Abbau, dafür satte Gewinne
Statt Postschalter gibts auf dem Land bald nur noch Selbstbedienungs-Automaten. Dafür schreibt die Post dreistellige Millionengewinne.
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K-Tipp 20/2006
29.11.2006
Otto Hostettler - otto.hostettler@ktipp.ch
Der Trend ist klar: In den letzten fünf Jahren hat die Post über 3000 Vollzeitstellen abgebaut, die Zahl der Poststellen ging von fast 3400 auf rund 2500 zurück. Hätten sich nicht zahlreiche Bürgergruppen mit Hilfe von Gemeinden gewehrt, wäre der Abbau bedienter Schalter in den letzten Jahren noch grösser gewesen.
Während die Post bei Personal und Dienstleistungen abbaute, erhöhte sie die Preise und Gebühren für Dienstleistungen, Briefe und Pakete. Die Folgen: 2002 schr...
Der Trend ist klar: In den letzten fünf Jahren hat die Post über 3000 Vollzeitstellen abgebaut, die Zahl der Poststellen ging von fast 3400 auf rund 2500 zurück. Hätten sich nicht zahlreiche Bürgergruppen mit Hilfe von Gemeinden gewehrt, wäre der Abbau bedienter Schalter in den letzten Jahren noch grösser gewesen.
Während die Post bei Personal und Dienstleistungen abbaute, erhöhte sie die Preise und Gebühren für Dienstleistungen, Briefe und Pakete. Die Folgen: 2002 schrieb die Post einen Gewinn von 211 Mio. Franken, 2003 waren es schon 366 Millionen. Postchef Ulrich Gygi relativierte: «Der Jahresgewinn 2003 ist ein punktuelles Ereignis.»
In den Folgejahren gab es weitere «punktuelle Ereignisse»: 2004 blieben unter dem Strich 830 Millionen, 2005 waren es 811 Mio. Franken. In beiden Jahren machte die Post zudem Rückstellungen von je über 500 Millionen.
Was die Post nicht gerne sagt: Auch der Service public war in den letzten Jahren hochrentabel: 2004 machte die Post damit 522 Millionen Gewinn - laut Postregulierungsbehörde waren es sogar 777 Mio. Franken -, 2005 lag der Gewinn aus der Grundversorgung bei 711 Mio. Franken. Dieses Jahr liegt der Konzerngewinn nach dem dritten Quartal bereits bei 601 Mio. Franken.
Bareinzahlungen sind nicht mehr möglich
Die letzten Jahre waren für die Post derart erfolgreich, dass sie fast eine Milliarde Frankenzusätzlich in die Pensionskasse überweisen konnte. Gleichzeitig stockte sie auch das Eigenkapital massiv auf: 2004 betrug dieses noch 256 Millionen, ein Jahr später waren es schon 922 Millionen Franken. Per Ende September 2006 verfügt die Post nun bereits über 1,38 Milliarden Franken Eigenkapital. «Wir benötigen ein branchenübliches Eigenkapital von 2,5 Milliarden Franken», sagt Post-Sprecher Oliver Flüeler. Der Sinn von Eigenkapital in dieser Höhe wird jedoch von Finanzspezialisten grundsätzlich bezweifelt.
Doch den neuesten Superzahlen zum Trotz, der Postabbau geht weiter: Aus den heutigen 120 Agenturen in Dorfläden und 80 Poststellen sollen künftig «neue Agenturen» werden. Wer sich darunter sympathische Schalter im Lädeli vorstellt, liegt falsch. Die neuen Agenturen werden mit Self-Service-Automaten für ein beschränktes Brief- und Paketsortiment ausgerüstet. Bareinzahlungen sind nicht mehr möglich.
Paolo Giacometti, Präsident des Vereins Postagenturen und Gemeindepräsident im bündnerischen Stierva, kritisiert: «Jährlich wären etwa 2 Mio. Franken nötig, um die heutigen Postschalter in Dorfläden und Gemeindekanzleien weiter betreiben zu können.» Heute existieren diese Kleinschalter nicht zuletzt dank Gemeindebeiträgen, die damit die Grundversorgung der Post mit?nanzieren.
Weitere 500 Stellen werden abgebaut
Mit der neusten Umstrukturierung werden in den nächsten zwei Jahren noch einmal 500 Stelllen abgebaut. Dies führt kaum zu kürzeren Schlangen vor den Schaltern, zumal die Post an den Öffnungszeiten der Filialen nichts ändern will.
Nach wie vor sind die Öffnungszeiten für viele Kunden ein Ärgernis, wie eine repräsentative Umfrage des K-Tipp ergab. Das müsste die Post eigentlich wissen: Bereits 2002 und 2003 zeigten Umfragen, dass Kunden längere Öffnungszeiten wünschen.
Zufrieden mit dem Personal, unzufrieden mit den Öffnungszeiten
Fast ein Viertel der Postkunden sind mit den Öffnungszeiten der Filialen unzufrieden. Dies ergab eine repräsentative Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Link im Auftrag des K-Tipp vom 6. bis 8. November 2006 durchführte. Demnach waren nur 30 Prozent «sehr zufrieden», fast die Hälfte der Befragten zeigte sich mit den Öffnungszeiten «ziemlich zufrieden».
Gute Noten erteilten die Kunden dem Personal. 93 Prozent sind mit der Freundlichkeit der Angestellten sehr oder ziemlich zufrieden. Befragt wurden 616 Personen aller Alterskategorien (Deutsch- und Westschweiz). Die K-Tipp-Umfrage bestätige «die Stossrichtung» der eigenen Umfrageresultate, sagt Post-Sprecher Oliver Flüeler.
Die Befindlichkeit der Postkunden hat sich gegenüber dem Vorjahr praktisch nicht verändert. In einer ebenfalls repräsentativen K-Tipp-Umfrage äusserten sich im April 2005 ein Viertel der befragten Personen in Bezug auf die Öffnungszeiten «gar nicht zufrieden» oder «weniger zufrieden». Praktisch identisch waren auch die Kundenbewertungen der Freundlichkeit des Personals (K-Tipp 9/05).