Das teure 10. Schuljahr
Keine Lehrstelle gefunden, Gymiprüfung verpatzt - ab ins 10. Schuljahr! Etwa ein Drittel der Kantone verlangt dafür jedoch Schulgeld.
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K-Tipp 10/2003
21.05.2003
Georges Müller - gmueller@ktipp.ch
Für etwa 12 000 Schulabgänger wird es diesen Sommer «kompliziert», wie es Ursula Renold, stellvertretende Direktorin des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie, ausdrückt. Sie finden weder eine Lehrstelle, noch können sie eine Mittel- oder Diplommittelschule besuchen, wie die andern etwa 70 000 Jugendlichen, die gleichzeitig mit ihnen die obligatorische Schulzeit beenden.
In Luzern ist das 10. Schuljahr gratis
«Kompliziert» kann alles Möglich...
Für etwa 12 000 Schulabgänger wird es diesen Sommer «kompliziert», wie es Ursula Renold, stellvertretende Direktorin des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie, ausdrückt. Sie finden weder eine Lehrstelle, noch können sie eine Mittel- oder Diplommittelschule besuchen, wie die andern etwa 70 000 Jugendlichen, die gleichzeitig mit ihnen die obligatorische Schulzeit beenden.
In Luzern ist das 10. Schuljahr gratis
«Kompliziert» kann alles Mögliche heissen: eine Zwischenlösung beispielsweise bis zum erforderlichen Alter von 18 Jahren für eine Ausbildung im Gesundheitswesen, ein Sprachaufenthalt im In- oder Ausland, eine so genannte «Vorlehre», der Übergang als Hilfskraft in den Arbeitsmarkt - oder eben ein 10. Schuljahr.
Der Ausdruck «kompliziert» trifft aber auch für den finanziellen Aspekt des 10. Schuljahres zu. «Die meisten Kantone haben das gesetzlich geregelt», erklärt Martin Stauffer von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). Zum Beispiel Luzern. «Das 10. Schuljahr gehört zur Volksschule und ist deshalb unentgeltlich», sagt Joe Bucheli, Abteilungsleiter Volksschulbildung im Bildungsdepartement, mit hörbarem Erstaunen, dass dem nicht überall so ist.
«Etwa ein Drittel der Kantone erhebt ein Schulgeld», weiss EDK-Mann Stauffer. Der Kanton Bern etwa verrechnet 900 Franken im Jahr, in Graubünden und Obwalden kostet das 10. Schuljahr 500 Franken. Über die konkreten Verhältnisse geben die Schulsekretariate der Wohngemeinden Auskunft (siehe auch Kasten).
Am extremsten ist die Situation im Kanton Zürich: «Die Kosten für die Eltern betragen zwischen 0 und 16 000 Franken, je nachdem, in welcher Gemeinde man wohnt», ist von Urs Stampfli, Leiter der Zentralstelle Berufsberatung in der Bildungsdirektion, zu erfahren. Und das bei jährlich immerhin rund 1800 Absolventinnen und Absolventen.
Der Bezirk Meilen am Zürichsee - «Goldküste» genannt, weil hier überdurchschnittlich viele Wohlhabende wohnen - ist beispielhaft. Hier führt die Gemeinde Küsnacht eine Weiterbildungs- und eine Berufswahlschule. «Das Schulgeld beträgt 9500 Franken», gibt Walter Staiger von der Weiterbildungsschule bekannt.
Wer hingegen das Glück hat, in den beiden reichsten der Goldküsten-Gemeinden, in Küsnacht oder Zollikon, zu wohnen, bezahlt keinen Rappen, wenn die Kinder das 10. Schuljahr besuchen. Für Schulabsolventen aus den anderen Gemeinden des Bezirks sind Beiträge zumeist abhängig vom Einkommen der Eltern, mehrere tausend Franken sind es aber schnell.
Pech hat, wer in Oetwil am See wohnt: Diese Gemeinde verbilligt den Besuch des 10. Schuljahres aus geografischen Überlegungen nur im Nachbarbezirk. Wer wegen des Angebots nach Küsnacht will, dessen Eltern müssen den vollen Betrag von 9500 Franken hinblättern.
Damit aber noch nicht genug der Unübersichtlichkeit: Auch der Hauswirtschaftliche Jahreskurs und die Integrationsklassen für fremdsprachige Jugendliche gelten als 10. Schuljahr, sind aber in einem kantonalen Gesetz geregelt. Folge: Der Besuch kostet für alle Absolventinnen und Absolventen maximal 2400 Franken.
Mit dieser verwirrenden Situation ist der Präsident der kantonalen Schulleiter-Konferenz, Thomas Wagen, unzufrieden. «Ich würde eine Regelung begrüssen, damit die Unterschiede bei den Kosten nicht so gross sind», unterstreicht er. Und Reto Vanini vom kantonalen Volksschulamt doppelt nach: «Wir möchten die Situation schon lange korrigieren.»
«Der Zustand ist unhaltbar»
Das könnte längst der Fall sein: Bereits vor drei Jahren hat eine Kommission der Bildungsdirektion einen Gesetzesentwurf für eine einheitliche Regelung vorgelegt. «Seither liegt dieses Papier in einer Schublade, weil der Kanton kein Geld für dieses Thema hat», sagt Vanini zum aktuellen Stand des Themas. «Der Zustand ist unhaltbar», bringt es ein Schulleiter auf den Punkt.
Ausbildungs-Infos auf einen Blick
- www.lehrstellen.ch: Lehrstellenbörsen sowie spezieller Lehrstellennachweis für Mädchen in «Männerberufen» vom Bundesamt für Wirtschaft (Seco).
- www.berufsbildung.ch: Übersicht des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie mit Lehrstellennachweisen, Lehrbetrieben, Berufsschulen usw.
- www.berufsberatung.ch: Schweizerische Berufsberatung mit Informationen zum Thema Ausbildung, Berufsberatung und Lehrstellenbörse.
- www.bws.ch: Berufswahlschulen des Kantons ZH.