«Das ist doch krass ungerecht»
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K-Tipp 11/2001
06.06.2001
Die Erben einer allein stehenden Frau ärgern sich: Pensionskasse der Verstorbenen zahlt 167 000 Franken nicht aus
Stirbt eine ledige Person, dürfen Pensionskassen das Alterskapital an die Erben auszahlen - unter Umständen auch an Konkubinatspartner. Doch nicht alle tun das.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Franziska Müller war als Rechnungsführerin beim Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) angestellt. Sie wohnte in Dietikon ZH und war ...
Die Erben einer allein stehenden Frau ärgern sich: Pensionskasse der Verstorbenen zahlt 167 000 Franken nicht aus
Stirbt eine ledige Person, dürfen Pensionskassen das Alterskapital an die Erben auszahlen - unter Umständen auch an Konkubinatspartner. Doch nicht alle tun das.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Franziska Müller war als Rechnungsführerin beim Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) angestellt. Sie wohnte in Dietikon ZH und war allein stehend. Im Alter von 46 Jahren starb die Single-Frau. Ihre Schwester Ruth Albrecht erbte (zusammen mit der Mutter und zwei weiteren Geschwistern) das Auto, die Möbel, eine Computeranlage, die Gelder auf den Sparkonten der Bank sowie die Einlagen in der 3. Säule.
Ein grosser Brocken hingegen blieb den Erben vorenthalten: das Sparguthaben der Verstorbenen, das sich in der Pensionskasse bis zu diesem Zeitpunkt angesammelt hatte. Das waren immerhin 167 000 Franken.
Die Versicherungskasse der Stadt Zürich, bei der die EWZ-Angestellte versichert war, schrieb den Erben, in diesem Fall hätten Eltern oder Geschwister keine Ansprüche auf Leistungen.
Ruth Albrecht ist empört: «Wir empfinden das als krasse Ungerechtigkeit.»
Freiwillige Auszahlung hängt vom Reglement ab
Der Ärger ist verständlich; wäre die Verstorbene bei einer anderen Pensionskasse versichert gewesen (zum Beispiel bei der Swissair), hätten die Erben die ganzen 167 000 Franken erhalten. Mit anderen Worten: Ob die Erben einer allein stehenden Person (und allenfalls Konkubinatspartner) das angesammelte Sparguthaben als so genanntes Todesfallkapital ausbezahlt erhalten, hängt einzig und allein vom Reglement der betreffenden Pensionskasse ab. Und da gehört die Versicherungskasse der Stadt Zürich zu den knausrigen.
Dafür profitieren hier die übrigen rund 22 000 Versicherten. «Das angesparte Kapital fällt vollumfänglich dem Versicherten-Kollektiv zu», schrieb die Kasse den Erben. Daraus kann die Kasse zum Beispiel den Teuerungsausgleich der Pensioniertenrenten mitfinanzieren.
Den Vorwurf, beim Thema Todesfallkapital etwas rückständig zu sein, weist die Versicherungskasse der Stadt Zürich zurück. In vielen anderen Punkten sei sie sehr grosszügig gegenüber ihren Versicherten, und zwar «weit über den gesetzlichen Anforderungen».
Laut Gesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) müsste keine Pensionskasse ein Todesfallkapital an die Erben auszahlen. Im Vordergrund steht der Schutz der nächsten Angehörigen. Stirbt zum Beispiel ein versicherter Familienvater, erhält die Witwe in der Regel eine Witwenrente, für Kinder gibt es Waisenrenten. Mehr sieht das BVG grundsätzlich nicht vor.
Die Pensionskassen dürfen aber freiwillig mehr zahlen, also überobligatorische Leistungen im Reglement vorsehen - wie zum Beispiel die Auszahlung eines Todesfallkapitals, wenn eine allein stehende Person stirbt.
Das sind die Rahmenbedingungen für die Auszahlung eines Todesfallkapitals:
- Die Auszahlung erfolgt in der Regel - wenn überhaupt - bei unverheirateten Versicherten.
- Sind weder Witwe, Waisen noch geschiedene Frau anspruchsberechtigt, kann das Geld auch an die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner gehen - aber nur, falls der überlebende Konkubinatspartner vom Verstorbenen massgeblich unterstützt wurde.
- Weiter darf die Pensionskasse im Reglement vorsehen, dass Eltern, Geschwister und Kinder der Geschwister das ganze oder einen Teil des bis zum Tod angesammelten Sparguthabens erhalten.
- Fehlen auch solche Personen, könnte die Pensionskasse im Reglement sogar erlauben, dass die übrigen gesetzlichen Erben (etwa Cousins) Geld erhalten - nach Vorgabe der Steuerbehörden aber höchstens die Hälfte des vorhandenen Sparguthabens.
- Das Gemeinwesen (Einrichtungen der öffentlichen Hand) und Hilfswerke dürfen solches Geld nie erhalten.
- Die Empfänger müssen die ausbezahlte Summe versteuern.
Ein Blick auf die Reglemente einiger zufällig ausgewählter Pensionskassen zeigt, dass die einzelnen Vorsorgeeinrichtungen ihren Freiraum höchst unterschiedlich nutzen - wenn überhaupt.
Nebst der Zürcher Versicherungskasse zahlen zum Beispiel auch die Aargauische Beamtenpensionskasse oder die Kantonale Pensionskasse Solothurn überhaupt kein Geld an die Erben aus.
Auch die Pensionskasse des Bundes lässt die Erben von Alleinstehenden derzeit noch komplett leer ausgehen (eine Änderung tritt hier voraussichtlich im Verlauf des Jahres 2002 in Kraft).
Andere Pensionskassen beschränken die Höhe der ausbezahlten Summe. Oder sie fassen den Kreis der möglichen Empfänger enger, als es aus Sicht des Gesetzgebers gestattet wäre.
«Dem Meinungsumschwung Rechnung getragen»
Bei der Sammelstiftung der Rentenanstalt hingegen mit ihren rund 27500 angeschlossenen Betrieben (rund 210000 versicherten Personen) ist die Auszahlung des Geldes an die Erben bei der überwiegenden Zahl der angeschlossenen Betriebe im jeweiligen Reglement vorgesehen. In einigen Fällen kommt aber nur die Hälfte des Kapitals zur Auszahlung, die andere verbleibt im Vorsorgewerk des angeschlossenen Betriebes.
Vergleichbares wie bei der Rentenanstalt gilt für die Sammelstiftungen Winterthur Columna. Begründung: «In der Auffassung der Versicherten tritt der Solidaritätsgedanke seit geraumer Zeit in den Hintergrund und macht der Meinung Platz, es bestehe so oder so ein Anspruch auf die ?zwangsgesparten? Vorsorgefranken. Diesem Meinungsumschwung hat die Winterthur schon 1985 Rechnung getragen und dadurch Diskussionen um Ansprüche auf das Todesfallkapital vermieden.»
Todesfallkapital: So können Singles vorgehen
Hier die wichtigsten Tipps für Alleinstehende mit Pensionskasse, die nicht verheiratet sind und weder Lebenspartner noch Kinder haben.
- Schauen Sie im Reglement nach, was die Bestimmungen zum Todesfallkapital besa-Weiter auf Seite 17 gen. Steht zu diesem Thema nichts, fällt bei Ihrem Tod Ihr gesamtes Alterskapital an die Pensionskasse. Ein Testament ändert daran nichts. Dies gilt auch, wenn Sie überobligatorisch versichert sind, also beispielsweise höhere Beiträge einzahlen, als es das Gesetz verlangt.
- Wenden Sie sich an Ihre Pensionskasse, falls bei Ihnen eine Bestimmung zur Auszahlung des Todesfallkapitals fehlt. Ihre Ansprechpartner sind die Arbeitnehmer-Vertreter.
Begünstigung unabhängig vom Erbrecht
- Falls Ihre Pensionskasse eine Auszahlung des Todesfallkapitals (oder eines Teils davon) vorsieht, kommt es darauf an, welche möglichen Empfänger im Reglement genannt sind. Innerhalb der genannten möglichen Empfänger dürfen Sie frei und unabhängig vom Erbrecht festlegen, wer das Geld erhalten soll. Dazu müssen Sie ein Schreiben an die Pensionskasse richten (Begünstigungserklärung).
Beispiel dazu: Sind die Geschwisterkinder aufgeführt, können Sie mit einer Begünstigungserklärung verlangen, dass das gesamte Todesfallkapital an eines dieser Geschwisterkinder geht (zum Beispiel an Ihr Gottenkind). Sie können auch den einen Bruder voll begünstigen und die anderen Geschwister und die Eltern leer ausgehen lassen. Vergessen Sie aber nicht: Ein Testament genügt dazu nicht, es braucht gegenüber der Pensionskasse eine Begünstigungserklärung.
- Falls eine Auszahlung vorgesehen ist und die allein stehende Person nichts regelt, zahlt die Kasse das Geld in der Reihenfolge der im Reglement erwähnten möglichen Empfänger aus.
- Haben Sie Pensionskassengeld auf einem Freizügigkeitskonto parkiert, so erhalten die gesetzlichen Erben dieses Freizügigkeitsgeld auf jeden Fall ausbezahlt. Auch hier können Sie mit einer Begünstigungserklärung frei festlegen, wer das Geld erhalten soll.
- Auch Gelder der Säule 3a werden auf jeden Fall ausbezahlt. Mittels Erbeinsetzung im Testament und einer Begünstigungserklärung können Sie hier auch nicht gesetzlichen Erben begünstigen.
- Hat die versicherte allein stehende Person mit Geldern der Pensionskasse Wohneigentum gekauft und ist eine Auszahlung des Todesfallkapitals im Reglement nicht vorgesehen, müssen die Erben dieses Geld der Pensionskasse zurückerstatten (beispielsweise durch Verkauf der Wohnung).
- Die geplante Revision der Pensionskassengesetzgebung wird - soweit es der Bundesrat vorgeschlagen hat - bei der Auszahlung des Pensionskassenkapitals nichts ändern. Die Versicherten werden ihre Vorsorgeeinrichtung auch weiterhin auffordern müssen, eine erbenfreundliche Lösung ins Reglement aufzunehmen.
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Pensionskasse: Paare ohne Trauschein sind im Nachteil
Bei Konkubinatspaaren zahlen nur wenige Pensionskassen das Todesfallkapital aus - und nur, falls eine massgebliche Unterstützung vorlag. Die Reglemente von fortschrittlichen Pensionskassen sehen eine Auszahlung des im Todesfall vorhandenen Alterskapitals auch an Konkubinatspartner vor. Die Eidgenössische Steuerverwaltung verlangt aber, dass die verstorbene Person den überlebenden Partner «in erheblichem Masse» unterstützt haben muss.
In der Regel steht diese Anforderung auch so in den Reglementen. Faktisch bedeutet das, dass der verstorbene Partner nachweisbar mehr als die Hälfte des gemeinsamen Einkommens erzielt haben muss. Eine klare Rechtsprechung dazu
fehlt aber.
Das müssen Konkubinatspaare wissen:
- Eine testamentarische Erbeinsetzung nützt nichts. Sie müssen Ihrer Pensionskasse mitteilen, dass Sie den Lebenspartner begünstigen möchten. Je nach Reglement ist das auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren möglich.
- Eine Begünstigungserklärung müssen Sie auch abgeben, wenn der massgeblich unterstützte Partner allfällige Gelder von allfälligen Freizügigkeitskonten erhalten soll. Für Gelder der steuerbegünstigten Säule 3a gilt das Gleiche.
- Noch besser fahren Konkubinatspaare, wenn die Kasse sogar eine Rente auszahlt, wie sie gemäss Gesetz bei Ehepaaren zur Auszahlung kommt. Das ist jedoch nur bei den wenigsten Kassen der Fall. Und auch hier ist die «erhebliche» Unterstützung verlangt. Oft verlangen die Pensionskassen, dass ein von beiden Partnern unterzeichneter Unterstützungsvertrag vorliegt und dass die Gemeinschaft schon fünf Jahre bestanden hat.
- Hat das Konkubinatspaar eigene Kinder, erhalten diese von der Pensionskasse auf jeden Fall mindestens die gesetzliche Waisenrente (allenfalls sieht das Reglement höhere Leistungen vor).
- Die geplante BVG-Revision wird zum Thema Konkubinat eine gewisse Erleichterung bringen. Wenn es nach den Vorschlägen des Bundesrates geht, dürfen künftig die Pensionskassen auf freiwilliger Basis den Hinterbliebenen aus einem Konkubinat auch dann schon eine Rente zahlen, wenn das Konkubinat nachweisbar mindestens fünf Jahre gedauert hat oder wenn Kinder vorhanden sind. Die «erhebliche» Unterstützung als Erfordernis würde wegfallen.
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Soeben ist die zehnte Auflage des K-Dossiers «Pensionskasse: Das müssen Sie wissen» erschienen. Die Neuauflage ist überarbeitet und aktualisiert: Alle Angaben und Zahlen sind für das Jahr 2001 gültig.
Beachten Sie bitte die Bestellmöglichkeit auf Seite 13.