sparpotenzial bei Cheflöhnen
Saus und Braus in der SBB-Chefetage: SBB-Chef Andreas Meyer bezog im Jahr 2007 1,24 Millionen Franken, VR-Präsident Thierry Lalive d’Epinay 280 000 Franken. Insgesamt gaben SBB-Geschäftsleitung und Verwaltungsrat 4,82 Millionen Franken für sich aus. Zum Vergleich: Ein Bundesrat kommt pro Jahr auf rund 470 000 Franken, inklusive Spesen. Das stösst zunehmend auf Protest: Gewerkschaftschef Paul Rechsteiner in der Zeitung «work»: «Wenn ein Unternehmen am Tropf des Staats hängt, sind Saläre über 500'000 nicht zu rechtfertigen.» Das müsse auch die Lohnlimite bei allen staatsnahen Betrieben wie der Swisscom, der Post und der SBB sein.