Coaching ohne viel Wert
Die Stiftung für berufliche Jugendförderung will von einer jungen Frau Geld für die Vermittlung einer Lehrstelle – obwohl sie diese selber gefunden hat.
Inhalt
K-Tipp 19/2011
12.11.2011
Letzte Aktualisierung:
15.11.2011
Ernst Meierhofer
Das Inserat stand in der «Solothurner Zeitung»: «Noch keine Lehrstelle 2011?», war da zu lesen. Und: «Jetzt anmelden – Lehrvertrag zugesichert.» Aufgegeben hatte das Inserat die Stiftung für berufliche Jugendförderung. Sie will Jugendlichen in schwierigen Situationen bei der Lehrstellensuche helfen.
Für die 18-jährige Lisa Kunz (Name geändert) kam die Anzeige gerade recht, denn sie stand nach einer persönl...
Das Inserat stand in der «Solothurner Zeitung»: «Noch keine Lehrstelle 2011?», war da zu lesen. Und: «Jetzt anmelden – Lehrvertrag zugesichert.» Aufgegeben hatte das Inserat die Stiftung für berufliche Jugendförderung. Sie will Jugendlichen in schwierigen Situationen bei der Lehrstellensuche helfen.
Für die 18-jährige Lisa Kunz (Name geändert) kam die Anzeige gerade recht, denn sie stand nach einer persönlichen Krise und einem Lehrabbruch ohne Lehrvertrag da. Deshalb unterschrieben sie und ihr Vater eine «Vermittlungsvereinbarung» mit der Stiftung. Die Kosten: 2000 Franken für «Persönlichkeitstrainings» und «Eignungsabklärung», dazu 1000 Franken für «Gemeinsames Suchen und Gewinnen von geeigneten Unternehmen» sowie weitere 1000 Franken für «Coaching» während der Lehre.
Die ersten 2000 Franken für das Persönlichkeits-training hat die Familie gezahlt. Es dauerte insgesamt nur gerade neun Stunden. Lisa Kunz meint, es habe ihr nichts gebracht. Gemäss Urkunde wurden drei Themenblöcke behandelt: «Sein Eigenziel anstreben...», «Erlebe, was du nicht als nachvollziehbar betrachtest» und «Jederzeit die richtige Haltung verkörpern».
Coach musste sich um Hund kümmern
Jetzt hat die Stiftung die nächste Rechnung über 1000 Franken («Gebühr für Lehrvertrag») geschickt. Doch die will Vater Kunz nicht zahlen. Denn seine Tochter sagt, sie habe ihre jetzige Lehrstelle als Dentalassistentin mit Hilfe der Mutter gefunden.
Sie informierte zwar ihren Coach, der sie dann mit seinem Auto ans erste Vorstellungsgespräch beim Zahnarzt fuhr, bei dem sie jetzt Stiftin ist. Doch der Zahnarzt sagt, die beiden seien eine Viertelstunde zu spät gekommen, weil der Coach zuerst noch mit seinem Hund Gassi gehen musste. Der Coach bestreitet das.
Der Zahnarzt ist der Meinung, der Begleiter von der Stiftung habe «nichts Grosses» beigetragen: «Ich bin erstaunt, dass meine Lehrtochter für diese Leistung überhaupt etwas zahlen soll.» Seine Lehrtöchter brauchten auch kein Coaching.
Der K-Tipp hat den Vorfall Fachleuten vorgelegt – und wenig Positives über die Stiftung für berufliche Jugendförderung erfahren. Sehr kritisch äussert sich Theo Ninck, Vorsteher des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes im Kanton Bern, wo die Stiftung ihren Hauptsitz hat: «Wir empfehlen das inserierte Angebotspaket nicht.» Die Berufsberatung des Kantons Bern verfüge über genügend Unterstützungsangebote in diesem Bereich.
Zudem seien im Berufsinformationszentrum (BIZ) Bern-Mittelland «mehrere negative, kritische Meldungen von Betroffenen eingegangen, dass die versprochene Leistung nicht erbracht wurde, keine Lösung zustande kam, die Kosten aber trotzdem anfielen.»
Private Angebote sind nicht nötig
Noch entschiedener sagt es Valerio Agustoni, Geschäftsleiter des Kaufmännischen Verbandes Tessin: «Solche privaten Angebote nützen nichts und haben nur einen kommerziellen Zweck.» Im Kanton Zürich heisst es, das Unterstützungsangebot für junge Menschen sei so gross, dass «kaum private Institutionen beigezogen werden müssen».
Initiant und Kopf der Stiftung ist der 55-jährige Unternehmensberater und Mentaltrainer Daniel Heiz von der Firma PMH GmbH. Sie sei «wegweisend in der Persönlichkeitsbildung und der Teamkultur», schreibt er.
Zu den Vorwürfen entgegnet Heiz, die Familie der jungen Frau habe die Stiftung nicht über die wahren Gründe für den Lehrabbruch informiert. Die Stiftung richte sich in erster Linie an «Realschüler mit knapp genügenden, aber auch oft mit ungenügenden oder gar keinen Noten, die im normalen Bewerbungsprozess praktisch keine Chance» hätten. Und da sei die Erfolgsquote bei der Lehrstellensuche 80 Prozent. Viele Jugendliche müssten nicht die vollen 4000 Franken zahlen.