Bschiss: Geissenkäse aus billiger Kuhmilch!
Inhalt
K-Tipp 1/2000
12.01.2000
Verbotene Praxis der Milchlieferanten erregt die Gemüter. In jedem fünften aller untersuchten Schaf- und Ziegenkäse findet sich Kuhmilch. Das verstösst klar gegen das Gesetz. Und für Kuhmilch-Allergiker ist sie sogar gefährlich.
Für ein Kilo Kuhmilch erhält der Schweizer Bauer 78 Rappen; für ein Kilo Schafmilch kassiert er stolze Fr. 2.35. Für Milchproduzenten ist die Verlockung deshalb gross: Wenn sie Schaf- oder Ziegenmilch mit Kuhmilch strecken, verdienen sie mehr. Si...
Verbotene Praxis der Milchlieferanten erregt die Gemüter. In jedem fünften aller untersuchten Schaf- und Ziegenkäse findet sich Kuhmilch. Das verstösst klar gegen das Gesetz. Und für Kuhmilch-Allergiker ist sie sogar gefährlich.
Für ein Kilo Kuhmilch erhält der Schweizer Bauer 78 Rappen; für ein Kilo Schafmilch kassiert er stolze Fr. 2.35. Für Milchproduzenten ist die Verlockung deshalb gross: Wenn sie Schaf- oder Ziegenmilch mit Kuhmilch strecken, verdienen sie mehr. Sie wenden diese verbotene Praxis auch an. Das bestätigen verschiedene kantonale Laboratorien. "Zwischen 1986 und 1997 haben wir im Schnitt 20 Prozent der untersuchten Schaf- und Ziegenkäseproben wegen eines nicht deklarierten Zusatzes von Kuhmilch beanstandet", schreibt zum Beispiel der Berner Kantons-Chemiker Urs Müller dem K-Tip. Während das staatliche Veterinäruntersuchungsamt im deutschen Krefeld die Pfuscher vor allem in der Türkei, Dänemark und Frankreich ortet, will der stellvertretende Zürcher Kantons-Chemiker Martin Brunner keine eigentliche Fälschernation ausmachen.
"Kuhmilch-Allergiker werden getäuscht" Tatsache ist: In 16 von 19 türkischen, in 6 von 7 dänischen und in 6 von 18 französischen Schafkäsen stellte das Amt Kuhmilch fest. Laut Gesetz darf Schaf- und Ziegenkäse keine Kuhmilch enthalten. Werden mehrere Sorten Milch verwendet, muss auf der Verpackung klar stehen: "Käse mit Zugabe von Schafmilch". "Genügt es für den Konsumenten, wenn sein Käse eindeutig nach Ziege schmeckt, oder ist er bereits getäuscht, wenn Kleinstmengen Kuhmilch beigemischt sind?" Das fragt Kantons- Chemiker Martin Brunner. "Ja!", sagt Thomas Rau, Chefarzt an der Paracelsus Klinik in Lustmühle SG."Die Allergiker werden getäuscht." Denn: Sie kaufen gezielt kuhmilchfreie Produkte und geben dafür mehr Geld aus. Für Allergiker kann diese Täuschung gefährlich sein. Patienten mit Kuhmilch- Allergie müssen Kuheiweiss meiden. "Sie reagieren auf kleinste Mengen Kuhmilch", betont Chefarzt Rau.
Für ihn ist diese Allergie ohnehin ein grundlegendes Problem. Er ist überzeugt, dass allergische Reaktionen auf Pollen, Nahrungsmittel oder Tierhaare Zweitallergien sind. Auslöser sei meistens eine Empfindlichkeit auf Kuheiweiss. Labors könnten illegal zugesetzte Kuhmilch einfach nachweisen. Das Vitamin Beta-Carotin kommt nämlich weder in Schaf- noch Ziegenmilch, sondern lediglich in Kuhmilch vor.
Beta-Carotin kann auchaus der Käserinde sein
Wenn nun der Käse Beta-Carotin enthält, ist das ein klarer Hinweis für illegal zugesetzte Kuhmilch. Allerdings: Beta-Carotin ist auch als Farbstoff gebräuchlich. Mit viel Bauernschläue ausgestattete Käser benutzen genau diesen Farbstoff, um die Käserinde einzufärben. Dann können sie behaupten, das gefundene Beta-Carotin stamme nicht von der Kuhmilch, sondern aus dem Farbstoff. Ein sicherer Tester für den illegalen Zusatz ist der Allergiker. Er reagiert innerhalb von 12 bis 24 Stunden mit verstopfter Nase, Kopfweh, Lymphknoten- Schwellungen oder Oberbauchdruck.
Thomas Vogel