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K-Tipp 20/2000
29.11.2000
Aufsichtskommission büsst Rechtsanwalt: «In krasser Weise gegen Pflichten verstossen»
Zweifelhafte Rechtsberater: Vater Roland Ilg ist schon zum vierten Mal gebüsst worden. Und auch sein Sohn Martin steht in der Kritik - wegen eigenmächtigem Handeln.
Thomas Müller tmueller@k-tip.ch
Das Verdikt ist eindeutig: Rechtsanwalt Roland Ilg hat als Verteidiger des Kosovo-Albaners Eset M. «in krasser Weise gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausü...
Aufsichtskommission büsst Rechtsanwalt: «In krasser Weise gegen Pflichten verstossen»
Zweifelhafte Rechtsberater: Vater Roland Ilg ist schon zum vierten Mal gebüsst worden. Und auch sein Sohn Martin steht in der Kritik - wegen eigenmächtigem Handeln.
Thomas Müller tmueller@k-tip.ch
Das Verdikt ist eindeutig: Rechtsanwalt Roland Ilg hat als Verteidiger des Kosovo-Albaners Eset M. «in krasser Weise gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung und zur Schaffung klarer Verhältnisse verstossen». So stehts im Beschluss der «Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich» vom 2. November.
Konkret hatte Ilg vom Bruder seines Klienten einen Kostenvorschuss von 2500 Franken kassiert, obwohl er als amtlicher Verteidiger sein Honorar vom Kanton erhielt. Und: Ilg hatte in der Honorarrechnung nicht angegeben, dass sein Sohn Martin, der über kein Anwaltspatent verfügte, 17 von 21 Besprechungen durchgeführt hatte.
Dafür hat die Aufsichtskommission Roland Ilg nun mit 1000 Franken gebüsst. Das ist die höchste Busse, welche die Kommission aussprechen kann. Ilg muss ausserdem Verfahrenskosten von 6300 Franken übernehmen.
Der Bestrafte sieht die Sache gelassen: «Es handelt sich um eine sieben Jahre zurückliegende Angelegenheit, die damit ihr bescheidenes Ende gefunden hat. Nun sind alle disziplinarischen Vorwürfe gegen mich erledigt.»
Alle, das sind 18 Disziplinarverfahren, welche die Aufsichtskommission in den letzten zehn Jahren gegen Roland Ilg durchgeführt hat. Dreimal brummte sie ihm eine Busse auf. Jetzt gerät auch Ilgs Sohn Martin ins Zwielicht, der als «Rechtsberater» an derselben Adresse tätig ist wie sein Vater.
Martin Ilg hatte beim Bundesgericht eine Beschwerde gegen die Ausweisung des Bosniers Rajko Vukovic eingereicht. Zum Entsetzen seines Klienten zog er diese aber am 10. Juli 2000 aus eigenem Antrieb wieder zurück.
Rückzug der Beschwerde: «Absolut unverständlich»
Vukovics heutiger Rechtsvertreter, der Zürcher Anwalt Pierre Heusser, ärgert sich über diese «haarsträubende Geschichte». Es sei absolut unverständlich, dass ein Rechtsvertreter eine Beschwerde, die für seinen Klienten derart wichtige Rechtsfolgen hat, ohne dessen Einverständnis zurückzieht.
Die Folgen blieben denn auch nicht aus: Die Fremdenpolizei schaffte Rajko Vukovic, der seit 1982 in der Schweiz lebte und hier straffällig wurde, am 18. November 2000 aus.
Rechtsberater Martin Ilg will zu diesem Fall nur aufgrund einer «eigenhändigen Ermächtigung von Herrn Vukovic» Stellung nehmen. Doch eine solche Vollmacht ist nicht erhältlich, weil Vukovic nicht mehr in der Schweiz ist. Eine Ermächtigung von Anwalt Heusser, der seinerseits über eine Vollmacht von Vukovic verfügt, genügte Ilg nicht, um dem K-Tip Auskunft zu geben.
Eigenmächtiges Handeln wirft dem umtriebigen Rechtsberater auch die Zürcher Beratungsstelle für Asylbewerber vor. «Er hat in zwei Fällen Wiedererwägungs-Gesuche von Asylbewerbern damit begründet, dass die Gesuchsteller bei einer Rückkehr in den Kosovo von der Widerstandsbewegung UCK massiv bedroht würden», erzählt Mitarbeiter Bernhard Jüsi. «Die Betroffenen waren entsetzt, denn sie hatten Herrn Ilg nie etwas von solchen Problemen gesagt.»
Asylsuchende setzen grosse Hoffnung in Berater
Auch dazu will sich Rechtsberater Martin Ilg nicht äussern. Er betont jedoch, dass er die Instruktionen eines Mandanten jeweils genau umsetze. Angaben zu seiner Ausbildung und seinem Stundenansatz verweigert er.
Dass Rechtsberater wie Martin Ilg praktisch schalten und walten können, wie sie wollen, erstaunt Reto Rufer von der Zürcher Freiplatzaktion für Asylsuchende nicht: «Die Ausländer setzen grosse Hoffnungen in ihre Berater, haben aber kaum Kontrollmöglichkeiten, weil sie die Sprache nicht verstehen und das Recht nicht kennen.»
Untersucht werden die Aktivitäten der Ilgs jedoch von offizieller Seite: Bei der Bezirksanwaltschaft Zürich laufen zwei Strafverfahren, je eines gegen den Vater und den Sohn. Bezirksanwalt Hans Maurer will Anfang nächsten Jahres entscheiden, ob er Anklage erhebt.
Selbst ernannte Rechtsberater: Lassen Sie sich nicht irreführen!
Wer Ratsuchenden seine Dienste anbietet, darf «keine unzutreffenden Titel oder Berufsbezeichnungen verwenden, die geeignet sind, den Anschein besonderer Auszeichnungen oder Fähigkeiten zu erwecken». So steht es im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Deshalb dürfen Personen ohne adäquate Rechtskenntnisse nicht als Rechtsanwalt, Jurist, Rechtsberater oder lic. iur. auf Kundenfang gehen. Je nach Kanton sind ausserdem gewisse Titel wie Fürsprech, Rechtsanwalt oder Advokat ausdrücklich geschützt.
Tipp: Fragen Sie Ihren Rechtsberater nach seiner Ausbildung und lassen Sie sich im Zweifelsfall das Fähigkeitszeugnis zeigen. Wenn Sie einen geprüften Rechtsvertreter suchen, wenden Sie sich an den Schweizerischen Anwaltsverband, Tel. 031 312 25 05, Internet www.swisslawyers.com
Kantonal geregelt ist die Frage, wer eine Partei vor Gericht vertreten darf. Meist kommt es auf das Rechtsgebiet an (Strafrecht, Zivilrecht etc.).