Darf mir der Chef so viel abziehen?
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K-Tipp 17/2000
18.10.2000
Kurz vor meiner Kündigung passierte mir bei der Arbeit ein Missgeschick. Dafür muss und will ich geradestehen, weil der Fehler klar bei mir liegt. Einen kleinen Teil der Schuld hat mir der Chef bereits vom vorletzten Lohn abgezogen. Jetzt hat er mir mitgeteilt, dass er die Restschuld mit meinem letzten Lohn verrechnen will. Das hat aber zur Folge, dass mir bei der letzten Lohnabrechnung unter dem Strich nur noch 1200 Franken bleiben. Damit kann ich meine Frau und meine 15-jährige Tochter nich...
Kurz vor meiner Kündigung passierte mir bei der Arbeit ein Missgeschick. Dafür muss und will ich geradestehen, weil der Fehler klar bei mir liegt. Einen kleinen Teil der Schuld hat mir der Chef bereits vom vorletzten Lohn abgezogen. Jetzt hat er mir mitgeteilt, dass er die Restschuld mit meinem letzten Lohn verrechnen will. Das hat aber zur Folge, dass mir bei der letzten Lohnabrechnung unter dem Strich nur noch 1200 Franken bleiben. Damit kann ich meine Frau und meine 15-jährige Tochter nicht über die Runden bringen. Darf der Betrieb so viel abziehen?
Nein. Grundsätzlich werden zwar mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses sämtliche arbeitsrechtlichen Forderungen fällig.
Das sind neben dem Lohn zum Beispiel allfällige Rest-Ferienansprüche, offene Überstundenforderungen, Spesen und Abgangsentschädigung. Hat der Betrieb ebenfalls eine Forderung aus dem Arbeitsverhältnis, so kann er diese mit Ihren Ansprüchen verrechnen.
Der Chef wird Ihnen aber nicht die ganze Restschuld vom Lohn abziehen können; vielmehr darf dieser Abzug höchstens so hoch sein, dass das so genannte betreibungsrechtliche Existenzminimum für Sie und Ihre Familie gewahrt bleibt.
Bereits der Grundbedarf für das betreibungsrechtliche Minimum übersteigt die 1200 Franken, die Ihnen noch bleiben würden.
Sie können deshalb von Ihrem Arbeitgeber verlangen, dass er Ihnen das Existenzminimum auszahlt.
Den Rest der Schuld müssen Sie später nachzahlen.
Übrigens: Der Betrieb muss dieses betreibungsrechtliche Existenzminimum deshalb beachten, weil Sie ihm den Schaden nicht absichtlich zugefügt haben; hätten Sie den Schaden absichtlich verursacht, könnte er die Summe ohne Beschränkung verrechnen.
Mehr zum Thema Haftung am Arbeitsplatz und Berufsrisiko steht im K-Dossier «Das Wichtigste zum Arbeitsrecht». Beachten Sie bitte die Bestellmöglichkeit.
Existenzminimum für eine Familie
Beispiel: Existenzminimum für eine Familie mit einer 15-jährigen Tochter im Kanton Bern
Das betreibungsrechtliche Existenzminimum setzt den finanziellen Rahmen, bis zu dem eine Person gepfändet werden kann, damit sie noch genug Geld zum Überleben hat. Zudem spielt das Existenzminimum bei der Berechnung von Unterhaltsbeiträgen nach Scheidungen eine wesentliche Rolle.
Dieses Existenzminimum ist von Kanton zu Kanton verschieden; es wird in der Regel von den zuständigen Gerichten festgelegt.
Die Zahlen für den Kanton Bern lauten:
- Grundbedarf für ein Ehepaar: 1350 Franken
- Unterhalt für ein 15-jähriges Kind: 375 Franken
Dazu kommen:
- Effektiver Mietzins (samt Heizungskosten)
- Sozialbeiträge (zum Beispiel Krankenkassenprämien, Beiträge für Berufsverbände)
- Unumgängliche Berufsauslagen (zum Beispiel Billett für den öffentlichen Verkehr)
- Unterstützungsbeiträge
- Schulung der Kinder (zum Beispiel Schulgeld, Auslagen für öffentliche Verkehrsmittel)
- Auslagen für Arzt, Medikamente, Geburt, Wohnungswechsel