Akte PVC bleibt weiter ungelöst
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K-Tipp 10/2000
17.05.2000
Neue EU-Studien unterstützen Umweltschützer
Umweltorganisationen kämpfen seit Jahren gegen den wachsenden Müllberg aus dem giftigen Kunststoff PVC. Sie bekommen jetzt Schützenhilfe von drei EU-Studien.
Plastikspielzeug, Kunststoff-Fensterrahmen, Computergehäuse, Abwasserrohre und künstliche Fussbodenbeläge haben eines gemeinsam: Sie enthalten oft Polyvinylchlorid, kurz PVC. Der billige Kunststoff ist hochgefährlich. Bei seiner Verbrennung entsteht das Nerve...
Neue EU-Studien unterstützen Umweltschützer
Umweltorganisationen kämpfen seit Jahren gegen den wachsenden Müllberg aus dem giftigen Kunststoff PVC. Sie bekommen jetzt Schützenhilfe von drei EU-Studien.
Plastikspielzeug, Kunststoff-Fensterrahmen, Computergehäuse, Abwasserrohre und künstliche Fussbodenbeläge haben eines gemeinsam: Sie enthalten oft Polyvinylchlorid, kurz PVC. Der billige Kunststoff ist hochgefährlich. Bei seiner Verbrennung entsteht das Nervengift Dioxin. Dieses baut sich in der Natur kaum ab.
Kein Wunder, würden Umweltverbände - allen voran Greenpeace - das PVC am liebsten völlig aus der Welt verbannen. Aus ihrer Sicht sind mit der Produktion und dem Entsorgen des Materials zu grosse Gefahren für Umwelt und Menschen verbunden.
Vor zwei Jahren gab die EU fünf Studien in Auftrag, wie europaweit künftig der Umgang mit PVC geregelt werden soll.
PVC deponieren, recyclen oder verbrennen?
Drei Expertisen liegen nun vor.
° PVC deponieren: Für die EU-Fachleute kommt das nicht in Frage, müsste sogar per sofort gestoppt werden. Der Grund: Bei Schwelbränden auf Müllhalden kann Dioxin in grossen Mengen ungehindert in die Luft gelangen. Ausserdem besteht die Gefahr, dass weitere giftige Zusatzstoffe des PVC langfristig als Abgase oder im Sickerwasser aus der Deponie entweichen, wie Abfallexperte Peter Spillmann von der deutschen Universität Rostock im Bericht festhält. Besonders gefährlich sind dabei die in vielen aus PVC hergestellten Artikeln enthaltenen Weichmacher. Diese Phthalate sind krebsfördernd.
o PVC-Recycling: Das Basler Prognos-Institut hat berechnet, dass in der EU bis in 20 Jahren höchstens 18 Prozent aller PVC-Abfälle recycelt werden. Aktuell werden nur gerade 3 Prozent wieder verwertet - auch in der Schweiz. Der Rest des PVC-Mülls landet weiterhin auf Deponien oder in Kehrichtverbrennungs-Anlagen (KVA).
Die magere Recycling-Quote ist eine "Sorge ohne Ende", wie der Brüsseler Greenpeace-Sprecher Axel Singhofen meint. Besonders deshalb, weil sich die PVC-Abfälle in ganz Europa in den nächsten 20 Jahren auf rund 7,2 Millionen Tonnen verdoppeln werden.
° PVC-Verbrennung: Den einzig sinnvollen Weg, der wachsenden Flut von PVC-Müll Herr zu werden, sehen die Experten vorläufig im gezielten Verbrennen des Kunststoffes in KVAs. Dabei würde, so das Ergebnis der Untersuchung, trotz wachsender Abfallmenge kaum mehr Dioxin an die Umwelt abgegeben als bisher.
Aber: "Das gilt nur bei guter Verbrennungsführung", schränkt Jürgen Vehlow ein. "Und die", meint der Fachmann für Kehrichtverbrennung am Forschungszentrum Karlsruhe, "kann nicht immer garantiert werden."
PVC-haltigen Müll nicht im Cheminée verbrennen
Das bestätigt das Bundesamt für Umwelt (Buwal) in Bern. Trotz neuster Technologien beim Filtern der Verbrennungsrückstände gelangen allein aus Schweizer KVAs jährlich rund 10 Gramm des Krankheit erregenden Gifts in die Umwelt. Ganz abgesehen davon, dass man die Dioxinverseuchten KVA-Filter als zusätzlichen Sondermüll entsorgen muss.
Und noch schlimmer: Weitaus mehr Dioxin wird unkontrolliert freigesetzt, wenn Private PVC-haltigen Müll im Holzofen oder im Cheminée verbrennen.
Eine echte Lösung für das PVC-Problem sieht die EU derzeit noch nicht. Sie prüft aber, ob und wie sie die PVC-Industrie bei der Entsorgung künftig in die finanzielle Pflicht nehmen will.
Das hat diese bisher nämlich - wie die Rückstände aus Dioxin auch - der Allgemeinheit überlassen.
(kel)