Die Rechnung lautete auf 295 Franken. Diese Summe sollte die Familie Isenschmid aus Bern dem Allgemeinen Wirtschaftsdienst (AWD) zahlen – und zwar für die Ausarbeitung einer «Privat-Finanzstrategie». Isenschmids hatten sich vom AWD beraten lassen, gingen aber auf die diversen Vorschläge nicht ein.
Was dann folgte, grenzt für Markus Isenschmid an Erpressung. Die AWD-Beraterin sagte ihm, er müsse die Rechnung nicht zahlen, wenn er weitere 20 Adressen von Bekannten liefere. 17 Adressen hatte sie schon früher von ihm erhalten.
Der AWD – eine Tochtergesellschaft der Swiss Life – sagt dazu, ihr Chef Remo Weibel habe inzwischen die Sachlage mit Isenschmid persönlich «besprochen und geklärt». Es sei nicht das Ziel des AWD, «Rechnungen der Kunden mit der Abgabe von Empfehlungen zu verrechnen».
Unbestritten ist: AWD-Berater bitten fast immer um Adressen von Bekannten. Die Firmenleitung betont, solche «Weiterempfehlungen» würden ohne Zwang und stets auf freiwilliger Basis erfolgen. Die Frage ist nur:
Tut man seinen Freunden und Bekannten einen Gefallen, wenn man ihre Adresse dem AWD gibt und ein Berater bei ihnen vorbeikommt? Unzufriedene AWD-Kunden, die sich in letzter Zeit an den K-Tipp gewandt haben, würden das wohl verneinen. Wie zum Beispiel die Frau aus Winterthur, die anonym bleiben will. Sie sei vom Berater über den Tisch gezogen worden, sagt sie.
AWD-Berater schlampte mehrmals
Der AWD-Vertreter verkaufte der Winterthurerin nicht nur eine Versicherungspolice der Säule 3a mit einer Monatsprämie von 400 Franken, sondern noch eine zweite Sparversicherung mit einer monatlichen Belastung von 750 Franken. Angesichts ihres Lohnes von monatlich rund 5000 Franken ein klares Missverhältnis.
Das hat inzwischen auch der AWD eingesehen und der Frau die bereits bezahlten zehn Monatsraten für die zweite Sparversicherung (insgesamt 7500 Franken) zurückgezahlt. Der AWD musste die Frau zudem mit weiteren 1000 Franken entschädigen: Der Berater hatte ihr eine neue Krankenversicherung vermittelt, die Kündigung bei der bisherigen aber verschlampt.
Dadurch musste die Versicherte ein weiteres Jahr bei der alten Kasse bleiben und die dortige höhere Prämie zahlen – was der AWD mit den 1000 Franken ausgebügelt hat. Der AWD-Mann vermittelte der Frau auch die Rechtsschutzversicherung Protekta – allerdings fälschlicherweise in der teureren Variante «Mehrpersonenhaushalt».
Die Frau lebt allein. Und ihr Auto versicherte der AWD bei der Axa-Winterthur. Diese gehört zu den teureren Anbietern – doch andere, günstigere Konkurrenzofferten legte der AWD-Verkäufer der Frau nicht vor.
Auch Marianne Stolhammer wäre froh, wenn Sie dem AWD nie begegnet wäre. Sie wünschte vom Berater eine flexible Vorsorge und schloss 2007 auf sein Anraten eine langjährige, steuerbegünstigte Säule-3a-Police ab. Dafür hätte sie bis ins Jahr 2039 Prämien zahlen müssen.
Schon beim Abschluss hatte der Verkäufer gewusst, dass ein Umzug in die USA bevorstand. Stolhammer: «Der Berater versicherte mir, ich könne die Anlage auch von den USA aus weiterführen und jederzeit meinen Bedürfnissen anpassen.»
Falsche Auskunft – teurer Reinfall
Inzwischen ist der Umzug in die USA erfolgt – und Stolhammer kann die 3a-Police aus dem Ausland aus rechtlichen Gründen nicht mehr weiterführen. Sie sieht sich nun gezwungen, die Police vorzeitig zu kündigen. Sie hat 9600 Franken eingezahlt, die Rückerstattung beträgt nur gerade 4681 Franken.
Der AWD sagt dazu, die Kundin habe sich nicht frühzeitig gemeldet. Sonst wäre eine Überführung Ihrer Police von der Säule 3a ins freie (nicht steuerbegünstigte) Sparen möglich gewesen.
Keine Säule 3a im Ausland
Eine AWD-Kundin, die früher in Zug wohnte, steht ebenfalls vor einem grossen Geldverlust. Sie hat mit 26 Jahren einen langjährigen Säule-3a-Vertrag bei der Generali abgeschlossen und seither über 25 000 Franken an Prämien eingezahlt. Diese Prämien konnte sie in der Steuererklärung vom Einkommen abziehen.
Jetzt wohnt sie im Ausland – und die Generali schrieb ihr, eine Weiterführung sei im Rahmen der Säule 3a nicht möglich. Wenn die Kundin jetzt die Police kündigt, erhält sie bloss 9218 Franken zurück. Sie sei über die fatalen Auswirkungen bei einer vorzeitigen Kündigung nicht informiert worden, sagt sie.
Der AWD entgegnet, die Kundin habe nicht rechtzeitig mit dem AWD Kontakt aufgenommen, und sie habe mehrere zugeschickte «Umwandlungsanträge» nicht retourniert.
Tipp: Sparen und Versicherung trennen
Das Hauptproblem bei solchen Policen bzw. gemischten Versicherungen ist die mangelnde Flexibilität (siehe unten). Deswegen rät der K-Tipp konsequent, Sparen und Versicherung zu trennen. So gesehen war Thomas Fricker aus der Region Basel auf dem richtigen Weg.
Er hatte zum Sparen seine 3. Säule auf einem festverzinslichen Konto bei einer Bank. Zudem besass er eine separate Todesfallversicherung bei der National-Versicherung, um seine Familie für den schlimmsten Fall abzusichern.
«Jetzt bin ich 15 Jahre lang gebunden»
Dann – im Oktober 2004 – kam Fricker mit dem AWD in Kontakt. Der Berater empfahl ihm, das Konto aufzulösen, die reine Risikoversicherung zu kündigen – und überredete ihn, alles in eine Fondspolice bei der Skandia zu überführen. Dort wird nun Frickers Erspartes an der Börse investiert.
«Man hat mir einen langjährigen Sparzwang auferlegt, jetzt bin ich noch 15 Jahre lang gebunden und habe keine Alternativen mehr», klagt Fricker. Falls er nun aussteigt, verliert er viel Geld. Wäre er bei seiner bewährten Lösung geblieben, wäre es ihm heute bedeutend wohler.
Der AWD sagt, bei der Beratung damals sei auch die «Möglichkeit des reinen Banksparens» besprochen worden. Aber Fricker erinnert sich ganz klar: «Man hat mir nicht gesagt, dass ich auch bei der Banklösung in Aktien hätte investieren können. So wäre ich flexibel geblieben.»
Der K-Tipp hat mit etlichen ehemaligen AWD-Verkäufern gesprochen. Sie bestätigen klar: Bei den Themen Vorsorge und dritte Säule sei der Druck gross gewesen, in erster Linie gemischte Versicherungen zu verkaufen. Diese Finanzprodukte bringen den freien Verkäufern die höchsten Provisionen. Die Vermittlung eines Bankkontos hingegen ergibt gar keine oder nur eine geringe Provision.
Vorsorge: Bleiben Sie flexibel
Vorsorgeberater, die in erster Linie an das Wohl der Kunden denken, empfehlen ein getrenntes Vorgehen: Sparen bei der Bank, sich versichern bei der Versicherung. Für Markus Glauser, Chef der Berner Finanzplanungsfirma Glauser+Partner ist der Fall klar:
«3a-Policen bei Versicherungen sind selten sinnvoll, weil sie den Sparprozess mit dem Absichern von Risiken verbinden. Diese Risikoabsicherung ist meist unnötig, unflexibel und teuer.» Vorteil der flexiblen Lösung: Beim Banksparen kann man auch im Rahmen der Säule 3a die freiwilligen Einzahlungen jederzeit stoppen – ohne Nachteile.
Dazu man kann den Sparbetrag auf verschiedene Konten verteilen, im Alter gestaffelt beziehen und so Steuern sparen. Und Risikoversicherungen sind jedes Jahr ohne Nachteile kündbar, wenn man sie nicht mehr benötigt.
Wer hingegen eine gemischte Versicherung mit langjährigem Vertrag und fixer Zahlungsverpflichtung vorzeitig aufgibt, verliert viel Geld. Das Motto müsste also lauten: Sparen mit der Police? Ich bin doch nicht blöd!
Der AWD sagt dazu, bei Vorsorgelösungen könne das getrennte Vorgehen nicht pauschal empfohlen werden, «da sich die Lebenssituationen unserer Kunden sehr stark unterscheiden». Ausserdem hätten Fondspolicen den Vorteil, dass ein Versicherter im Falle einer Invalidität von den Prämienzahlungen befreit sei.