Billig fliegen hat seinen Preis
Sie gehen mit fantastisch tiefen Tarifen auf Kundenfang. Doch wer die Billigflieger beim Wort nehmen und zum Tiefstpreis buchen will, muss ausdauernd und flexibel sein.
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K-Tipp 20/2002
27.11.2002
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Der Kluge reist im Zuge, mit dem Flugzeug ists viel zu teuer - das war einmal. Heute gibts die Günstig-Airlines. Sie werben für ihre Europa-Flüge mit Tarifen, bei denen selbst hartgesottene Eisenbahnfreunde schwach werden.
Easyjet zum Beispiel fliegt schon für rund 90 Franken von Zürich oder Genf nach London und zurück. Gleich wenig kostets mit Ryanair ab Friedrichshafen am Bodensee. Oder mit Germanwings von Zürich nach Köln und zurück.
Bei My Travel Lite w...
Der Kluge reist im Zuge, mit dem Flugzeug ists viel zu teuer - das war einmal. Heute gibts die Günstig-Airlines. Sie werben für ihre Europa-Flüge mit Tarifen, bei denen selbst hartgesottene Eisenbahnfreunde schwach werden.
Easyjet zum Beispiel fliegt schon für rund 90 Franken von Zürich oder Genf nach London und zurück. Gleich wenig kostets mit Ryanair ab Friedrichshafen am Bodensee. Oder mit Germanwings von Zürich nach Köln und zurück.
Bei My Travel Lite wiederum ist der Flug Genf-Birmingham retour schon für rund 80 Franken zu haben. Und für 124 Franken gehts mit BMI-Baby von Genf nach Cardiff und wieder heim.
Auch grosse Airlines bieten Billigplätze an
Solchen Preisen haben die herkömmlichen Airlines sogar mit ihren tiefsten Tarifen nicht viel entgegenzusetzen. Sie verlieren nicht nur Economy-Class-Passagiere an die Billigflieger, sondern zunehmend auch Geschäftsreisende. «In der Rezession setzt manches Unternehmen beim Reisebudget den Rotstift an und zieht es vor, seine Leute in den Sitzreihen von Easyjet statt in der Business-Klasse von Swiss und Co. fliegen zu lassen», erklärt Thomas Bieger, Touristik-Professor an der Universität St. Gallen.
Einige der «Grossen» haben bereits die Flucht nach vorn angetreten: Lufthansa mischt im innerdeutschen Verkehr neu selber als Billigflieger mit und verkauft zum Beispiel Retourflüge von Friedrichshafen nach Köln oder Frankfurt für weniger als 130 Franken.
Zudem steckt die Airline auch über ihre Beteiligung an Germanwings ihre Nase ins Billigfluggeschäft - genauso wie das KLM und British Midland über ihre Töchter Buzz und BMI-Baby tun.
Das Rezept der Günstig-Airlines steht unter dem Titel «no frills» - kein Schnickschnack. Oberste Maxime: hohe Produktivität bei niedrigen Kosten.
- Fast alle Billig-Fluggesellschaften beschränken sich auf einen Flugzeugtyp. Das spart Betriebs-, Unterhalts- und Ausbildungskosten.
- Der Abstand zwischen den Sitzreihen in den Maschinen ist in der Regel klein. Das steigert den Ertrag.
- Das Streckennetz ist relativ klein, angeflogen werden wenn möglich nicht die grossen Hubs, sondern kleinere Flughäfen. Das reduziert Gebühren- und Taxkosten sowie die Standzeiten der Flugzeuge, die also häufiger in der Luft und somit produktiver im Einsatz sind.
- Verkauft werden nur so genannte Point-to-Point-Flüge von A nach B, ohne Berücksichtigung irgendwelcher Anschlüsse. Damit erwachsen den Günstig-Airlines keine Kosten für Gepäcktransfer und sie müssen auch für verpasste Anschlüsse nicht geradestehen.
- Buchen lässt sich gewöhnlich nur über Internet oder Telefon direkt bei der Airline. Reisebürokommissionen fallen weg.
- Papiertickets gibts oft keine mehr, im Flugzeug sitzt jeder da hin, wo es noch Platz hat («free seating»). Das verringert den Verkaufs- und Reservationsaufwand.
- Essen und Trinken an Bord gibt es - wenn überhaupt - vielfach nur gegen Bezahlung. Das schmälert Verpflegungs- und Servicekosten.
- Auf Extras wie eigene Lounges an Flughäfen und Vielfliegerprogramme wird verzichtet. Das verkleinert - zusammen mit den bereits erwähnten Faktoren - den Personal- und Verwaltungsaufwand erheblich.
Punkto Sicherheit haben die Billigflieger bislang kaum für negative Schlagzeilen gesorgt. Sie sind denselben gesetzlichen Standards unterstellt wie alle anderen europäischen Airlines.
Kritische Stimmen gibts allerdings, was die Dienstzeiten der Piloten betrifft. So hat die Europäische Pilotenvereinigung (ECA) kürzlich vorgerechnet, dass die Piloten von Billigfliegern jährlich etwa 25 Prozent länger in der Luft seien als ihre Kollegen bei den etablierten Fluggesellschaften. Das berge Sicherheitsrisiken. Auch liegen laut ECA bei den Günstig-Airlines die Saläre deutlich tiefer.
Letzteres dürfte so generell nicht zutreffen: Schon im vergangenen Februar hat die Zeitschrift Saldo herausgefunden, dass der Pilotenlohn im ersten Berufsjahr bei der damaligen Crossair rund 57 000 Franken, bei Easyjet hingegen 80 000 Franken betrug.
Billigflieger werden sich behaupten
Und Easyjet blickt wie manch andere Billig-Airline im Unterschied zu den «Grossen» auf regelrechte Boomjahre zurück. Das Niedrigkostenkonzept ist bis jetzt offensichtlich aufgegangen.
Experte Thomas Bieger glaubt denn auch nicht, dass die Billigflieger in absehbarer Zeit wieder vom Himmel verschwinden werden: «Einzig ihre Wachstumsraten dürften sich abschwächen.»
Für die Passagiere allerdings sind die Günstig-Airlines nicht immer eine Erfolgsgeschichte. Die «Sonntagszeitung» hat sie auch schon als «Lockvögel» bezeichnet. Das triffts nicht schlecht: Die effektiven Tiefstpreis-Tickets können sich pro Flug nämlich nur wenige ergattern. Wer zu einem ungünstigen Zeitpunkt bucht oder beliebte Reisetage wählt, bezahlt rasch deutlich mehr.
Ein Beispiel: Frau X aus Schaffhausen möchte Weihnachten und Neujahr bei Freunden in London verbringen. Sie klärt am 21. November im Internet ab, wie viel die Flüge von Ryanair ab Friedrichshafen kosten.
Resultat: Ryanair fliegt am 23. Dezember für 80 Franken hin und am 2. Januar für 115 Franken zurück. Falls Frau X sich lange Ferien leisten und vom 14. Dezember bis 6. Januar in London weilen kann, zahlt sie für den Hinflug bloss die Taxen von Fr. 12.50, für den Rückflug aber nach wie vor 115 Franken.
Hätte sie diese Flüge bereits am 12. November gebucht, könnte sie für 43 Franken hin- und für nur 46 Franken zurückdüsen.
Tatsächlich passen die meisten Billig-Airlines die gerade erhältlichen Tiefsttarife fast täglich dem aktuellen Buchungsverlauf an. Im Schnitt kassieren sie Schätzungen zufolge zwischen 100 und 200 Franken pro Sitz - und operieren demzufolge auch mit Tarifen, mit denen sie die herkömmlichen Fluggesellschaften nicht mehr in den Schatten stellen.
Damit ist klar: Wer zu den marktschreierisch angepriesenen Tiefstpreisen buchen will, muss sich immer wieder durchs aktuelle Internet-Angebot klicken. Frühzeitiges Buchen mag die Aussichten auf ein Billigstticket zwar erhöhen, eine Garantie gibt es aber nicht. Am grössten sind die Chancen, wenn man seine Reisedaten flexibel nach den Tarifen ausrichten kann.
Jeder Spezialwunsch kostet extra
Gleichzeitig empfiehlt es sich aber, die Tarifbedingungen sorgfältig zu studieren. Günstige Tarife sind nicht selten an bestimmte Buchungs- und/oder Reisezeiträume beziehungsweise -tage gebunden. Ferner ist es oft gar nicht oder nur gegen eine Gebühr von fast 40 Franken möglich, umzubuchen, die Flugroute anpassen oder Namensänderungen vornehmen zu lassen. Und wer die Reise abblasen muss, hat Pech gehabt: Rückerstattungen gibts in aller Regel keine.
Zudem lauern unerwartete Kosten. Fast alle Billigflieger verlangen eine Gebühr, wenn man per Telefon statt Internet bucht und per Kreditkarte zahlt. Auch sollte man sich da, wo eher abgelegene Flughäfen angesteuert werden, die Kosten für die Fahrt ins Stadtzentrum vor Augen halten: Der Trip im Expresszug von Stansted-Airport nach London-City zum Beispiel erleichtert das Portemonnaie um rund 30 Franken.
Solche Aufwendungen sind wenigstens bezifferbar. Bei den ökologischen Kosten der Billigfliegerei ist das schwieriger. Fest steht laut Touristik-Professor Bieger aber: «Die massive Zunahme des Flugverkehrs vor dem 11. September 2001 entfällt zu einem rechten Teil auf die Günstig-Airlines.»
Direkt zu spüren bekämen das die punkto Lärm und Schadstoffausstoss weit umweltfreundlicheren Bahnen. Bieger: «Die Eisenbahn ist prinzipiell auf jeder Strecke ökologischer als die Passagiermaschine.» Aber auch in zeitlicher Hinsicht könne der Zug lange mithalten: «Reiseziele im Umkreis von etwa 400 Kilometern sind mit dem Flugzeug meist nicht schneller zu erreichen, weil noch Fahrten zum und vom Flughafen sowie Wartezeiten am Airport selber anfallen.»
Billigflieger bieten nur 20 bis 30 Prozent der Plätze zum tiefsten Preis an
Billig fliegen ist in. Aber auch in Flugzeugen von Günstig-Airlines sind Passagiere mit Tiefstpreis-Tickets in der Minderheit.
Genf-Barcelona retour für 80 Franken, Zürich-Köln retour für 90 Franken: Selbstbewusst und reisserisch gehen immer mehr Fluggesellschaften mit «best prices» auf Kundenfang. Doch wie viele Tickets pro Flug werden tatsächlich zum jeweils günstigsten Tarif verkauft?
Relativ konkrete Zahlen nennen die fünf Billigflieger Germanwings, Sky Europe, Ryanair, Buzz und My Travel Lite. Sie geben an, pro Flug rund 20 Prozent (Germanwings, Sky Europe, Buzz) beziehungsweise 30 Prozent (Ryanair, My Travel Lite) der Sitzplätze zum tiefsten Preis abzutreten. Je nach Maschine sind das zwischen 6 und 80 Sitze.
Easyjet und Virgin Express beziffern den Anteil der Billigstplätze pro Flug auf 10 bis 12 Prozent «in der Regel». Beide betonen, dass sich die Zahl je nach Buchungsverlauf ändern könne. Zeichnet sich für einen bestimmten Flug eine rege Nachfrage ab, sinkt die Zahl der Tiefstpreis-Tickets - und umgekehrt. Eine je nach Nachfrageentwicklung variable Anzahl Best-Price-Tickets kennen nach eigenen Angaben auch BMI-Baby, Intersky, Hapag Lloyd Flug, Aero Lloyd und Volare Airlines.
Auch bei den «Grossen» wie British Airways, Lufthansa, Air France, Swiss und Alitalia sind die günstigsten Plätze dünn gesät. Genaue Zahlen gibts bei den Buchungsstellen erstaunlicherweise nicht, dafür Hinweise auf Einschränkungen, die mit solchen Tarifen verbunden sein können (begrenzte Gültigkeit, Mindest- oder Höchstaufenthaltsdauer, Vorausbuchungsfrist, Übernachtung am Wochenende, kein Umbuchen etc.).