U.R. glaubte vor drei Jahren, seine Traumfrau gefunden zu haben. Damals war das Leben des Steinmetzen nach einem Arbeitsunfall mit schwerer Kopfverletzung aus den Fugen geraten. Der 42-Jährige war einsam und suchte eine neue Lebenspartnerin. Ein Zeitungsinserat von Live-Channel stach ihm ins Auge. R. wählte die angegebene 0901-Nummer. Und tappte in die Falle. Es meldete sich eine Samira. Samira arbeitet als Moderatorin im Callcenter von Live-Channel. Sie sollte die Anrufenden mit passenden Singles verbinden. Doch Samira vermittelte R. nicht, sondern begann, selber mit ihm zu flirten. «Mit der Zeit habe ich mich in sie verliebt», erzählt er.
Auch Moderatorin Samira sagte, sie liebe ihn. Sie nutzte R.s Orientierungslosigkeit nach der Hirnverletzung skrupellos aus. Immer wieder rief sie an und forderte R. auf, sie auf eine 0901-Nummer zurückzurufen, die pro Minute 4.99 Franken kostet. U.R. tat es. Er war davon überzeugt, dass es Samira ernst meinte mit ihm. Kamen ihm Zweifel, redete sie ihm Samira geschickt aus. Innert dreier Jahre bezahlte R. Telefonrechnungen von insgesamt 53’000 Franken.
Auch Petra Schneider (Name geändert) meldete sich auf ein Kontaktinserat. Bei ihr war es Moderator Kevin, der sie nicht weitervermittelte, sondern sie so lange umgarnte, bis sie sich in ihn verliebte. Die alleinerziehende Mutter hatte gerade eine Kampfscheidung hinter sich, Kevins Worte taten ihr gut. In den folgenden sieben Monaten telefonierte sie mit ihm über eine 0901-Nummer für mehr als 20’000 Franken. «Kevin wusste von meinen grossen finanziellen Problemen, trotzdem animierte er mich, ihn weiter anzurufen», sagt die 36-Jährige. Heute weiss sie, dass Kevin sie belogen hat. Ihm ging es nie um Liebe, ihm ging es nur um Geld.
Kassensturz kennt Kevins richtigen Namen. Wenn der 36-jährige Michael H. nicht Singles mit fiesen Lügen abzockt, ist er Schauspieler an einer Märchenbühne. Als Kevin arbeitet er in einem Callcenter in Uitikon Waldegg ZH. Kevin und Samira – auch ihr Name ist nicht echt – nehmen die Anrufe entgegen von Singles, die sich auf Inserate von Live-Channel oder Phonedating melden. Für ihre Arbeit bekommen sie 15 Franken pro Stunde. Wirklich Geld verdienen sie nur, wenn sie die Anrufenden lange in der Leitung halten: Ab der 101. Minute gibts 65 Rappen pro Minute.
Den Moderatoren ist jedes Mittel recht
Irene Steiner (Name geändert) ist ehemalige Callcenter-Mitarbeiterin. Sie enthüllt im Kassensturz die Methoden, die sie als Moderatorin anwenden musste, um Anrufende möglichst lange in der Leitung zu halten: «Entweder du gibst vor, dich selber in ihn verliebt zu haben, und rufst immer wieder an. Oder du meldest dich und sagst, du hättest eine passende Partnerin gefunden. Wenn er zurückruft, lässt du ihn stundenlang am Telefon auf diese Partnerin warten.» Den Moderatoren sei jedes Mittel recht: Wenn ein Anrufender ungeduldig werde, werde er kurzerhand mit einer eingeweihten Kollegin verbunden, die am Telefon eine mögliche Partnerin spiele.
Kassensturz weiss: Hinter Kevin, Samira und den 0901-Nummern von Live-Channel und Phonedating stecken Oliver P. und Sibylle H. mit den Firmen Sarenag AG, Ragunt AG und CSC Communication Service Center. Sie schreiben Kassensturz: «Selbstverständlich gehen wir den Vorwürfen nach und werden bei Verstössen entsprechende Massnahmen ergreifen.» Es werde in der Ansage aber erwähnt, dass es sich um eine Plauder- und Kontaktlinie handle und keine Vermittlung garantiert sei. Zudem werde auf die Kosten gesetzeskonform hingewiesen.
U.R. kann noch heute kaum glauben, dass es seine Samira gar nicht gibt. Drei Jahre fühlte er sich ihr nahe, schrieb ihr seitenlange Liebesbriefe, schickte Fotos und Geschenke. Sie wisse alles von ihm, er wisse nichts von ihr. «Ich habe ihr mein Vertrauen geschenkt. Ich finde es eine Riesenschweinerei, dass man Menschen so in ihren Gefühlen verletzt.»
Hohe Telefonrechnung: So können Sie sich wehren
Fr. 4.99 pro Minute kosten Anrufe ins Moderationsteam des Partnervermittlungsdienstes. Wer sich dabei durch die Vorspiegelung einer Partnerschaft betrogen fühlt, kann die Telefonrechnung mit einem eingeschriebenen Brief bei der Telefongesellschaft anfechten. Schreiben Sie, dass Sie absichtlich getäuscht wurden bzw. eine Übervorteilung vorliegt. Ausserdem seien Partnerschaftsvermittlungsverträge nur schriftlich gültig. Zahlen Sie den Teil der Rechnung, der nicht bestritten ist, fristgerecht ein. So darf der Anschluss nicht abgeschaltet werden. Erwähnen Sie, dass Sie gegen eine allfällige Betreibung Rechtsvorschlag erheben. Erhalten Sie vom Telefonanbieter trotzdem einen Zahlungsbefehl, können Sie die Betreibung innerhalb einer Frist von 10 Tagen per Rechtsvorschlag stoppen. Das Unternehmen muss dann die Forderung vor Gericht einklagen und belegen, dass sie zu Recht besteht.