4 Tropfen Blut - 2300 Franken weg
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K-Tipp 5/2001
14.03.2001
Vaterschaftstest Von einem amtlichen Schreiben eingeschüchtert stimmt Lehrling ungünstiger Lösung zu
Er ist überzeugt, nicht der Vater des Kindes zu sein. Doch aus Respekt vor den Behörden erklärt sich ein Lehrling zum freiwilligen Vaterschaftstest bereit. Der Test gibt ihm Recht - trotzdem muss der junge Mann teuer bezahlen.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Daniel Schmid blickt nicht gerne zurück. «Ich habe eine schlimme Zeit hinter mir»,...
Vaterschaftstest Von einem amtlichen Schreiben eingeschüchtert stimmt Lehrling ungünstiger Lösung zu
Er ist überzeugt, nicht der Vater des Kindes zu sein. Doch aus Respekt vor den Behörden erklärt sich ein Lehrling zum freiwilligen Vaterschaftstest bereit. Der Test gibt ihm Recht - trotzdem muss der junge Mann teuer bezahlen.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Daniel Schmid blickt nicht gerne zurück. «Ich habe eine schlimme Zeit hinter mir», sagt der 20-jährige Töffmechaniker-Lehrling aus der Urschweiz.
Im September 2000 hatte Schmid vom Nidwaldner Amtsvormund Sepp Christen Post erhalten. Darin erfuhr der junge Mann, dass seine ehemalige Freundin ihn als Vater ihres im Juli geborenen Kindes bezeichnete. Begründung: Er habe «in der empfängniskritischen Zeit, das heisst im September 1999, mit ihr Geschlechtsverkehr gepflegt».
Doch Daniel Schmid war sich sicher, dass die Frau mit ihrer Vermutung falsch lag. «Wir haben nicht mehr miteinander geschlafen, nachdem sie die Anti-Baby-Pille abgesetzt hatte», sagt er. Bald darauf sei die Beziehung zerbrochen, weil seine Freundin sich in einen anderen Mann verliebt habe.
Gegenüber Amtsvormund Christen erklärte Schmid sich daher reinen Gewissens zu einem Vaterschaftstest per DNA-Analyse bereit. Auch stimmte er zu, die Sache aussergerichtlich zu regeln. Als Beistand des Kindes hatte Christen den Lehrling in einem Brief nämlich aufgefordert, «zur Sache Stellung zu nehmen», und beigefügt: «Sollte ich nichts von Ihnen hören, wäre ich gezwungen, gegen Sie gerichtlich vorzugehen.»
«Das hat mir einen Schrecken eingejagt», sagt Schmid. Die Vorstellung, vor Gericht treten zu müssen, sei für ihn unerträglich gewesen. Schmid erhielt kurze Zeit später via Amtsvormundschaft einen Einzahlungsschein über knapp 2300 Franken. Diese Summe entsprach der Hälfte aller Kosten für die bevorstehende Vaterschaftsabklärung, die neben Schmid, der Mutter und dem Kind auch den anderen möglichen Vater miteinbezog. Letzterer hatte die zweite Hälfte der Kosten zu bezahlen, und zwar ebenfalls im Voraus.
Nicht der Vater - und nur Gerichtskosten gespart
Die eigentliche DNA-Untersuchung fand am 13. November statt. Schmid musste für die Analyse vier Tropfen Fingerspitzenblut spenden - und hernach über zwei Wochen auf das Ergebnis warten.
Dann endlich stand seine «Unschuld» schwarz auf weiss fest: Die DNA-Analyse hatte Daniel Schmid als Vater des Kindes zweifelsfrei ausgeschlossen.
Amtsvormund Christen dankte ihm schliesslich für die gute Mitarbeit. Im selben Schreiben führte er aus: «Es hat sich gelohnt, die Angelegenheit aussergerichtlich zu regeln. Die Gerichtskosten fallen nun weg.»
Daniel Schmid sieht das etwas anders. Seinen Vorschuss von 2300 Franken an die DNA-Analyse hat er nämlich nicht zurückerhalten, obschon deren Resultat ja zu seinen Gunsten ausgefallen war. Und 2300 Franken sind für einen Lehrling mit rund 700 Franken Monatslohn ein stattlicher Betrag.
«Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen, zu einer unbürokratischen Regelung Hand geboten und bin definitiv nicht der Vater des Kindes - trotzdem werde ich zur Kasse gebeten», argumentiert der junge Mann. «Das finde ich nicht fair.»
In der Tat: Daniel Schmid hätte die ganze Sache möglicherweise günstiger hinter sich bringen können. Dann nämlich, wenn er eine aussergerichtliche Regelung verweigert hätte. In diesem Fall wäre es zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen. Dass Schmid dabei als erwiesener «Nicht-Vater» Prozesskosten aufgebrummt erhalten hätte, ist eher unwahrscheinlich. Möglicherweise hätte er gewisse Kosten aus der DNA-Analyse tragen müssen - nach Ansicht von Fachleuten aber kaum die Hälfte der Gesamtsumme für alle vier Personen, sondern höchstens den Betrag für eine Person.
Im Gerichtsverfahren hätte Schmid zudem die unentgeltliche Prozessführung verlangen können - und vermutlich erhalten. Kosten hätte er damit - zumindest in seiner aktuellen Finanzlage - keine zu gewärtigen gehabt. Christoph Häfeli, Rektor der Hochschule für soziale Arbeit in Luzern und Experte für Vormundschaftsrecht, meint denn auch: «Vor allem wenn kein Geld vorhanden ist, empfiehlt sich der Prozessweg.»
Und beim aussergerichtlichen Verfahren hätte Schmid noch vor der DNA-Analyse versuchen können, die übrigen Parteien auf eine Regelung zu verpflichten, welche die finanzielle Hauptlast dem tatsächlichen Vater aufbürdet. Nur: Das alles hat niemand dem jungen Mann gesagt.
Er habe halt geglaubt, dass der unbürokratische aussergerichtliche Weg in jedem Fall die beste Lösung darstelle, erklärt Schmid - zumal ihm der Hinweis auf allfällige gerichtliche Schritte im Schreiben von Amtsvormund Christen als Drohung erschienen sei.
«Es war nicht als Drohung zu verstehen, auch wenn Herr Schmid es offenbar so empfunden haben muss», erwidert Sepp Christen. Eine Vaterschaftsabklärung müsse aussergerichtlich innert einem Jahr seit der Geburt des Kindes erledigt sein. Und oft gerate der Beistand des Kindes in Zeitnot. Christen: «Im Nachhinein zeigte sich aber, dass mein Hinweis auch noch zu einem späteren Zeitpunkt hätte erfolgen können. Ich verstehe den Frust von Herrn Schmid. Es spornt mich an, eine Neuverteilung der Kosten bei Vaterschaftsabklärungen zu thematisieren.»
Christoph Häfeli bezeichnet Christens Formulierung im Brief an Schmid als «nicht gerade zimperlich, in der Sache jedoch korrekt». Er erkenne jedenfalls keine Pflicht, dass dem Beklagten eine formelle Rechtsbelehrung zu erteilen wäre.
Wann eine Rechtsbelehrung vorgeschrieben ist
Eine solche Pflicht besteht für Behörden effektiv nur in den folgenden Bereichen:
- Freiheitsentzug und Strafverfahren: Hier schreibt die Bundesverfassung vor, dass Betroffene unverzüglich über die Gründe des Freiheitsentzugs beziehungsweise über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen sowie ihre Rechte zu informieren sind.
- Beweisverfahren: Hier müssen die Behörden Zeugen darauf hinweisen, unter welchen Bedingungen sie allenfalls die Aussage verweigern dürfen.
- Offizielle Verfügungen und Gerichtsentscheide: Anordnungen wie zum Beispiel eine Urteilseröffnung, Steuereinschätzung, amtliche Bewertung der Gebäudeversicherung oder Enteignung sind mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Diese orientiert die Adressaten, wo und wie sie sich gegen die Verfügung oder das Urteil wehren können.
In allen übrigen Fällen gilt: Wer sich nicht selber über seine Rechte und Möglichkeiten informiert, riskiert schlechte Karten.
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Erst Rat suchen, dann bezahlen
Amtliche Forderungen sind nicht sakrosankt. Deshalb empfiehlt sich grundsätzlich:
- Unterschreiben beziehungsweise bezahlen Sie nichts, wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie das wirklich müssen.
- Wenn Sie einen eingeschriebenen Brief von einer Behörde erhalten, müssen Sie diesen innert 7 Tagen bei der Post abholen. Erkundigen Sie sich beim Absender nach den konkreten Hintergründen und der rechtlichen Grundlage für die Forderung. Achtung: Auch wenn Sie den Brief nicht abholen, gilt er als zugestellt.
- Suchen Sie Rat bei Fachstellen, die mit der Thematik vertraut sind, also zum Beispiel bei Jugendsekretariaten, Familienberatungen oder Sozialdiensten. Eine ausführliche Liste solcher Stellen mit den entsprechenden Telefonnummern (Titel: «S.O.S.-Info. Kein Problem, das nicht lösbar ist») erhalten Sie für 5 Franken bei: Süd-Print AG, 6717 Torre, Tel. 091 871 26 85.