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K-Tipp 19/2000
15.11.2000
Herren- und Damendüfte im K-Tip-Test: Nur zwei Produkte sind sehr empfehlenswert
25 von 27 untersuchten Parfüms enthalten künstliche Moschus-Duftstoffe. Das sind schwer abbaubare Chemikalien, die sich schon in jeder zweiten Muttermilchprobe nachweisen lassen.
Thomas Vogel tvogel@k-tip.ch
Neue Düfte haben es schwer in der Schweiz. Jahr für Jahr erscheinen Dutzende von Neu-Kreationen in den Verkaufsregalen - doch nur ein Bruchteil davon schafft es,...
Herren- und Damendüfte im K-Tip-Test: Nur zwei Produkte sind sehr empfehlenswert
25 von 27 untersuchten Parfüms enthalten künstliche Moschus-Duftstoffe. Das sind schwer abbaubare Chemikalien, die sich schon in jeder zweiten Muttermilchprobe nachweisen lassen.
Thomas Vogel tvogel@k-tip.ch
Neue Düfte haben es schwer in der Schweiz. Jahr für Jahr erscheinen Dutzende von Neu-Kreationen in den Verkaufsregalen - doch nur ein Bruchteil davon schafft es, sich längerfristig zu behaupten.
Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass der Markt hart umkämpft ist; immerhin setzt die Parfümindustrie in der Schweiz jährlich rund 400 Millionen Franken um.
Deshalb probieren die Hersteller kontinuierlich neue Duft-Mischungen aus, um Käuferinnen und Käufer bei der Stange zu halten.
Allerdings: Viele Firmen achten dabei - so scheint es - mehr auf ihren eigenen Verdienst als auf die Gesundheit der Konsumenten.
Dieser K-Tip-Test zeigt das deutlich. Das Hamburger Umweltlabor Wiertz Eggert Jörissen hat im Auftrag des K-Tip 27 verschiedene Eaux de Parfum und Eaux de Toilette untersucht. Mit dabei waren die zehn meistverkauften Damen- sowie die zehn meistverkauften Herrendüfte.
Untersuchungskriterien waren:
- Enthalten die Parfüms Nitro-Moschusverbindungen?
- Enthalten die Duftwässerchen polyzyklische Moschusverbindungen?
- Enthalten sie auch das Vergällungsmittel Diethylphthalat?
Das Ergebnis gibt zu denken: Nur gerade zwei der untersuchten Produkte sind bedenkenlos empfehlenswert.
Unerfreulich ist vor allem, dass es noch immer Hersteller gibt, die Substanzen aus der Familie der Nitro-Moschusduftstoffe einsetzen - obwohl seit Jahren bekannt ist, dass sich diese Chemikalien in der Umwelt anreichern.
Viele Jahre lang kam Moschus-Xylol zum Einsatz; es gilt als krebsfördernd. Das früher ebenfalls eingesetzte Moschus-Ambrette rief in Tierversuchen Nerven- und Erbgutschäden hervor.
Heute verwenden die Hersteller den angeblich sanften Ersatzstoff Moschus-Keton. Doch der scheint auch nicht weniger gefährlich zu sein: Früher setzte man diese Substanz als Unkrautvernichtungsmittel ein.
Moschus-Keton fand der K-Tip in den folgenden vier Parfüms:
- Lacoste pour homme
- Chanel No. 5
- Nina Ricci L'Air du Temps
- Yves Saint Laurent Opium
Künstliche Moschus-Duftstoffe müssen nicht deklariert werden
Heimtückisch für den Konsumenten ist vor allem die völlig ungenügende Deklarationspraxis. Das bestätigt Margret Schlumpf, Toxikologin an der Uni Zürich: «Sie können künstlich hergestellten Moschusstoffen nicht ausweichen, da sie nicht deklariert sind.» Solche Angaben sind laut Gesetz auch gar nicht vorgeschrieben. Die Bezeichnung «Perfumes» oder «Fragrance» genügt; sie gilt als Umschreibung für eine Mischung unzähliger Duftstoffe.
Eine Chemikaliengruppe, die in dieser Pauschaldeklaration ebenfalls enthalten ist, besteht aus den polyzyklischen Moschusverbindungen. Diese Moschusduftstoffe der zweiten Generation sind die Nachfolger der Nitro-Moschusverbindungen.
Auch sie stehen im Kreuzfeuer der Kritik. Denn: Neue Erkenntnisse zeigen, dass sich auch die polyzyklischen Moschusverbindungen nur sehr schwer in der Umwelt abbauen. Und: Über Kosmetika gelangen sie durch die Haut in den Körper und lagern sich im menschlichen Fett ein.
Eine Untersuchung aus Deutschland liefert denn auch den Beweis: Jede zweite Muttermilchprobe war mit künstlich hergestellten Moschusverbindungen belastet. Ein Wert, der zum Nachdenken anregt. Denn: Kleinkinder haben ein kaum entwickeltes Immunsystem. Da die Wirkung dieser Stoffe noch nicht genügend erforscht ist, sollte die Belastung für die Kleinen so gering wie möglich ausfallen.
Und genau diese bedenklichen Duftstoffe fand das Umweltlabor in zum Teil grossen Mengen in elf der zwölf Herrenparfüms und in 13 der 15 Damenwässerchen.
Da junge Leute heute viel früher Kosmetika und Parfüms einsetzen als früher, dürfte sich das Problem gemäss Fachleuten in Zukunft verschärfen. Schliesslich stecken die Moschus-Imitate überall: in Seifen, Shampoos, Körperlotionen, Badezusätzen, Aftershaves, Parfüms, Haushaltsreinigern, Waschmitteln oder Luftverbesserern. Aber auch in Gewässern, Muscheln oder Fischen findet sich dieser Parfümölzusatz inzwischen.
Der volle Umfang der Bedrohung durch diese Stoffe lässt sich zurzeit nur erahnen. Noch ist praktisch nichts über ihre Wirkungsweisen erforscht. Dennoch stehen die aus den Fünfzigerjahren stammenden Chemikalien im Verdacht, zu den Krebs fördernden Substanzen zu gehören.
Ganz anderer Ansicht ist die Industrie, die jährlich gegen 10000 Tonnen dieser Parfümöle einsetzt.
In einem Dossier hat deshalb die Europäische Vereinigung der Kosmetik- und Waschmittelhersteller versucht, die Harmlosigkeit der polyzyklischen Moschusverbindungen zu beweisen. Das Dossier hat nur einen Schönheitsfehler: Es ist von der Industrie finanziert.
Auch Christian Dior und Givenchy betonen die Unbedenklichkeit der polyzyklischen Moschusverbindungen. Die gefundenen Substanzen seien nie in Verdacht gestanden, krebserregend zu sein. Und sie seien für Neugeborene «absolut unbedenklich».
Estée Lauder sah sich nicht in der Lage, vor Redaktionsschluss eine Stellungnahme abzugeben. Die restlichen Anbieter haben nicht reagiert.
Ob Eau de Toilette oder Parfüm: 70 bis 90 Prozent sind Alkohol
Gelöst sind diese Düfte zum grössten Teil in Alkohol. So bestehen sowohl die Eaux de Toilette als auch die teureren Eaux de Parfum zu mindestens 70 Prozent, teilweise gar bis weit über 90 Prozent aus billigem Alkohol, der die Haut reizen und auch austrocknen kann.
Um die hohe Alkoholsteuer zu umgehen, müssen Produzenten den Alkohol ungeniessbar machen. Diese so genannte Vergällung geschieht meist mit Phthalaten. Diese Substanzen können durch die Haut ins Gewebe eindringen, sich negativ aufs menschliche Blutbild und möglicherweise auch aufs Hormonsystem auswirken.
Die Kunststoffindustrie setzt Phthalate als Weichmacher ein - zum Beispiel in PVC. Dadurch sind diese Stoffe arg in Verruf geraten und einige von ihnen in Kinderspielzeug gar verboten.
Nur in zwei Produkten fand das Labor keine Spuren derjenigen bedenklichen Inhaltsstoffe, die im Visier der Prüfer waren:
- Chiemsee Man Natural Spray
- J'adore von Christian Dior
Nicht verwundert über die Ergebnisse ist die Kölner Firma Muelhens. Sie produziert die Marke Chiemsee. «Wir legen seit jeher grossen Wert auf möglichst unproblematische Rezepturen. Wir verzichten deshalb auch auf die genannten Stoffe.» Muelhens verkauft Chiemsee deshalb als «naturorientierte» Marke.