Die Stelle als Callcenter-Leiterin bei Sterntaler & Friends GmbH in St. Gallen fand Vera Iten (Name geändert) aus Wittenbach SG auf www.treffpunkt-arbeit.ch. Das ist das Internet-Stellenportal der Regionalen Arbeitsvermittlerzentren (RAV). «Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl», erinnert sich Iten. Aber: Man habe ihr mit monatlich 5300 Franken einen guten Lohn versprochen, weshalb sie die Stelle Anfang September 2011 angetreten habe. Zudem fürchtete sie, dass ihr das RAV sonst Arbeitslosentaggelder streicht.
Firma existiert gar nicht
Die Realität war dann weniger erfreulich: Die Büros seien karg eingerichtet gewesen. Laptop, Stifte, Abfalleimer und anderes Arbeitsmaterial habe sie selbst mitbringen müssen.
Anfangs hätten sie zu viert um einen Sitzungstisch herum telefonieren müssen. «Wir telefonierten mit Prepaid-Handys und mussten jeweils beim Vorgesetzten um neues Guthaben betteln», schildert Iten. Ihre Aufgabe sei es gewesen, für Krankenkassen und Versicherungen Kundentermine zu vereinbaren. Die Geschäftsführerin, Wiebke Stehmeier, habe unrealistische Vorgaben gemacht: Jeder Angestellte hätte pro Stunde vier Termine vereinbaren müssen. «Das ist unmöglich», sagt Iten.
Die Arbeitsbedingungen seien immer schlimmer geworden: «Die Büros wurden nicht geputzt, und der Abfall stapelte sich.» Im September blieb auch der Lohn aus. Eine Betreibung brachte nichts – denn die Sterntaler & Friends GmbH existiert gar nicht. Geschäftsführerin Wiebke Stehmeier hat dazu gegenüber dem K-Tipp nicht Stellung genommen.
Vera Iten ist nicht die Einzige, die sich beim K-Tipp über schlechte Arbeitsbedingungen in Callcentern beklagt. Bernhard Lüthy (Name geändert), ehemaliger Mitarbeiter der Omnicom AG, schildert den Arbeitsalltag so: «Der Tag beginnt mit einem sogenannten Motivationsmeeting. Aber eigentlich ist es – ich kann es nicht anders sagen – ein halbstündiger Zusammenschiss.» Während der Arbeit schreite die Chefin durchs Büro und schreie: «Allez, allez! Wir brauchen noch Deals. Macht vorwärts!» Lüthy: «Wir kamen uns vor wie eine Herde Vieh, die sie vor sich hertreibt.»
Anfangslohn von 20 Franken
Wer zu wenig verkauft, werde zu einem Einzelgespräch bestellt. Dort gibts eine Zielvereinbarung. Wer die Ziele nicht erreicht, sei rasch weg vom Fenster. Während der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist 24 Stunden. Der Anfangslohn liegt bei 20 Franken pro Stunde. Theoretisch gibt es laut Lüthy auch eine Provision von bis zu 10 Franken pro Stunde. Sie hängt ab von der Anzahl Anrufe pro Stunde und von den Abschlüssen. Aber viele Angerufene hängen gleich wieder auf. Wenn jemand ein Produkt bestellt und dann doch retourniert, wird das von der Anzahl Abschlüsse wieder abgezogen. Die meisten Angestellten müssen froh sein, wenn sie zwischendurch einmal eine Provision von Fr. 2.50 erhalten.
Die Omnicom arbeitet unter anderem für Verlage, Verbände und Versicherungsvermittler. Am Telefon müssten sie so tun, als wären sie deren Mitarbeiter, sagt Lüthy.
Die Omnicom bestreitet die Aussagen weitgehend. Sie entsprächen nicht den Tatsachen, seien verleumderisch und irreführend. Der Lohn richte sich nach dem Dienstalter des Mitarbeiters sowie der Qualität und Wirtschaftlichkeit seiner Arbeit. Die variable Lohnkomponente entspreche 10 bis 20 Prozent des Grundlohns.
Tipps: Wenn der Lohn ausbleibt
So können sich Arbeitnehmer wehren:
- Ist nichts anderes vereinbart, muss der Lohn spätestens am letzten Tag des Monats auf dem Konto des Angestellten sein.
- Kommt der Lohn nicht pünktlich, sollte man den Arbeitgeber sofort eingeschrieben mahnen und verlangen, dass er den Lohn plus fünf Prozent Verzugszins innert einer kurzen Frist (z. B. fünf Tagen) überweist.
- Bleibt der Lohn weiterhin aus, kann man den Arbeitgeber nochmals eingeschrieben mahnen und androhen, die Arbeit niederzulegen, falls er den Lohn nicht innert einer erneuten kurzen Frist überweist.
- Wer dann den Lohn immer noch nicht erhält, kann die Arbeit verweigern.
- Zahlt ein Betrieb den Lohn regelmässig verspätet aus, kann der Angestellte unter Umständen fristlos kündigen. Dasselbe gilt, wenn der Betrieb zahlungsunfähig wird und auf Verlangen der Angestellten keine Sicherheiten leistet. Die Kündigung sollte man aber vorab unbedingt mit der Arbeitslosenversicherung besprechen.
Weitere Informationen zum Thema finden sich im «Saldo»-Ratgeber «Arbeitsrecht: Was Angestellte wissen müssen». Zu bestellen mit der Karte auf Seite 32, unter Telefon 044 253 90 70 oder www.ktipp.ch.
Anmerkung:
Die Omnicom AG hat sich beim Presserat über diesen Artikel beschwert. Lesen Sie auf der Website www.presserat.ch, wie der Presserat entschieden hat.