Apotheker kassieren für wenig Leistung
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K-Tipp 19/2001
14.11.2001
Stichprobe in 31 Geschäften Für das gleiche Medikament bezahlt man ganz unterschiedliche Preise
In Apotheken müssen Kunden für Leistungen bezahlen, die sie gar nicht erhalten. Beratung und Hinweise auf Generika fehlen weitgehend. Das zeigt eine K-Tipp-Stichprobe in 31 Apotheken.
Patrick Gut pgut@ktipp.ch
Glaubt man den Pharma-Assistentinnen in den Apotheken, ist seit Anfang Juli Feuer im Dach. Die Rede ist von «Gschtürm» und «unaufhörlichen D...
Stichprobe in 31 Geschäften Für das gleiche Medikament bezahlt man ganz unterschiedliche Preise
In Apotheken müssen Kunden für Leistungen bezahlen, die sie gar nicht erhalten. Beratung und Hinweise auf Generika fehlen weitgehend. Das zeigt eine K-Tipp-Stichprobe in 31 Apotheken.
Patrick Gut pgut@ktipp.ch
Glaubt man den Pharma-Assistentinnen in den Apotheken, ist seit Anfang Juli Feuer im Dach. Die Rede ist von «Gschtürm» und «unaufhörlichen Diskussionen» mit der Kundschaft. Was ist geschehen?
Seit Juli gilt in den Apotheken für rezept- und kassenpflichtige Medikamente die Leistungsorientierte Abgeltung (LOA). Neu setzt sich der Preis eines rezeptpflichtigen Medikaments aus einem Grundpreis sowie - von diesem unabhängig - einer Apotheker- und einer Patiententaxe zusammen.
- Apothekertaxe (Fr. 4.20): Der Apotheker verrechnet sie pro Medikament, unabhängig von der Anzahl Packungen, die zusammen gekauft werden. Mit dieser Taxe bezahlt der Kunde Leistungen des Apothekers wie Beratung, Überprüfen des Rezepts und Missbrauchskontrolle.
- Patiententaxe (Fr. 7.35): Diese Taxe darf der Apotheker einmal pro Quartal verrechnen. Als Gegenleistung legt er ein Patientendossier an, in dem er sämtliche rezeptpflichtigen Medikamente aufführt, die ein Kunde bezieht. Wer in verschiedenen Apotheken einkauft, muss die Taxe jedes Mal bezahlen.
Als Folge des neuen Abgeltungsmodells sind bisher teure Medikamente günstiger - günstige dafür teurer.
Beispiel: Das Schmerzmittel Voltaren 50 kostete in der Packung mit 20 Dragées Fr. 15.85. Bei diesem Medikament ist der Grundpreis auf Fr. 17.90 angestiegen. Mit beiden Taxen kostet eine Packung Voltaren 50 in den Apotheken aktuell Fr. 29.45. Der Preis hat sich also nahezu verdoppelt.
Tipps für Generika kamen nur von zwei Apothekern
Vor der LOA-Einführung verdienten Apotheker mit einer durchschnittlichen Marge von 33 Prozent an einem teuren Medikament in der Regel deutlich mehr als an einem günstigen. Die LOA will den kostentreibenden Margenansatz korrigieren, indem sie den Verdienst des Apothekers zum Teil vom Medikamentenpreis löst.
Der Verband der Krankenversicherer Santésuisse und der Schweizerische Apothekerverband (SAV) haben sich vertraglich auf das neue Modell geeinigt. Hauptziel ist es, die massiven Kostensteigerungen bei den Medikamenten zu bremsen. Die LOA bietet den Apothekern Anreiz, vermehrt günstigere Nachahmerpräparate, so genannte Generika, an Stelle teurer Originalprodukte zu verkaufen.
Doch wie sieht es tatsächlich aus? Der K-Tipp hat insgesamt 31 Apotheken in den Städten Basel, Bern, Luzern und Zürich besucht und das rezeptpflichtige Voltaren 50 verlangt. Nur gerade in 2 Apotheken waren Generika überhaupt ein Thema.
Vorbildlich der Apotheker in der neuen Coop Vitality-Apotheke an der Zürcher Bahnhofstrasse: «Wünschen Sie das Originalpräparat oder ein Generikum?», lautete seine erste Frage.
In der «Goldenen Apotheke» in Basel sagte der Apotheker, kurz bevor er zur Kasse schritt, immerhin: «Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass es zu diesem Produkt Generika gibt.»
Für Santésuisse-Kommunikationsleiter Peter Marbet ist dieses Ergebnis «ernüchternd». Zumal man mit den Apothekern eine Zusatzvereinbarung getroffen habe. «Die Apotheker erhalten von den Kassen 40 Prozent der Preisdifferenz zum Originalpräparat, wenn sie ein Generikum verkaufen», erläutert Marbet.
Über das Ergebnis der Stichprobe «erstaunt» ist der Präsident des Schweizerischen Apotheker-Verbandes, Max Brentano. «Eigentlich müssten die Apotheker in ihren Geschäften mit Plakaten auf Generika hinweisen.» Hinweise, welche das Testteam allerdings nur in den wenigsten Fällen vorfand. «Zudem erwarte ich natürlich, dass die Apotheker ihre Kunden auch aktiv auf Generika aufmerksam machen», sagt Brentano.
Die Apotheker ihrerseits preisen die Apothekertaxe der Kundschaft hauptsächlich mit dem Argument an, sie würden dafür wichtige Beratungsleistungen erbringen.
In diesem Punkt konnten die Apotheken ebenfalls nicht überzeugen:
Eine eigentliche Beratung fand nur in drei Apotheken statt, darunter in der Feelgood´s Apotheke in Zürich-Witikon. Und der Apotheker verlangte darüber hinaus weder eine Apotheker- noch eine Patiententaxe.
In vier Apotheken fragte das Personal: «Sie kennen das Medikament?» Bei den restlichen 24 Apotheken gab es keinerlei Beratung.
Dazu Santésuisse-Sprecher Peter Marbet: «Mit dem revidierten Krankenversicherungsgesetz hat man die Apotheker von blossen Verkäufern zu medizinischen Fachpersonen befördert, welche ihre Kundschaft beraten sollen. Es ist schade, dass sie ihre neue Stellung nicht besser nutzen.»
Gemäss Marbet landen jedes Jahr Medikamente für 500 Millionen Franken im Abfallkübel. «Mit mehr Beratung könnte man diese Zahl senken.»
«Noch nicht erfüllt!», ist der Kommentar von SAV-Präsident Brentano zum K-Tipp-Resultat bei der Beratung. Die Ergebnisse bei den eigenen Testeinkäufen des Apothekerverbandes seien zwar auch nicht befriedigend, aber immerhin erheblich besser als die Resultate der K-Tipp-Stichprobe.
Tipps: So sparen Sie bei Medikamenten Geld
- Verlangen Sie von Ihrem Arzt, dass er Ihnen ein Generikum verschreibt. Je nach Franchise und Selbstbehalt spüren viele Versicherte den Preisunterschied direkt in ihrem Portemonnaie.
- Erkundigen Sie sich auch in der Apotheke nach Generika. Das Personal darf neu ein Generikum abgeben, auch wenn der Arzt das Rezept auf ein Originalpräparat ausgestellt hat.
- Achten Sie darauf, dass das Rezept den Vermerk «sic» nicht enthält. «Sic» bedeutet für den Apotheker, dass er Ihnen das Originalpräparat abgeben muss. Gewisse Pharmafirmen statten die Ärzte «grosszügig» mit Rezeptblöcken aus. Der Haken: Bei manchen Rezeptblöcken ist der Vermerk «sic» bereits aufgedruckt.
- Gehen Sie wann immer möglich in die gleiche Apotheke. Sonst bezahlen Sie jedes Mal die Patiententaxe von Fr. 7.35.
Muss man die neuen Taxen wirklich bezahlen? - Apotheker blieben hart
In seiner Stichprobe überprüfte der K-Tipp in 31 Apotheken der Städte Basel, Bern, Luzern und Zürich, welche Taxen die Apotheker tatsächlich erheben.
Das Testteam des K-Tipp machte sich mit einem Rezept für das Schmerzmittel Voltaren 50 auf den Weg. Die Packung mit 20 Dragées kostet im Grundpreis Fr. 17.90. Ziel war es, das Medikament zu diesem Preis - also ohne die Apotheker- und die Patiententaxe - zu erhalten.
Die Tester sagten jeweils, dass sie das Rezept zurückhaben müssten. Damit war klar, dass sie bar bezahlen und später selber mit ihrer Krankenkasse abrechnen. Falls der Apotheker zu einer Beratung ansetzte, musste der Tester ihn mit dem Hinweis «Danke, ich kenne das Medikament und wünsche keine Beratung» unterbrechen.
Ging es ans Zahlen, versuchte der Tester, die beiden Taxen zu verweigern. «Sie müssen kein Dossier von mir anlegen» und «Ich habe ja gar keine Beratung bekommen bzw. gewünscht», waren die Argumente.
Fazit: In den wenigsten Apotheken liess sich das Personal «überreden». Welche Taxen es jedoch verlangte, war sehr unterschiedlich.
Geradezu schamlos waren die Apotheker in der Zürcher Rosen- und in der Berner Hirschengraben-Apotheke: Sie forderten die Fr. 7.35 für das Patientendossier zwar ein, Anstalten eines zu eröffnen machten sie allerdings nicht. Laut Verbandspräsident Max Brentano ist das unzulässig: «Die Patiententaxe darf nur verlangt werden, wenn ein Dossier geführt wird.»
Das Testteam erhielt in einigen Apotheken recht abenteuerliche Auskünfte:
- «Wenn ich das Voltaren für Fr. 17.90 gebe, verdiene ich nichts mehr daran.» Diese Aussage ist eindeutig falsch. Der Medikamentengrundpreis enthält nämlich nach wie vor eine stattliche Marge. Die Packung Voltaren hat zudem von Fr. 15.85 auf Fr. 17.90 aufgeschlagen. Der Apotheker verdient an diesem Medikament seit Einführung der LOA also auch ohne eine zusätzliche Taxe mehr als früher.
- «Die Krankenkasse bezahlt Ihnen die Taxen ja ohnehin zurück.» Das gilt allerdings nicht für jene Versicherten, die ihren Franchisenbetrag noch nicht erreicht haben.
- «Die Apothekertaxe hat mit Beratung nichts zu tun.» Falsch! Zwar ist die Beratung lediglich eine von mehreren Fachleistungen, die durch die Apothekertaxe abgegolten werden, aber eine wichtige.
Tipp: Falls Sie rezeptpflichtige Medikamente in der Apotheke beziehen und selber mit Ihrer Krankenkasse abrechnen, fragen Sie den Apotheker, ob er auf die Taxen verzichtet.
Internet-Adressen zum Thema «Medikamente»: Seite 35 (Surfen).
Stichprobe: Die Resultate auf einen Blick
- In diesen zwei Apotheken verzichteten die Apotheker auf beide Taxen (das Voltaren 50 kostete Fr. 17.90): Basel: Stadthaus-Apotheke, Zürich: Feelgood's Apotheke
- Die folgenden 10 Apotheken verlangten zwar die Apotheker-, verzichteten aber auf die Patiententaxe (das Voltaren 50 kostete damit Fr. 22.10): Basel: St. Jakobs-Apotheke, Bern: Brückfeld-Apotheke, Schloss-Apotheke, Luzern: See-Apotheke, Habsburg-Apotheke, Zürich: Bahnhof-Apotheke Stadelhofen, Bellevue-Apotheke, Coop Vitality-Apotheke, Fraumünster-Apotheke, Klus-Apotheke
- In den übrigen 19 Apotheken der Stichprobe führte kein Weg an den beiden Taxen vorbei (das Voltaren 50 kostete deshalb Fr. 29.45): Basel: Central-Apotheke, City-Apotheke, Engel-Apotheke, Goldene Apotheke, Löwen-Apotheke, Schifflände-Apotheke, Bern: Apotheke im Bahnhof, Bümpliz-Apotheke, City-Apotheke, Hirschengraben-Apotheke, Internationale Apotheke, Luzern: Alte Suidtersche Apotheke, City-Apotheke, Falken-Apotheke und Letzi-Apotheke, Zürich: Bahnhof-Apotheke im Hauptbahnhof, Leonhards-Apotheke, Morgental-Apotheke, Rosen-Apotheke