Warum zahle ich 42 Prozent mehr?

Ich habe in der Grundversicherung die höchste Franchise von 2500 Franken. Nächstes Jahr  ist die Prämie 42 Prozent teurer. Was steckt dahinter?
Gemäss den noch nicht genehmigten Prämien für das Jahr 2010 ist es effektiv so: Ihre Monatsprämie bei der Progrès steigt von Fr. 154.– auf Fr. 218.30 (Normalprämie in Solothurn ohne Unfall). Der Grund liegt einerseits darin, dass die Prämien in der Grundversicherung teils stark anstei- gen. Andererseits hat der Bundesrat beschlossen, die Rabatte bei der Jahresfranchise zu senken. Sie haben die Jahresfranchise von 2500 Franken – und Versicherte wie Sie trifft es doppelt.

Tipp: Rein rechnerisch lohnt es sich für Gesunde nach wie vor, die höchste Franchise zu haben. Vergleichen lohnt sich aber, denn die Kassen sind nicht verpflichtet, bei der maximalen freiwilligen Jahresfranchise auch den maximal erlaubten Rabatt zu gewähren. Und: Falls Sie die höchs-te Franchise haben, können Sie Ihren individuellen Rabatt vielleicht durch den Übertritt in eine Hausarztversicherung oder in ein Telefonmodell noch erhöhen.


Compact One: Was ist das?

Ständig sehe ich in Inseraten, die Sanitas habe jetzt eine «günstige Krankenversicherung ohne Extras». Was soll ich davon halten?
Zunächst ist die Sanitas-Tochter Compact eine normale Grundversicherung, deren Leistungskatalog sich nach dem Gesetz richtet. Die Compact führt aber auch ein Sparmodell mit Telefonberatung – eben Compact One. Wer sich dafür entscheidet, erhält einen Prämienrabatt von 20 Prozent – nimmt aber einschneidende Einschränkungen in Kauf. Bei jedem medizinischen Problem müssen die so Versicherten zuerst beim medizinischen Callcenter Medgate anrufen und sich beraten lassen (ausser in Notfällen).

Mehr noch: Das Callcenter legt dann auch den «weiteren Behandlungsablauf» fest. Dieser sei für die versicherte Person «verbindlich», wie es in den Bedingungen heisst. Falls der Arzt im Callcenter aufgrund des Telefongesprächs zum Schluss kommt, das Problem lasse sich zu Hause beheben, muss der Patient das akzeptieren. Falls doch ein Arztbesuch angezeigt ist, hat der Patient nur eine eingeschränkte Liste von Ärzten zur Auswahl.

Und die Strafe für Fehlverhalten ist happig: Wer sich zweimal nicht an die Anweisungen des Callcenters hält, wird rückwirkend auf Jahresbeginn in die «normale» Compact umgeteilt und muss den bis dahin erhalten Prämienrabatt zurückerstatten. Das können mehrere hundert Franken sein. Fazit: Einmal mehr ist ein Sparmodell nur auf junge Gesunde ausgerichtet. Wer hingegen regelmässig zum Arzt muss, nimmt solche Einschränkungen nur ungern in Kauf.

Immerhin: Wechseln Sanitas- oder Wincare-Kunden ihre Grundversicherung zu Compact One, können sie allenfalls bestehende Zusatzversicherungen quasi mitzügeln, damit sie es nicht mit zwei verschiedenen Versicherungen zu tun haben.


Keine Zeit für Kassenwechsel?

In der «Neuen Zürcher Zeitung» stand, die Prämien würden heuer so spät bekanntgegeben, dass viele «überfordert sein werden, rechtzeitig zu kündigen und zu wechseln». Stimmt das?
Das ist Unsinn. Die neuen Prämien werden wie immer Anfang Oktober bekanntgegeben, und die Versicherten erhalten die individuelle Mitteilung mit der Prämie für 2010 noch im Oktober. Kündigungstermin für einen Wechsel ist dann wie immer Ende November. Es bleibt also genug Zeit.


Prämienbefreiung: Lohnt sich das?

Bei der Helsana kann man neu die «Prämienbefreiung» abschliessen. Sie übernimmt die Krankenkassenprämien, falls man invalid wird. Was halten Sie davon?
Das Angebot der Helsana ist trügerisch. Sie wirbt mit dem Spruch, die neue Versicherung biete einen «umfassenden finanziellen Schutz bei Invalidität» und schütze so das Vermögen. Das ist falsch. Denn mit der neuen Versicherung sind nur gerade die Krankenkassenprämien bei Invalidität abgesichert, die restlichen lebenswichtigen Ausgaben hingegen nicht. Zudem zahlt die Versicherung erst ein Jahr nach Eintritt der Invalidität, weil sie an den Rentenentscheid der staatlichen Invalidenversicherung gekoppelt ist.

Wer sich für den Fall von Invalidität wirklich umfassend vorsehen will, benötigt eine «richtige» Erwerbsunfähigkeitsversicherung, die einen echten Lohnersatz bietet. Ob Sie eine solche private Invalidenrente brauchen, hängt wesentlich davon ab, wie gut die Leistungen der staatlichen Invalidenversicherung und Ihrer Pensionskasse sind. Die Helsana bietet in diesem Fall nur einen Teilschutz. Und: Sollten Sie effektiv invalid werden und ein Geldproblem haben, können Sie immer noch alle Zusatzversicherungen kündigen und für die Grundversicherung die staatliche Prämienverbilligung abholen. «Es macht keinen Sinn, etwas zu versichern, auf das man im Ernstfall gut verzichten könnte», bekräftigt Stefan Thurnherr vom VZ Vermögenszentrum.

Die Prämienbefreiung ist nicht etwa günstig. Sie kostet zurzeit 4,6 Prozent der zu versichernden gesamten Prämie. Wer will, kann die gesamte Familienprämie versichern. Angenommen, Sie zahlen der Helsana jeden Monat 1000 Franken an Prämien für die ganze Familie. Dann kostet Sie die Prämienbefreiung für diese 1000 Franken im Jahr satte 552 Franken. Doch schon für 1000 Prämienfranken können Sie über eine «richtige» Erwerbsunfähigkeitsversicherung den doppelten Rentenbetrag von 2000 Franken abschliessen. Und dieses Geld haben Sie dann erst noch zur freien Verfügung. Übrigens: Für die Aufnahme in die Versicherung «Prämienbefreiung» verlangt die Helsana eine Gesundheitsprüfung. Sie ist deshalb wohl nur für vollständig Gesunde erhältlich.


Was ist Sanagate?

Worum geht es bei Sanagate, von der man lesen kann, das sei eine «neue Krankenversicherung»?
Sanagate ist nur eine weitere Billigkasse, diesmal von der CSS. Sie bietet – wie alle anderen Krankenkassen auch – die ganz normale Grundversicherung mit etlichen Sparvarianten an. Und sie soll junge Leute anlocken. Wie günstig sie dereinst sein wird, wird sich erst 2011 weisen. Fürs Jahr 2010 muss sie als neue Kasse noch mit der jeweiligen kantonalen Durchschnittsprämie operieren – und das ist prämienmässig meist nicht sonderlich attraktiv.

Das Gleiche gilt übrigens für die neue Helsana-Tochter namens Maxi.ch. chtung: Die Sanagate ist zwar eine CSS-Tochter, agiert aber eigenständig. Wer also Zusatzversicherungen bei der teureren CSS hat und die Grundversicherung bei Sanagate, hat es mit zwei getrennten Versicherungen zu tun, was einen administrativen Mehraufwand bedeutet.

Tipp: CSS-Versicherte können die Grundversicherung zur ebenfalls günstigen CSS-Tochter Arcosana wechseln. Das gibt keinen Zusatzauf-wand: Sie erhalten nur eine Prämienrechnung. Zudem haben sie für ihre Arzt- und Spitalrechnungen nur eine einzige Einsendeadresse. Mehr noch: Von der Tochter erhalten die Kunden eine einzige Leistungsabrechnung für die Rückerstattungen aus Grund- und Zusatzversicherung. Und dieses Geld kommt mit nur einer einzigen Zahlungsanweisung auf das Konto der versicherten Person.


Sparen dank Spezialkonditionen?

Der Verein Pro Life schreibt mir, ich solle zur Helsana-Gruppe wechseln, denn bei diesen Kassen gebe es «Spezialkonditionen». Stimmt das?
Nur zum Teil. Der Verein Pro Life engagiert sich gegen Abtreibungen und hat mit der Helsana einen Kollektivvertrag. Die Vereinsmitglieder profitieren zwar von Rabatten bei der Helsana – aber nur bei den Zusatzversicherungen. In der Grundversicherung hingegen gibt es keine Kollektivverträge, keine Gruppenrabatte, keine Extras für Vereinsmitglieder und auch keine Vergünstigungen für bestimmte Firmenangehörige. Viele Werbeschreiben sind deshalb mit Skepsis zu betrachten. Die Concordia z. B. lockte Firmenangehörige mit «exklusiven Rabatten» und Prämienerspar- nis. Auch hier: Das betrifft nur Zusatzversicherungen.


Neu: Prämien vergleichen auf www.ktipp.ch

Seit einigen Wochen läuft auf der K-Tipp-Homepage ein Prämienrechner. Bei der Mehrzahl der Angaben handelt es sich um die Tarife, die die Kassen dem Aufsichtsamt zur Genehmigung eingereicht haben. Die definitiven Prämien werden im Prämienrechner aufgeschaltet, sobald sie das zuständige Bundesamt bewilligt und veröffentlicht hat. Das wird in den ersten Oktobertagen der Fall sein. Dann finden Sie auch im K-Tipp die üblichen Prämientabellen in schriftlicher Form (Ausgabe 17 vom 14. Oktober 2009).


Zusatzversicherungen im September kündigen

Bei der obligatorischen Grundversicherung ist der Kündigungstermin Ende November. Bei den Zusatzversicherungen ist das anders: Im Normalfall muss die Kündigung schon Ende September bei der Kasse eingetroffen sein. Das gilt, wenn die Prämie gleich bleibt. Steigt hingegen die Prämie der Zusatzversicherung (was der einzelne Versicherte jetzt noch gar nicht wissen kann), ist eine Kündigung nach der Bekanntgabe der neuen Prämie auch noch im Novem-ber oder Dezember möglich – je nach Kasse. Achtung: Wer in eine andere Zusatzversicherung wechseln will, sollte seine alte Police erst kündigen, wenn er in die neue Versicherung aufgenommen worden ist.