Das Leiden der Lämmer

Wolle ist ein nachwachsendes Naturprodukt. Besonders weich und kuschelig ist die Merinowolle. Die Schafe können in Australien zwar frei grasen. Doch die Idylle trügt: Aus Profitgründen werden sie gequält.

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K-Tipp 05/2012

04.03.2012

Letzte Aktualisierung:
06.03.2012

Darko Cetojevic

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Australien ist der weltgrösste Wolle-Produzent: Aktuell werden rund 350 Millionen Kilogramm Rohwolle pro Jahr produziert. Dafür werden rund 73 Millionen Schafe geschoren, die meisten davon sind Merinoschafe. Sie liefern edle Wolle, die sich auf der Haut besonders weich und warm anfühlt. Weit verbreitet ist Merinowolle zum Beispiel bei Sportunterwäsche.

Charakteristisch für Merinoschafe sind ihre ausgeprägten Hautfalten. Sie wurden den Tieren angezüchtet. Grund: Je mehr Falten, desto mehr Fläche – und damit auch mehr Wolle. Doch diese Fülle hat ihre Schattenseite: Bei hohen Temperaturen leiden die Schafe. In den Falten sammelt sich Feuchtigkeit, im Gesässbereich bleiben zusätzlich Kot und Urin haften. Das zieht Schmeissfliegen an, die ihre Eier in den Falten ablegen. Schliesslich schlüpfen Maden, wandern in die Haut des Schafes und fressen sich hinein. Häufige Folge: tödliche Infektionen.

Um den Fliegenbefall zu verhindern, wenden viele australische Farmer eine schmerzhafte Prozedur an – das sogenannte Mulesing, deutsch: Mulesierung. Dabei fixieren die Schafzüchter die rund fünf Wochen alten Lämmer in einem Metallgestell (Bild). So lassen sich die Hautpartien im Gesässbereich abschneiden – dies passiert meist ohne Betäubung und Schmerzmittel. Übrig bleibt eine blutende Wunde.

90 Prozent der Wolle von Mulesing-Tieren

Die Tierschutzorganisationen kritisieren das Mulesing als äusserst grausam: Das Problem liesse sich auch durch regelmässiges Scheren der betroffenen Körperteile lösen. Aber die Züchter verzichteten aus reiner Profitgier auf diese schonende Methode.

Der australische Züchterverband hatte zwar angekündigt, bis Ende 2010 schrittweise auf Mulesing zu verzichten. Doch das waren leere Versprechungen, denn K-Tipp-Recherchen zeigen: Die Mehrheit der Merinoschafe kommt nach wie vor unters Messer. Dies belegen die jüngsten Zahlen der australischen Wollbörse Awex für die Periode Juli 2011 bis Ende Januar 2012: Rund 90 Prozent der gehandelten Wolle stammt von Schafen, die Mulesing ertragen mussten.

Dass eine Lösung auf die lange Bank geschoben wird, bestätigt gegenüber dem K-Tipp auch eine der grössten Textilketten der Welt – C&A: Die australische Wollindustrie sei nicht in der Lage, die Mulesing-Praxis zu unterbinden, heisst es.

Keine Garantie bei Merinowollsachen

Der K-Tipp wollte des- halb von Herstellern und Grosshändlern wissen: Wie lässt sich sicherstellen, dass keine Wollsachen von Mulesing-Tieren verkauft werden? Fakt ist: Es gibt keinerlei Garantien. Der Konsument hat beim Kauf keine Möglichkeit, nachzuprüfen, ob er ein Produkt aus Merinowolle erwirbt, das garantiert ohne Mulesing hergestellt worden ist.

Immerhin: Beim auf Sportwäsche spezialisierten Unternehmen Icebreaker kann man im Nachhinein im Internet die Ware bis zum Ursprung zurückverfolgen: Jedes Bekleidungsstück enthält einen Code. Damit lässt sich die Schaffarm des Wollproduzenten lokalisieren. Auf solchen Farmen führen laut Icebreaker unabhängige Prüfstellen und Tierärzte regelmässig Kontrollen durch.

Die meisten Anbieter kaufen Stoffe oder fertige Produkte aus Merinowolle ein. Laut eigenen Angaben fordern sie von ihren Lieferanten zwar ausdrücklich mulesingfreie Produkte. Nur: Selbst der Schweizer Sportartikelhersteller Mammut gibt zu: «Die Schwierigkeit liegt darin, das Einhalten dieser Forderung zu überprüfen.» Das stimmt: Kürzlich mussten die Verantwortlichen der Awex-Wollbörse zugeben, dass 15 Prozent dder überprüften Mulesing-Deklarationen «nicht konform oder falsch waren».

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