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K-Tipp 4/2000
23.02.2000
Boomende 0901-Nummern: Fragwürdige Helfer bieten teure Dienste an.
Fr. 4.23 pro Minute - macht Fr. 253.80 pro Stunde: So viel verlangte Jacques Böckli für seine "Lebensberatung" per Telefon. Doch die Rechnung von Marketing-Leiter Böckli ging nicht auf.
Grüezi, ich bin der Andreas Keller vom Ufsteller-Telefon. Wenn Sie mich am Telefon haben, dann habe ich Zeit für Sie!" Ein netter Brief, der da ins Haus geflattert ist, und auch die Fortsetzung tönt verheissung...
Boomende 0901-Nummern: Fragwürdige Helfer bieten teure Dienste an.
Fr. 4.23 pro Minute - macht Fr. 253.80 pro Stunde: So viel verlangte Jacques Böckli für seine "Lebensberatung" per Telefon. Doch die Rechnung von Marketing-Leiter Böckli ging nicht auf.
Grüezi, ich bin der Andreas Keller vom Ufsteller-Telefon. Wenn Sie mich am Telefon haben, dann habe ich Zeit für Sie!" Ein netter Brief, der da ins Haus geflattert ist, und auch die Fortsetzung tönt verheissungsvoll: "Wir unterhalten uns über Gesundheit, Alltagsprobleme, Familie, über die heutige Jugend und vieles mehr."
Der Ufsteller hat sogar in der Nacht Zeit, "sollten Sie sich einmal einsam und verlassen fühlen". Jetzt liegts an mir: "Fassen Sie sich ein Herz und rufen Sie mich einfach an! Wählen Sie bitte 0901 57 82 87. Es kostet Sie lediglich das Telefon, welches Sie mit mir machen."
Das stimmt zwar, doch - welch Absteller - der Anruf kostet stolze Fr. 4.23 pro Minute, wie ganz am Schluss des Briefes im klein Gedruckten steht. Das ist der höchste Tarif, den die Swisscom für eine so genannte Business-Nummer mit der Vorwahl 0901 zulässt. Macht Fr. 253.80 in der Stunde.
Zum Vergleich: Eine Psychotherapie-Stunde bei einer anerkannten Fachperson kostet laut Berufsverband zwischen 110 und 190 Franken. Die Krankenkasse zahlt erst noch den grösseren Teil davon, sofern der Hilfesuchende eine entsprechende Zusatzversicherung hat.
"Ufsteller-Andi" hat den Anschluss gekündigt
Der zweite Absteller: Andreas Keller oder "Andi", wie man ihn auch nennen darf, gibt es gar nicht. Die Business-Nummer ist nach nur einem Monat gekündigt - und zwar von Jacques Böckli aus Hildisrieden LU.
Hat der Versuch, auf die Schnelle viel Geld zu verdienen, nicht geklappt? "Ich wollte nur schauen, wie der Markt reagiert", sagt Böckli/ Keller, "doch das Produkt ist nicht gefragt und für mich erledigt, Punkt. Vielleicht kann man in fünf, zehn Jahren darauf zurückkommen."
Vielleicht auch schon früher, denn die 0901-Branche boomt: In der Coop-Zeitung vom 16. Februar hat es nicht weniger als 83 Kleininserate von Lebensberatern, Problemdiagnostikern, "Kummer-Sorge-Krise"-Anhörern und "Heile alles"-Könnern.
So harmlos, wie Jacques Böckli seinen Versuch abtut, so viele Fragezeichen hat Madeleine Vonlanthen, Psychotherapeutin und Mitarbeiterin bei der "Dargebotenen Hand". "Wer steckt dahinter, welche Ausbildung hat er, welches Menschen- und Weltbild verfolgt er?", fragt Vonlanthen und betont: "Hilfesuchende, die den Schritt wagen und Wildfremden ihre Sorgen erzählen, brauchen ein sorgfältiges Gegenüber."
Jacques Böckli jedenfalls ist laut eigenen Angaben Verkaufs- und Marketingleiter. Das jedoch verschweigt er im Mailing und meint, angesprochen auf den happigen Stundenlohn: "Jedes Geschäft will etwas verdienen. Es muss mir doch niemand erzählen, er mache lediglich gemeinnützige Arbeit."
"Dargebotene Hand": Gut geschulte Berater
Genau dies aber begründet die Erfolgsgeschichte der "Dargebotenen Hand", eine soziale Institution der Landeskirchen mit zahlreichen Gönnern: Der Telefonanruf kostet 20 Rappen, unabhängig, wie lange das Gespräch dauert. Die Berater arbeiten ehrenamtlich, haben eine Auslese zu bestehen, werden ein Jahr lang geschult, unterstehen der Schweigepflicht und müssen fortlaufend Supervision und Weiterbildung absolvieren.
Mittlerweile gibt es 12 Telefonzentralen der "Dargebotenen Hand". Die grösste ist in Zürich mit 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die im Schnitt fünf Stunden pro Woche arbeiten. Probleme bei der Rekrutierung hat Madeleine Vonlanthen dabei nicht: "Viele sehen den Einsatz als sinnvolles Engagement und persönliche Weiterbildung."
Kasten: Tipps
Hilfe von Profis
Folgende Nummern helfen in persönlichen Notsituationen weiter. Sie sind rund um die Uhr besetzt.
° Dargebotene Hand: Tel. 143. Hauptsächlich finanziert von den Landeskirchen. Kosten:
20 Rappen pro Anruf.
° Sorgentelefon für Kinder und Jugendliche: Tel. 147. Finanziert von Bund, Pro Juventute und Verein Helpofon. Kosten: 20 Rappen.
° Eltern-Notruf: Tel