4220 Franken für einen Flop
Inhalt
K-Tipp 3/2002
06.02.2002
Informatikkurse Wie Sie sich vor unseriösen Anbietern schützen
Ein Computerkurs ohne PC für die Kursteilnehmer, nicht eingehaltene Termine und falsche Versprechungen: Für diesen Reinfall verlangte ein Ausbildungsinstitut 4220 Franken.
Pirmin Schilliger pschilliger@ktipp.ch
Der Vertreter des Luganeser Ausbildungsinstituts Franchi SA hatte sich bei Therese Durrer in Kerns OW telefonisch angemeldet. Bei seinem Besuch am 25. Juli 2001 liess er nicht l...
Informatikkurse Wie Sie sich vor unseriösen Anbietern schützen
Ein Computerkurs ohne PC für die Kursteilnehmer, nicht eingehaltene Termine und falsche Versprechungen: Für diesen Reinfall verlangte ein Ausbildungsinstitut 4220 Franken.
Pirmin Schilliger pschilliger@ktipp.ch
Der Vertreter des Luganeser Ausbildungsinstituts Franchi SA hatte sich bei Therese Durrer in Kerns OW telefonisch angemeldet. Bei seinem Besuch am 25. Juli 2001 liess er nicht locker, bis die 57-jährige Frau einen Vertrag unterschrieben und auch gleich eine erste Anzahlung von 350 Franken geleistet hatte.
Was er anbot, tönte zwar gut: einen Informatikkurs für das Betriebssystem Windows mit den Programmen Word, Excel und PowerPoint, eingeteilt in 145 theoretische und praktische Lektionen, die insgesamt «bloss» 4220 Franken kosteten.
Kurz nach seinem Besuch trafen per Post die ersten Unterlagen ein: zwei dicke Ordner mitsamt der didaktischen Software. Dafür war gemäss Vertrag eine zweite Anzahlung von 899 Franken fällig.
Als Franchi SA Therese Durrer die Termine bekannt gab, wurde ihre Vorfreude allerdings getrübt: Sie konnte weder den Wochentag frei wählen noch stimmten Kursort und Teilnehmerzahl mit den Versprechungen des Vertreters überein.
Statt in die Berufsschule Sarnen wurde Therese Durrer ins Restaurant Küchler nach Alpnach OW bestellt. Und statt einer Kleingruppe mit maximal fünf Teilnehmern warteten dort sieben Lernwillige.
Der Coup: Den Kursteilnehmern stand nicht ein einziger Computer zur Verfügung. «Ich habe zuerst gedacht, ich sehe nicht richtig», erinnert sich Therese Durrer. Das einzige Gerät im Übungslokal gehörte der Kursleiterin. Um sie herum mussten sich die Lernwilligen drängen, wollten sie einen Blick auf den Bildschirm erhaschen.
Fragwürdige Lernmethode
Therese Durrer wunderte sich umso mehr, als sie früher einmal einen Informatik-Grundkurs eines anderen Anbieters besucht hatte. Dort hatte jeder Teilnehmer an seinem Arbeitsplatz einen PC, der zudem mit dem Gerät des Kursleiters vernetzt war.
Als jetzt in Alpnach die enttäuschte Frau reklamierte, beschied ihr die Kursleiterin, Computer würden bloss vom Lernen ablenken. Weil der Kurs der Franchi SA nicht ihren Erwartungen entsprach, entschloss sich Therese Durrer nach drei Lektionen zum Ausstieg.
Dies teilte sie der Franchi SA mit eingeschriebenem Brief am 14. Dezember mit. Sie machte auch klar, dass sie nicht gewillt sei, die restlichen Zahlungen in der Höhe von 2971 Franken zu leisten.
Doch aufs Geld wollte das Bildungsinstitut nicht verzichten. Die vertraglichen Bedingungen seien erfüllt, wurde begründet. Tatsächlich heisst es - nicht im Vertrag, sondern im Kursprospekt: «Wir schulen an einem Computer, um die volle Aufmerksamkeit aller KursteilnehmerInnen immer gewährleistet zu haben.» Dass die Betonung auf «einem» liegt, nämlich einem einzigen Computer, überliest der Lernwillige leicht.
Experten schütteln nur den Kopf
Vom K-Tipp auf die fragwürdige Lernmethode angesprochen, verweist der Didaktik-Leiter (er möchte im K-Tipp nicht namentlich erwähnt werden) von Franchi SA auf die langjährige Erfahrung: «Unser Schulungssystem praktizieren wir seit 27 Jahren erfolgreich auf dem Markt. Entscheidend ist, dass die Teilnehmer das Neuerlernte zu Hause am eigenen Computer üben. Dort können sie, falls Probleme auftauchen, uns über eine Helpline kontaktieren.»
Über diese Begründung schütteln Weiterbildungsexperten nur den Kopf. Stefan Schönholzer von der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme (SQS), die Weiterbildungsinstitutionen zertifiziert, spricht Klartext: «Ein Informatikkurs ohne Computer, das ist wie ein Schreibkurs ohne Papier und Bleistift. Die von Franchi praktizierte Methode widerspricht sämtlichen pädagogischen Grundsätzen.»
Mit Quantität will hingegen der Didaktik-Leiter von Franchi SA die von den Experten angezweifelte Qualität beweisen. Er verweist auf jene 1200 Teilnehmer, die gegenwärtig die Computerkurse des Ausbildungsinstituts in der ganzen Schweiz besuchten und mit der praktizierten Methode «durchwegs zufrieden» seien.
Marco Lafranchi, Leiter der Berufsberatung des Kantons Tessin, kennt die Franchi SA schon seit Jahren. Enttäuschte Kursteilnehmer seien bis vor Gericht gegangen, ohne dass aber die Justiz dem Ausbildungsinstitut das Handwerk legen konnte.
Die Unterrichtsstunde kostet 145 Franken
Dass die Franchi SA die Katze im Sack verkauft, zeigt sich deutlich im Kleingedruckten der Verträge: Die vollmundig angekündigten 145 Lektionen reduzieren sich auf bescheidene 29 Stunden Unterricht. Die restlichen 116 Stunden beinhalten nichts anderes als Hausaufgaben im stillen Kämmerlein.
Eine Unterrichtsstunde kostet so stolze Fr. 145.50. Für dieses Geld könnte man einen Privatlehrer für den Einzelunterricht nach Hause bestellen. Branchenüblich für einen guten Gruppenunterricht - selbstverständlich mit Computern an jedem Arbeitsplatz - bei von der SQS zertifizierten Anbietern sind Preise von 25 bis 45 Franken pro Stunde.
Besser als in der Computerdidaktik scheint sich die Franchi SA im Vertragsrecht auszukennen. Im Bewusstsein der drohenden Gefahr, dass viele Kursteilnehmer vorzeitig aussteigen könnten, wird - ebenfalls im Kleingedruckten - festgehalten, dass dies 1700 Franken kostet.
So viel hätte auch Therese Durrer für den Ausstieg berappen sollen. Erst auf Intervention des K-Tipp erklärte sich die Franchi SA am 16. Januar 2002 schliesslich bereit, auf diese Forderung zu verzichten. Wirklich korrekt aber wäre, wenn sie die von Therese Durrer bereits bezahlten 1249 Franken zurückerstatten würde. Erst das würde dem entsprechen, was in diesem Fall das Angebot wert war: Keinen Batzen!
Wählen Sie das richtige Weiterbildungs-Institut sorgfältig aus
Beachten Sie folgende Punkte, um das richtige Kursangebot im Informatikbereich zu finden:
- Meiden Sie Angebote, die man Ihnen an der Haustüre anbietet.
- Unterschreiben Sie auf keinen Fall einen Weiterbildungsvertrag, wenn Sie ein aggressiver Vertreter dazu drängt. Seriöse Institute werben nicht mit Vertretern und betreiben auch nicht aufdringliche Telefonwerbung.
Vergleichen Sie verschiedene Angebote nach folgenden Punkten:
- Prüfen Sie die Anforderungen, die der Kurs voraussetzt.
- Strenge Einstufungstests, wie sie gewisse Anbieter offerieren, helfen Ihnen, auf dem richtigen Lernniveau einzusteigen.
- Mit welchem Lehrmittel wird gearbeitet?
- Sind die Dozenten oder Lehrer genügend ausgebildet?
- Welche Unterrichtsmethoden wenden sie an?
- Erhalten Sie ein Diplom und ist dieses in der Schweiz anerkannt? Für Anfänger am Computer ist zum Beispiel der Abschluss «Informatikanwender SIZ» empfehlenswert.
- Verlangen Sie Referenzen und machen Sie Stichproben, ob die Angaben auch stimmen.
Professionelle Beratung erhalten Sie beim Berufsinformationszentrum (BIZ) in Ihrer Nähe (Adresse im Telefonbuch).
- Erkundigen Sie sich nach der Infrastruktur des Bildungsinstituts oder der Schule. Im Falle eines Computerkurses heisst das mindestens: Jedem Kursteilnehmer steht im Kurslokal ein PC zur Verfügung.
- Wählen Sie nur Kurse mit branchenüblichen Presen: Fr. 25.- bis Fr. 45.- pro Stunde für Gruppen- und ab Fr. 80.- für Einzelunterricht.
- Lesen Sie im Vertrag, unter welchen Bedingungen Sie den Kurs abbrechen können. Der Grundsatz lautet: Je später die Kündigung, desto grösser der von Ihnen geschuldete Schadenersatz.
Wichtige Adressen:
- Genossenschaft Schweizerisches Informatik-Zertifikat: Tel. 01 384 90 40, Fax 01 384 90 50; www. siz.ch
- Liste zertifizierter Anbieter: www.eduqua.ch und www.sqs.ch
- Bewertungsstelle für Weiterbildungsangebote, Tel. 031 910 35 75, Fax 031 910 35 45; www.bfw.ch
- Schweizerische Vereinigung für Erwachsenenbildung, Tel. 01 311 64 55, Fax 01 311 64 59; www.alice.ch
- Internet-Links zu Anbietern für Erwachsenenbildung: www.erwachsenenbildung.ch
- Datenbank mit Weiterbildungsangeboten, Tipps und Adressen: www.eduscout.ch
- Weiterbildungsbörse des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT); www.w-a-b.ch