Arzt wollte illegales Zusatzhonorar für eine Augenoperation.
Der Betrag, den die Krankenkasse für eine Augenoperation zahlt, war dem Arzt zu wenig. Er verlangte von der Patientin zusätzlich Geld. Doch das ist verboten.
Nach mehreren Untersuchungen stand für den Augenarzt D.P. aus Olten SO fest: Seine Patientin leidet an "verstecktem Schielen". Er schlug ihr eine Operation und einen fünftägigen Aufenthalt in der Klinik "Villa im Park" in Rothrist AG vor. Dort operiert und kuriert P. als Belegarzt.
Pia Freitag aus Röthenbach BE willigte voll Vertrauen in den Vorschlag des Spezialisten ein - und bekam prompt die Forderung für ein Zusatzhonorar von happigen 700 Franken präsentiert. P's Begründung gegenüber dem K-Tip: Freitag sei nur allgemein versichert. Der vom Krankenversicherungs-Gesetz (KVG) für einen solchen Eingriff vorgesehene Pauschaltarif decke zwar den geplanten Spitalaufenthalt, nicht aber seine Unkosten.
"Zusatzhonorare sind gemäss KVG verboten", empört sich Andreas Kummer, Rechtskonsulent beim Konkordat der Schweizerischen Krankenversicherer. Zudem decke die Krankenkasse alle Unkosten dieser Operation. Doch der Augenarzt sei bei weitem nicht der einzige, der sich auf diese Weise bereichere. "Uns sind Fälle bekannt, wo Ärzte Zusatzhonorare von 2000 Franken und mehr verlangt haben."
Besonders stossend findet Kummer, dass Ärzte dabei schamlos das zwischen ihnen und ihren Patienten herrschende Abhängigkeitsverhältnis ausnützten. "Viele Patienten vertrauen blind ihrem Arzt", sagt er. Ihnen käme es nicht in den Sinn, die Forderung nach einem Zusatzhonorar in Frage zu stellen. Und selbst wenn: "Dann zahlen die meisten trotzdem, weil sie Angst haben, ihren Arzt zu verärgern und so die erfolgreiche Behandlung ihres Leidens zu gefährden."
Neue Brille statt Operation Nicht so Pia Freitag. P's Geldforderung weckte ihr Misstrauen. Sie lehnte das Zusatzhonorar ab und liess sich in der Augenklinik des Inselspitals Bern noch einmal untersuchen. Das Resultat erschütterte sie. "Wir haben nicht das versteckteste versteckte Schielen entdeckt", erläutert Augenarzt Pascal Imesch mit Einwilligung seiner Patientin die Diagnose. "Frau Freitag ist weitsichtig. Da braucht es keine Operation, neue Brillengläser genügen."
Den auf Krankenversicherungen spezialisierten Rechtsanwalt Andreas Kummer erstaunen derart unterschiedliche Diagnosen nicht. "Das kommt vor", meint er. Allerdings seien solche abweichenden Expertenmeinungen auch ein Hinweis darauf, dass in der Schweiz im Vergleich zum Ausland zu rasch und somit zu häufig operiert werde.
Der Grund liegt auf der Hand: Operationen bringen dem Arzt mehr Geld ein als einfache Untersuchungen. Das trifft vor allem auf operierende Augenärzte zu. "Sie gehören zu den bestbezahlten Spezialisten der Medizin", sagt Margrit Kessler, Präsidentin der Schweizer Patientenorganisation. Schon allein deshalb sei die zusätzliche Honorarforderung von D.P. eine Frechheit.
Ganz aber will sie Honorar-Vereinbarungen zwischen Ärzten und Patienten nicht verbieten. Zum Beispiel dann nicht, wenn allgemein Versicherte sich auf eigenen Wunsch privat, also vom Chefarzt statt vom Assistenten, betreuen und operieren lassen möchten. Ihre Bedingung für solche Verträge: "Die Patienten müssen über die verschiedenen finanziellen Möglichkeiten und die daraus entstehenden Konsequenzen aufgeklärt sein."
"KVG-Tarife sind zu tief" Das wünscht sich auch Hanspeter Kuhn, stellvertretender Generalsekretär der Verbindung der Schweizer Ärzte FMH. Doch er will noch mehr. Für ihn sind die meisten KVG-Tarife zu tief und müssen neu berechnet werden. Solange das nicht der Fall sei, wundere es nicht, wenn Spezialärzte von allgemein versicherten Patienten Zusatzhonorare verlangten - auch wenn es illegal sei.
Augenspezialist P. verspricht aber Besserung. Er will sich, so schreibt er dem K-Tip, ab jetzt an das Gesetz halten und auf Zusatzhonorare verzichten.
Kasten: Tipps
So können Sie sich wehren Wenn Ihr Arzt ein Zusatzhonorar will:
- Wenden Sie sich an Ihre Krankenkasse (KK). Sie hilft Ihnen nötigenfalls bei einem Gang vors Gericht.
- Falls Ihr Arzt das Geld bereits kassiert hat, unterstützt Sie Ihre KK auch bei der Rückforderung.