Wo bisher «freiwillig» stand, steht jetzt «obligatorisch». Diese kleine Änderung in der «Bundesverordnung über die Durchführung von statistischen Erhebungen» hat einschneidende Konsequenzen:  Seit 1. September ist die Teilnahme an einer Telefonumfrage der Bundesverwaltung obligatorisch. Alain Vuille vom Bundesamt für Statistik (BfS) bestätigt die Recherchen des K-Tipp.

Das Obligatorium gilt zum ersten Mal für die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (Sake): Bis Ende Jahr werden 35 000 zufällig ausgewählte Ausländer und Schweizer über ihre persönliche Situation befragt. Der Bund interessiert sich unter anderem für Arbeitsort, Arbeitspensum und -bedingungen, Lohn und die familiären Verhältnisse. Zusätzliche Fragen betreffen Aus- und Weiterbildung, aber auch Arbeiten, die im Haushalt unentgeltlich erledigt werden.

Laut Angaben des BfS dauert die Befragung rund 20 Minuten. Damit beauftragt ist das private  Luzerner Meinungsforschungsinstitut Link. Mit Anrufen ist auch am Wochenende – inklusive Sonntag – zu rechnen, wie aus dem letzten Bericht über die Methodik der Sake-Umfrage hervorgeht. Das dürfte die wenigsten Privathaushalte freuen.


Nächstes Jahr werden über 125’000 befragt

Erstmals führte das Bundesamt die Sake-Erhebung im Jahr 1991 durch. Als Folge des Fichen-Skandals bei der Bundespolizei verweigerten knapp 17 Prozent der – allenfalls wiederholt – Angerufenen die Teilnahme. Einige Jahre später reduzierte sich diese Quote auf knapp 12 Prozent. Offenbar hat sich dieser Trend in den letzten Jahren wieder ins Gegenteil gekehrt – sonst hätte der Bundesrat wohl kaum den Teilnahmezwang angeordnet.

Will jemand keine Auskunft geben, muss er mit Konsequenzen rechnen: «Wer sich weigert, kann gebüsst werden», bestätigt Alain Vuille vom BfS. Den Zwang zur Teilnahme begründet Vuille damit, dass Statistiker nur so genaue Zahlen erhielten. Geplant sei, die Sake-Umfrage nächstes Jahr auf über 125’000 Personen auszuweiten. Das Vorgehen des Bundesrats ist rechtlich heikel.

Dürfen Bürger zur Teilnahme gezwungen werden? Was passiert, wenn jemand den Anruf des Umfrageinstituts nicht abnimmt? Oder für die Beantwortung der vielen Fragen keine Zeit hat? Der Zürcher Staatsrechtsprofessor Thomas Gächter sagt: «Die Umfrage greift in die Privatsphäre der Betroffenen ein.» Diese sei durch die Bundesverfassung grundsätzlich geschützt. Ein schwerwiegender Eingriff in dieses Grundrecht müsse durch ein Gesetz festgeschrieben sein, nicht durch eine bundesrätliche Verordnung. Denn gegen ein Gesetz könne sich das Volk mit einem Referendum wehren – im Gegensatz zu einer Verordnung.


Ohne Info-Brief an Betroffene läuft nichts

Gächter ist aber der Ansicht, bei der Sake-Umfrage genüge die Regelung in der Verordnung. Der Bundesrat könne eine Umfrage nur dann für obligatorisch erklären, wenn «es die Vollständigkeit, Repräsentativität, Vergleichbarkeit oder Aktualität einer Statistik» unbedingt erfordere. Der Fachmann ergänzt: «Bevor jemand bei der Befragung zum Mitmachen gezwungen wird, ist eine schriftliche Ankündigung notwendig.» Daraus müsse klar hervorgehen, dass es sich um eine obligatorische Umfrage handle und wer sie durchführe. Erst wer nach einer Mahnung die Teilnahme verweigert, könne gebüsst werden. Laut Markus Schwyn vom BfS erhalten alle von der Sake-Umfrage Betroffenen vorher ein Schreiben.