Apotheker dürfen nicht helfen
Inhalt
K-Tipp 14/2000
06.09.2000
Tierheilmittel Pharmafirmen liefern nur an Tierärzte - Konsumenten zahlen die Zeche
Quält Sie Husten, kann der Apotheker helfen. Wenn aber Ihr Hund hustet, müssen Sie zum Tierarzt - und die Kosten für eine Konsultation in Kauf nehmen.
Pia Seiler pseiler@k-tip.ch
Das Meersäuli hat Durchfall, die Katze Flöhe, der Hund ein Ekzem. Dagegen gibt es rezeptfreie Mittel - nicht jedoch in der Apotheke. «Pharmafirmen weigern sich, Tierheilmittel an uns z...
Tierheilmittel Pharmafirmen liefern nur an Tierärzte - Konsumenten zahlen die Zeche
Quält Sie Husten, kann der Apotheker helfen. Wenn aber Ihr Hund hustet, müssen Sie zum Tierarzt - und die Kosten für eine Konsultation in Kauf nehmen.
Pia Seiler pseiler@k-tip.ch
Das Meersäuli hat Durchfall, die Katze Flöhe, der Hund ein Ekzem. Dagegen gibt es rezeptfreie Mittel - nicht jedoch in der Apotheke. «Pharmafirmen weigern sich, Tierheilmittel an uns zu liefern», sagt Markus Hellmüller, Apotheker in Hitzkirch LU. Er muss Kunden mit kranken Tieren regelmässig abweisen. So bleibt den Tierhaltern nichts anderes übrig, als den Veterinär aufzusuchen und eine Konsultation in Kauf zu nehmen.
In drei Praxen gäbe es Tropfen ohne Konsultation
Das kann teuer werden. Der K-Tip machte die Probe aufs Exempel. Apotheker Hellmüller würde für die Katze ein Antifloh-Puder für Fr. 8.30 abgeben, wenn er es denn von der Provet AG bekäme. Die drei angefragten Tierärzte hingegen bieten Tropfen an - für 24 bis 26 Franken. Immerhin hätten die Arzt-Sekretärinnen «in diesem eindeutigen Fall» die Tropfen auch ohne Konsultation abgegeben; eine solche würde nochmals 43 bis 48 Franken kosten.
«Die Monopolsituation der Veterinäre ist inakzeptabel», sagt Pascale Streun vom Apothekerverband. Um den Boykott von Apotheken nachzuweisen, hat der Verband seine Mitglieder zu einem Test aufgerufen: 14 Apotheken aus der ganzen Schweiz bestellten bei zwölf Pharmafirmen im letzten September Tierprodukte - rezeptfreie Entwurmungspillen, Zeckenmittel, Vitaminpräparate, Wundsalbe, Augentropfen; ebenso einige rezeptpflichtige, also von einem Tierarzt verschriebene Medikamente.
Für die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) ist es eine «klare Sache», dass Apotheken diese Arzneien verkaufen dürften: «Von der Zulassung her behandeln wir Tiermedikamente gleich wie Humanmedikamente», sagt Jean-Christophe Méroz von der IKS.
Doch nur eine einzige Apotheke hat das angeforderte Mittel tatsächlich bekommen: vom Serum- und Impfinstitut in Bern nach einem Rezept eines Tierarztes. Die anderen elf Firmen refüsierten die Bestellung, neun mit dem wortwörtlich gleichen Bescheid: «Wir liefern ausschliesslich an Tierärzte.»
Diese Antwort lässt aufhorchen, denn offiziell gibt es keine gegenseitigen Absprachen mehr. Bis 1993 regelte ein Exklusiv-Vertrag zwischen Pharmabranche und Veterinären den Millionen-Markt Tierheilmittel. Die Vermutung liegt nahe, dass noch immer inoffizielle Absprachen existieren, welche die Konsumenten benachteiligen.
Die Wettbewerbskommission (Weko) hat denn auch eine Untersuchung gegen Hersteller und Vertreiber von Tierarzneien und gegen Veterinäre eröffnet. «Wir prüfen, ob ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vorliegt», so Weko-Mitarbeiter Frank Stüssi.
Die Weko nimmt unter anderen Novartis und Provet AG unter die Lupe - diejenige Firma, die schon Apotheker Markus Hellmüller abblitzen liess.
Warum dieser Liefer-Boykott? Provet-Chef Jean-Claude von Gunten weicht aus: «In einem laufenden Verfahren nehme ich keine Stellung zu unserer Firmenpolitik.»
Novartis: Medikamente prinzipiell nur an Tierärzte
Derweil pocht Novartis-Sprecher Theodor Ramp auf eine «eigenständige, jahrelange» Geschäftspolitik, Tiermedikamente «prinzipiell nur via Tierärzte» zu vertreiben. Für ein Medikament brauche es Konsultation, Diagnose und Anweisung eines Veterinärs.
Und auch die Gesellschaft Schweizerischer Tierärzte hält an ihrem Arznei-Monopol fest. Sprecher Christian Straumann: «Der Veterinär hat eine intensive Ausbildung in Tiermedizin, während der Apotheker kaum etwas von Tierheilkunde gehört hat.»
Straumann warnt vor der Selbstmedikation bei Heimtieren. «Ein Hund kann nicht in Worte fassen, wenn er Kopfweh hat. Dazu braucht es den Tierarzt, der die Zeichen deuten kann.» Das bestreitet Pascale Streun vom Apothekerverband nicht. «Der Apotheker wird den Hundebesitzer an den Tierarzt verweisen, wenn dies nötig ist - so wie er Menschen zum Arzt schickt.» Sehr wohl aber seien die Apotheker qualifiziert, ein Heilmittel abzugeben: «Apotheker sind Medikamente-Spezialisten. Ausgerechnet Tierheilmittel können sie nicht verkaufen. Das ist absurd», so Streun.
Auch Apotheker Markus Hellmüller sieht nicht ein, warum er Menschen beraten, Tieren jedoch nicht helfen kann. «Die Wirkstoffe in der Human- wie in der Tiermedizin sind in den meisten Fällen die gleichen», sagt Hellmüller. «Ob nun bei Mensch oder Katz: Floh bleibt Floh. Und Gegenmittel bleibt Gegenmittel.»