Billiges Werkzeug meist nur Schrott
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K-Tipp 18/2000
01.11.2000
Sieben Werkzeug-Sets im Test: Vier Angebote aus dem Verkauf gezogen
Brechende Schraubenschlüssel, splitternde Hämmer, durchdrehende Schraubenzieher: Billigste Werkzeug-Sets aus dem Baumarkt haben oft gravierende Mängel. Nur eines von sieben getesteten Sets ist brauchbar.
Thomas Vogel tvogel@k.tip.ch
Ein Knall, Metallsplitter schiessen durch die Luft, der K-Tip-Fotograf duckt sich unwillkürlich; er kommt sich vor wie im Kriegseinsatz.
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Sieben Werkzeug-Sets im Test: Vier Angebote aus dem Verkauf gezogen
Brechende Schraubenschlüssel, splitternde Hämmer, durchdrehende Schraubenzieher: Billigste Werkzeug-Sets aus dem Baumarkt haben oft gravierende Mängel. Nur eines von sieben getesteten Sets ist brauchbar.
Thomas Vogel tvogel@k.tip.ch
Ein Knall, Metallsplitter schiessen durch die Luft, der K-Tip-Fotograf duckt sich unwillkürlich; er kommt sich vor wie im Kriegseinsatz.
Doch die Metallteilchen sind keine Granatsplitter, sondern Teile eines Hammers. Und die Szene spielt nicht in einer Krisenregion, sondern in den Räumen des Instituts für Werkstoff-Fragen und Materialprüfung IWM in Glattbrugg ZH.
Dort haben die vom K-Tip beauftragten Tester mit verschiedenen Hämmern auf einen kleinen Amboss geschlagen. Durch die Wucht des Aufpralls lösten sich Teile des Hammers und schleuderten durch den Raum. «Das kann für den Hobby-Handwerker sehr gefährlich werden», sagt Prüfleiter Ernst Moor, der sich beim Test mit Schildern schützen musste.
Die geprüften Hämmer stammen aus günstigen Werkzeugsets aus dem Baumarkt oder aus dem Versandhandel; also von Sets, wie sie jährlich zu Tausenden über den Ladentisch gehen. Der grosse Absatz ist nicht verwunderlich, die Angebote sind gar verlockend: Werkzeugkoffer mit 888 Teilen für 119 Franken zum Beispiel oder Profiwerkzeugkoffer mit 66 Teilen für 89 Franken sind im Angebot. Der Preisknaller ist der Mannesmann-Handwerkzeugkoffer mit 41 Teilen für 39 Franken.
Peter Frischknecht, Inhaber einer Eisenwarenhandlung in Lachen SZ, warnt: «Lassen Sie sich vom tiefen Preis nicht blenden.» Zum Vergleich: Im Fachhandel kostet schon ein Set Schraubenschlüssel rund 40 Franken.
Nebst Schraubenschlüsseln enthalten günstige Kombi-Sets in der Regel auch Hammer, Zangen, Inbusschlüssel und natürlich ein Set Schraubenzieher. «Die Qualität dieser Werkzeuge ist meist schlecht», meint Frischknecht.
Das beweist auch ein K-Tip-Test. Die Redaktion hat im Juni sieben dieser billigen Sets eingekauft und beim Prüfinstitut IWM folgende Werkzeuge aus den Koffern testen lassen:
- Hammer
- Kombizange oder Flachrundzange
- Rohrzange
- Schraubenschlüssel mit Schlüsselweiten 13 und 14 Millimeter
- Inbusschlüssel
- Schraubenzieher
Die Werkzeuge mussten sich einerseits im Labor und andrerseits in praxisnahen Belastungsprüfungen bewähren. Konkret: IWM untersuchte im Labor, aus welchem Material die Werkzeuge gefertigt sind, ob sie gehärtet sind und ob sie den DIN-Normen entsprechen. Im Praxistest mussten die Werkzeuge beweisen, was sie können und vor allem aushalten.
Die Resultate sind wenig überraschend. Die Geräte sind zwar glatt poliert, vielfach verchromt und nett anzusehen. Solange man nicht versucht, sie als Werkzeug einzusetzen, kann auch nichts passieren.
Im Praxistest zeigte sich aber: Der Grossteil der getesteten Werkzeuge verdient lediglich das Prädikat «Schrott». Teilweise sind sie gar gefährlich.
Hammer
Ein Hammer sollte aus Stahl gefertigt sein. Doch: Die Hämmer des 888-teiligen Werkzeugsets von Coop, des 160-teiligen Sets von Coop, des 100-teiligen Eurotec-Sets und des Autowerkzeugsets sind aus Gusseisen hergestellt. Das kann ins Auge gehen. Denn: Hammerteile können bei Schlägen auf ein hartes Metall wegspicken und den Benutzer verletzen.
300 Kilogramm Zug sollte der Hammer aushalten, bevor er sich vom Stiel löst. Doch nur gerade der Hammer aus dem 160-teiligen Werkzeugkoffer von Coop erfüllt diese Norm. Am schlechtesten ist der Hammer aus dem Eurotec-Profiwerkzeugset: 20 Kilogramm reichen und der Hammer fliegt vom Stiel.
Die Firma Mannesmann, Lieferant des Mannesmann-Handwerkzeugkoffers, meint: «Unser Hammer entspricht der Norm.» Coop hingegen hat die Gefahr erkannt: «Der 888-teilige Koffer wurde aus dem Sortiment gestrichen.»
Auch das Autowerkzeugset von Ackermann ist nicht mehr im Verkauf.
Kombi- oder Flachrundzange
Diese Geräte sollten sowohl einen weichen als auch einen mittelharten Draht durchtrennen können, ohne dass der Draht Eindrücke auf der Schneide hinterlässt. Bereits weicher Draht hinterlässt jedoch Eindrücke auf der Schneide der Zange aus dem 888-teiligen Koffer. Zusätzlich schliessen die beiden Schneiden unter Belastung nicht ausreichend, so dass es unmöglich ist, einen weichen Draht ohne zusätzliche Hilfe zu durchtrennen.
Der mittelharte Draht verursacht Eindrücke auf der Schneide der Mannesmann-Flachrundzange. Mannesmann verteidigt sein Produkt: «Für das Schneiden von mittelhartem und hartem Draht ist unser Gerät nicht geeignet; wir machen auch keine entsprechende Werbeaussage.»
Rohrzange
Bei vier der fünf Rohrzangen fehlt ein Klemmschutz; schlimme Quetschungen können die Folge sein. Nur gerade das Produkt aus dem 160-teiligen Coop-Werkzeugkoffer vermochte als Ganzes knapp zu überzeugen. Die beiden Eurotec-Rohrzangen sind jedoch eine Gefahr für jeden Heimwerker.
Auch Jumbo als Vertreiber hat das inzwischen bemerkt und Konsequenzen gezogen: «Die beiden geprüften Sets entsprechen nicht den Qualitätsvorstellungen, die wir heute an ein solches Produkt stellen. Beide Sets haben wir deshalb aus dem Sortiment genommen.»
Schraubenschlüssel
An Schraubenschlüssel stellt der Heimwerker verschiedene Ansprüche: Sie müssen die richtige Schlüsselweite aufweisen, dürfen sich beim Gebrauch nicht verformen und dadurch die Muttern beschädigen. Die geprüften Billigteile mit den Schlüsselweiten 13 und 14 erfüllen diese Erfordernisse nur teilweise. Sie sind nicht nur zu eng, sie verformen sich auch beim Gebrauch. Damit nicht genug: Je ein Schlüssel aus den Sets Eurotec 100-teilig sowie Coop 160-teilig zerbrach sogar beim Anziehen einer Schraube.
Inbusschlüssel
Wichtig beim Inbusschlüssel oder Winkelschraubendreher: Das Werkzeug darf die Schraube nicht beschädigen. Eine kaputte Inbusschraube kann man sonst kaum mehr herausdrehen. Die Mehrheit der geprüften Werkzeuge erfüllte die Anforderungen in Bezug auf Schlüsselweite und -länge nicht. Immerhin: Nur die Schlüssel aus dem 100-teiligen Eurotec-Set zerbrachen beim Eindrehen einer Schraube.
Schraubenzieher
Als einziges Werkzeug des ganzen Tests erreichte der Schraubenzieher aus dem 90-teiligen Ackermann-Werkzeugset die Teilnote «gut».
Fazit: Statt sich mit Billigsets herumzuschlagen und Werkzeuge mitzukaufen, die Sie nie benötigen, gehen Sie lieber zum Fachhandel und kaufen gezielt Qualitätswerkzeug.
Daran erkennen Sie gute Qualität
Peter Frischknecht, Inhaber einer Eisenwarenhandlung in Lachen SZ, sagt, auf was Sie beim Kauf von Werkzeug achten müssen und was es kostet.
Hammer: ca. 12 Franken Der Holzstiel sollte verkeilt und nicht vergossen sein. So können Sie einen gelockerten Stiel wieder nachbefestigen. Achten Sie darauf, dass der Griff keine Ast-Einwüchse enthält. Empfehlenswert ist ein Stielschutz.
Zange: ca. 16 Franken Gelenke müssen sauber verschaffen und leichtgängig mit einer Hand zu bedienen sein. Achten Sie auf einen Klemmschutz. Test: Schneiden Sie einen dünnen Nagel entzwei. Er darf in der Schneide keine Spuren hinterlassen.
Schraubenschlüssel: Set ab 40 Franken Die Innenflächen der Schlüssel dürfen keine Zacken oder Einschlüsse aufweisen. Test: Setzen Sie den Schraubenschlüssel vor dem Kauf auf die passende Schraube. Wenn er nur wenig Spiel hat, passt er.
Inbusschlüssel: Set ab 20 Franken Der Schlüssel sollte satt in der dazu passenden Schraube sitzen. Der Griff sollte je nach Schlüsselgrösse mindestens sieben und maximal zehn Zentimeter lang sein. Ein zu kurzer Schlüssel nützt wenig.
Schraubenzieher: ca. 5 Franken Ein Zeichen für Qualität ist eine schwarze Spitze. Sie entsteht bei der Galvanisierung und zeugt von einem Präzisionsgerät. Aber Achtung: Gewiefte Schwindler lackieren die Spitze schwarz. Achten Sie auf eine VSM-Norm und wählen Sie möglichst Markenschraubenzieher. Wichtig: Benutzen Sie jeweils den zur Schraubengrösse passenden Schraubenzieher.
Rätschensatz: ca. 70 Franken Grundsätzlich gilt: Rätschen sind nicht zum Lösen von festsitzenden Schrauben geeignet. Ebenso wenig sollten Sie Rätschen zum Festanziehen einer Schraube verwenden. Wie der Name sagt, rätschen Sie damit die Schrauben in die Mutter; zum Anziehen oder Lösen sollten Sie einen stabilen Schraubenschlüssel benutzen.