Neuer Name – alte Masche
Mit umstrittenen Methoden unnötige Versicherungen verkaufen – das war die Spezialität der AIG. Unter dem neuen Namen Chartis macht sie weiter wie bisher.
Inhalt
K-Tipp 07/2010
05.04.2010
Letzte Aktualisierung:
06.04.2010
Ernst Meierhofer
Der K-Tipp schrieb in Ausgabe 5/10, Spitaltaggeld-Versicherungen seien überflüssig. Sie seien nur eine Einnahmequelle für die Versicherungen. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum die Firma Chartis genau solche Policen verkauft. Chartis ist der neue Firmenname, unter dem der amerikanische Grosskonzern AIG seine Sparte Sachversicherung betreibt.
Die AIG ist nur deswegen noch am Leben, w...
Der K-Tipp schrieb in Ausgabe 5/10, Spitaltaggeld-Versicherungen seien überflüssig. Sie seien nur eine Einnahmequelle für die Versicherungen. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum die Firma Chartis genau solche Policen verkauft. Chartis ist der neue Firmenname, unter dem der amerikanische Grosskonzern AIG seine Sparte Sachversicherung betreibt.
Die AIG ist nur deswegen noch am Leben, weil sie von der US-Regierung im Zuge der Finanzkrise von 2008 mit 180 Milliarden Dollar unterstützt wurde. Problematisch ist nicht nur, dass Chartis ihre überflüssigen Spitaltaggeld-Versicherungen namens Hospicash unter die Leute bringt. Heikel ist auch ihre Methode. Denn wie früher unter dem Namen AIG verkauft auch die Chartis per Telefon.
Keine Offerte, sondern eine «aktive Police»
Genauer: Callcenter-Agenten rufen an, um die Versicherung schmackhaft zu machen – sie dürfen aber keine Offerten, keine Prospektunterlagen und kein Infomaterial abgeben. Sie müssen vielmehr gleich eine Police mit den Versicherungsbedingungen und der ersten Prämienrechnung verschicken. «Wenn der Kunde uns im Verkaufsgespräch seine Zustimmung für die Zusendung einer Police gibt, fängt ab diesem Moment die Versicherung an zu laufen», schrieb die Chartis 2009 dem K-Tipp. Man verschicke eine «aktive Police».
Das Gesetz sagt: So geht es nicht!
Diese angebliche «Zustimmung» ist in der Praxis oft zweifelhaft. Viele Empfänger berichten, sie hätten keineswegs ausdrücklich eine Versicherung bestellt. Und sie sind verunsichert, wenn sie nicht zahlen und ihnen später sogar eingeschriebene Mahnungen ins Haus flattern.
Typisch dafür ist die Aussage von K-Tipp-Leserin Iris Schmid aus Rubigen BE: «Mir war zu keinem Zeitpunkt klar, dass ich mit einem entnervten ‹Dann schicken Sie mir halt die Unterlagen› gleich eine gültige Versicherung kaufe.» Ihr wollte die Chartis übrigens eine Unfall-Zusatzversicherung verkaufen – die angesichts der gut ausgebauten gesetzlichen Unfallversicherung ebenfalls meist überflüssig ist.
Und K-Tipp-Leserin Hilde Müller aus Wil SG schreibt: «Ich sagte, ich wolle mir Gedanken machen, um den Anrufer abzuwimmeln. Darauf hiess es, es kämen nur Unterlagen zu dieser Versicherung, quasi als Info.» Es kam aber eine Police mit Rechnung.Die Chartis sagt dazu, dieses Verkaufsgespräch habe «voll und ganz den Anforderungen» entsprochen.
Die Verkaufsmethode der Chartis hat einen grossen Haken: Sie hält die gesetzlichen Anforderungen nicht ein. Denn das Gesetz verlangt unter dem Titel «Informationspflicht des Versicherers», dass dem Kunden bei einem Versicherungsabschluss die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) vorliegen müssen.
Das ist aber hier nicht der Fall: Die Kunden erhalten die AVB immer erst mit der ersten Post. Deshalb gilt nach Gesetz: Kunden können innerhalb eines Jahres kündigen, falls der Versicherer seine Informationspflicht verletzt hat. Diese Frist beginnt, nachdem der Kunde von der Pflichtverletzung erfahren hat.
Jahrelang hatten aber die Verkäufer den Kunden weisgemacht, der Vertrag sei am Telefon rechtskräftig zustande gekommen und man müsse die Police zurückschicken, wenn man die Versicherung nicht wolle.
Nicht einzahlen, nicht zurückschicken
Vom K-Tipp darauf aufmerksam gemacht, krebst die Chartis jetzt zurück. «Wir sind der Ansicht, dass während des jeweiligen Telefongesprächs kein Versicherungsvertrag zustande kommt. Der Versicherungsvertrag kommt vielmehr erst bei Einzahlung der Prämie durch den Kunden zustande.» Mit anderen Worten: Wer Unterlagen von Chartis erhalten hat, muss nichts tun und auch nichts zurückschicken.
Die Empfänger sind zu nichts verpflichtet. Auch wer schon bezahlt hat, kann nachträglich wegen Verletzung der Informationspflicht sein Geld zurückfordern. Chartis-Marketingchef Yves-Patrick Magron schreibt: «Ich kann Ihnen versichern, dass wir Rücktritte im Rahmen des Gesetzes in jedem Fall gemäss dem einschlägigen Gesetzesartikel abwickeln und entsprechend bereits bezahlte Prämien vollständig zurückerstatten würden.»