Allergien - bald amtlich bewilligt
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K-Tipp 8/2001
25.04.2001
Lebensmittel-Zusatzstoffe - Experten rügen Pläne des Bundes
Ärzte sind empört: Der Bund will mehr Lebensmittel-Zusatzstoffe erlauben - darunter auch einige heikle Substanzen.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Tartrazin (E 102), Natamycin (E 235), Lysozym (E 1105) - Laien können mit diesen Begriffen wenig anfangen.
Doch sie bergen Zündstoff. Denn sie stehen auf einer Liste von 56 Lebensmittel-Zusatzstoffen (so genannte E-Nummern), d...
Lebensmittel-Zusatzstoffe - Experten rügen Pläne des Bundes
Ärzte sind empört: Der Bund will mehr Lebensmittel-Zusatzstoffe erlauben - darunter auch einige heikle Substanzen.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Tartrazin (E 102), Natamycin (E 235), Lysozym (E 1105) - Laien können mit diesen Begriffen wenig anfangen.
Doch sie bergen Zündstoff. Denn sie stehen auf einer Liste von 56 Lebensmittel-Zusatzstoffen (so genannte E-Nummern), die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in der Schweiz neu zulassen will. Um 26 dieser Stoffe, darunter die erwähnten drei, sollten Allergiker und Asthmatiker besser einen Bogen machen, raten Fachleute.
Als besonders problematisch gilt Tartrazin. Die Lebensmittelindustrie verwendet den künstlichen Farbstoff zur Gelbfärbung von Süsswaren, aber auch von Getränken, Senf oder Milcherzeugnissen. 1986 hat der Bund Tartrazin verboten - nicht zuletzt auf Druck der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI).
Tartrazin könne «schwere, lebensbedrohliche allergische Reaktionen auslösen», erinnert die SGAI jetzt in ihrer Eingabe ans Eidgenössische Departement des Innern. Eine Wiederzulassung wäre nach Ansicht von Brunello Wüthrich, Leitender Arzt der Allergiestation am Zürcher Unispital, «ziemlich absurd».
Darüber hinaus stösst sich Wüthrich am Umfang, den die BAG-Liste der neuen E-Nummern aufweist. «Diese Ausdehnung wäre ein herber Rückschritt», sagt Wüthrich. «Man müsste zum Beispiel damit rechnen, dass es im Joghurt plötzlich Azo-Farbstoffe drin hat.»
Risiko: Azo-Farbstoffe in Joghurt und Süssigkeiten
Die SGAI plädiert dafür, eine möglichst breite Palette der künstlichen Azo-Farbstoffe und nicht nur Tartrazin von Lebensmitteln fern zu halten. Begründung: Für Leute, die täglich beispielsweise Früchtejoghurt oder Süssigkeiten konsumieren, bestehe sonst «ein enormes Risiko für allergische oder Allergieähnliche Reaktionen».
Zudem: Azo-Farbstoffe sollen wegen ihres Krebs erregenden Potenzials in der Verordnung über Gebrauchsgegenstände verboten werden; da wäre es «paradox», wenn sie in Nahrungsmitteln breit zugelassen würden, schreibt die SGAI.
Ebenfalls vehement wehren sich die Allergie-Experten gegen die Zulassung von Natamycin und Lysozym. Natamycin ist ein bei der Käseproduktion verwendbares Konservierungsmittel mit antibiotischer Wirkung. Es kann laut SGAI bei Menschen unter bestimmten Bedingungen zu Hautausschlägen führen und die Entwicklung Antibiotikaresistenter Bakterien begünstigen. Der Käse-Konservierungsstoff Lysozym wiederum kann für Hühnerei-Allergiker problematisch sein.
SKS: Industrie-Interessen leider im Vordergrund
Vor diesem Hintergrund üben auch die Verbraucherverbände scharfe Kritik an den BAG-Plänen. «Da hat man die Interessen der Industrie höher bewertet als jene der Konsumenten», bemängelte Eric Send von der Stiftung für Konsumentenschutz kürzlich im Tages-Anzeiger. Und das Konsumentenforum fordert die Schweizer Lebensmittel-Produzenten und Grossverteiler auf, freiwillig auf die umstrittenen Stoffe zu verzichten.
Doch in Bern gibt man sich gelassen. Aufgrund internationaler Übereinkommen und des Bundesgesetzes über technische Handelshemmnisse müsse der Bund so genannte nichttarifarische Hindernisse beseitigen, erklärt BAG-Vertreterin Elisabeth Nellen. Und die heute geltende Liste der erlaubten Zusatzstoffe stelle eben in Bezug auf die EU ein solches Hindernis dar. «Deshalb wollen wir die Liste jetzt anpassen, zumal sich gezeigt hat, dass der Unterschied nicht mehr länger mit dem Gesundheitsschutz zu begründen ist.»
Noch sind die BAG-Pläne aber nicht in Kraft. Zunächst wird nun das Departement des Innern Kritik und Einwände prüfen. Sein Bericht erscheint voraussichtlich Ende Juni.
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Internet-Adressen:
- www.ktipp.ch, Top-Links, «Ernährung»
- www.zusatzstoffe-online.de
Ratgeber - Zusatzstoffe und was sie bewirken
Insgesamt 56 Lebensmittel-Zusatzstoffe will der Bund in der Schweiz neu zulassen. 26 davon sollten Allergiker und Asthmatiker meiden, empfiehlt der Gesundheitsjournalist Heinz Knieriemen in seinem kritischen Einkaufsführer «E-Nummern». Problematisch wären konkret die folgenden Stoffe:
- Farbstoffe: E 102, E 128, E 154, E 155
- Konservierungsmittel: E 234, E 235, E 249
- Antioxidantien: E 385
- Emulgatoren: E 432, E 433, E 434, E 435, E 436, E 491, E 492, E 493, E 494, E 495
- Festigungsmittel: E 520, E 521, E 522, E 523
- Wachse: E 912
- Süssstoffe, Enzyme, Stärken: E 953, E 999, E 1105
Der 64-seitige Ratgeber von Heinz Knieriemen kostet 12 Franken (inkl. Versandkosten) und ist erhältlich unter: K-Tipp, «E-Nummern», Postfach 431, 8024 Zürich oder über administration@ktipp.ch oder www.ktipp.ch