Ärger beim Erben mitgeerbt
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K-Tipp 6/2000
22.03.2000
Trotz Schuldenverzeichnis: Ehepaar muss 48 000 Franken zahlen.
Mehr Schulden als Vermögen? Ein öffentliches Inventar verschafft den Erben zwar die Übersicht, schützt aber nicht vor teuren Überraschungen.
Erben kann ganz schön mühsam sein. Vor allem dann, wenn man als Erbe nicht weiss, ob der Verstorbene mehr Schulden als Vermögen hinterlassen hat.
In diesem Fall hilft ein öffentliches Inventar weiter: Auf Verlangen eines Erben ruft die zustä...
Trotz Schuldenverzeichnis: Ehepaar muss 48 000 Franken zahlen.
Mehr Schulden als Vermögen? Ein öffentliches Inventar verschafft den Erben zwar die Übersicht, schützt aber nicht vor teuren Überraschungen.
Erben kann ganz schön mühsam sein. Vor allem dann, wenn man als Erbe nicht weiss, ob der Verstorbene mehr Schulden als Vermögen hinterlassen hat.
In diesem Fall hilft ein öffentliches Inventar weiter: Auf Verlangen eines Erben ruft die zuständige Behörde alle Gläubiger und Schuldner des Verstorbenen über die Amtsblätter auf, Forderungen respektive Schulden anzumelden. Aktiven und Passiven, die aus öffentlichen Registern oder Unterlagen des Erblassers ersichtlich sind, nimmt die Behörde von sich aus ins Verzeichnis auf.
Diese Dienstleistung ist allerdings nicht gratis. Ein öffentliches Inventar kostet schnell einmal 5000 Franken, bei grösserem Aufwand auch ein Mehrfaches.
Dafür weiss der Erbe anschliessend besser, ob er den Nachlass ausschlagen, vorbehaltlos oder nur "unter öffentlichem Inventar" annehmen will (siehe K-Tip 9/99). Letzteres hat für ihn den Vorteil, dass er im Prinzip nur für Schulden haftet, die im Verzeichnis aufgelistet sind.
Diese Auskunft erhielten auch Jean-Pierre und Esther Baccara aus Füllinsdorf BL, nachdem der Vater des Ehemannes gestorben war: "Das Erbschaftsamt Basel-Stadt hatte uns versichert, nachträgliche Forderungen seien ausgeschlossen", erinnert sich Esther Baccara. Da die Vermögenswerte knapp höher waren als die Schulden, nahm das Ehepaar das Erbe unter öffentlichem Inventar an.
Kanton fordert Steuern erst nach zwei Jahren
Zwei Jahre später kam der Schock. Den Erben flatterte eine Rechnung über 48000 Franken ins Haus - für Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuern. Der Grund: Vater Baccara hatte kurz vor seinem Tod sein Haus verkauft. Und der Kanton Baselland erhebt diese Steuern erst nach zwei Jahren.
"Für uns kam diese Rechnung denkbar ungelegen", berichtet Esther Baccara. "Wir hatten kurz zuvor eine Zahnarztpraxis eröffnet - mit entsprechenden Investitionskosten." Doch die Steuerverwaltung des Kantons Baselland liess das kalt. Sie teilte dem Ehepaar mit, das kantonale Steuergesetz schreibe "die Anmeldung von Steuerschulden im öffentlichen Inventar nicht vor".
Mit anderen Worten: Baccaras müssen zahlen, obwohl die Schuld im Inventar nicht aufgeführt war. Esther Baccara versteht die Welt nicht mehr: "Ausgerechnet der Staat, der das Inventar selber aufstellt, muss seine eigenen Forderungen nicht anmelden. Das kann doch nicht sein."
Öffentliches Inventar: Das sind die Risiken für Erben
Das ist aber so, und zwar nicht nur im Kanton Baselland. Auch in anderen Kantonen - etwa in Zürich und Bern - sind die Steuerämter nicht verpflichtet, ihre Forderungen gegenüber Verstorbenen ins öffentliche Inventar einzugeben. Immerhin weisen einige Kantone in ihren Formularen auf mögliche Steuerschulden hin.
Ein öffentliches Inventar birgt aber weitere Risiken:
° So können Vermögenswerte - zum Beispiel eine Liegenschaft - überbewertet sein.
° Angemeldete Forderungen können umstritten sein, zum Beispiel wenn ein Rechtsstreit im Gang ist.
° Die Bank kann die Hypothek auf dem geerbten Haus jederzeit zurückfordern - Inventar hin oder her.
° Nicht sicher sind Erben laut Gesetz auch vor Forderungen, die der Gläubiger "ohne eigene Schuld" nicht angemeldet hat. Gemeint ist vor allem der Fall, dass ein Gläubiger den Zeitungs-Aufruf nicht gelesen hat. Dann muss notfalls der Richter entscheiden, ob die Anzeige zu klein oder der Gläubiger zu wenig aufmerksam war. In der Regel sind die Gerichte mit Gläubigern aber nachsichtig.
Für Erben heisst das, dass sie trotz Inventar oft auch säumige Gläubiger befriedigen müssen. Allerdings haften sie dann nicht mit ihrem ganzen Vermögen, sondern nur mit dem Aktiven-Überschuss aus der Erbschaft.
Lohnt sich ein öffentliches Inventar überhaupt? Eine Richterin in Erbschaftssachen, die nicht namentlich genannt sein will, hat da ihre Zweifel: "Häufig sind Erben nach dem Inventar nicht gescheiter als zuvor."
Kasten: Tipps