Der gelbe Riese walzt seine Kunden platt
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K-Tipp 20/2000
29.11.2000
Die Sparpläne der Post stossen rundum auf Unverständnis und verärgern auch Angestellte - alle fürchten um den Service public
Jede dritte Poststelle geht zu. Doch die Post spart auch an anderen Orten - und übergeht die Wünsche der Kunden und Angestellten.
Markus Kellenberger mkellenberger@k-tip.ch
Die Post, ein Stück Kultur, ein Treffpunkt im Dorf, ein verlässlicher Partner - an vielen Orten könnte das bald Vergangenheit sein.
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Die Sparpläne der Post stossen rundum auf Unverständnis und verärgern auch Angestellte - alle fürchten um den Service public
Jede dritte Poststelle geht zu. Doch die Post spart auch an anderen Orten - und übergeht die Wünsche der Kunden und Angestellten.
Markus Kellenberger mkellenberger@k-tip.ch
Die Post, ein Stück Kultur, ein Treffpunkt im Dorf, ein verlässlicher Partner - an vielen Orten könnte das bald Vergangenheit sein.
Ein Defizit von 530 Millionen Franken veranlasst den gelben Riesen zu drastischen Sparmassnahmen. Am stärksten trifft es die Poststellen in Stadtquartieren und kleinen Gemeinden. Rund 1000 sollen in den nächsten fünf Jahren geschlossen werden, die meisten davon ersatzlos.
Doch damit nicht genug. Die Post will, um künftiger Konkurrenz gewachsen zu sein und um ihr Budget ins Lot zu bringen, unter anderem auch
- die Zahl der Briefkästen verkleinern, die Leerungszeiten vorverschieben oder noch weniger häufig leeren,
- bei der Brief- und Paketpost weitere Tarifstufen einführen und
- die Preise für Express-Sendungen um bis zu 5 Franken verteuern.
Die betroffenen Kunden sind platt. Aber nicht nur sie. Auch die Angestellten der Post gehen ob diesen Sparplänen auf die Barrikaden. Zum Poststellen-Abbau meint Samuel König von der Postgewerkschaft Kommunikation: «Maximal 500 Schliessungen würden wir akzeptieren, aber grundsätzlich müssen andere Lösungen her», fordert er.
Schweden und deutsche Post: Erfolg mit Partnern
Doch damit tut sich die Post schwer. Dabei gäbe es für viele Dörfer und Quartiere durchaus Alternativen. Zum Beispiel das Schweden-Modell. Dort setzt die Post voll auf Partnerbetriebe. Das bedeutet: Sie schliesst ihre Büros, kombiniert dafür aber konsequent kleine Läden mit einer Poststelle (siehe K-Tip 19/00). Das System funktioniert. Die Kunden sind zufrieden und die Lädelibesitzer haben eine weitere Einnahmequelle, die ihnen ein anständiges Einkommen garantiert. Auch die Deutsche Post betreibt mittlerweile gegen 8000 solcher kombinierter Verkaufsstellen.
Lädeli-Post-Kombination «interessiert Bern kaum»
Interessierte Partner gäbe es auch in der Schweiz für diese Idee. Zum Beispiel die Ladenkette visavis. Sie betreibt 700 Filialen in der Deutschschweiz, viele davon in abgelegenen Orten. Und: Seit acht Jahren versucht sie, mit der Post ins Geschäft zu kommen. Das klappte bis anhin aber nur harzig und in Einzelfällen: «Auf regionaler Ebene haben wir mit der Kombination Lädeli und Post gute Erfahrungen gemacht», sagt visavis-Pressesprecherin Christina Herzig. «Aber die Post-Manager in Bern interessiert das kaum. Die haben ?wichtigere? Projekte wie etwa die Postbank.»
Das bestätigt auch Reinhard Wolfensberger von Volg. «An fünf Orten arbeiten unsere Filialen erfolgreich mit der Post zusammen.» Doch ein grosses Interesse der Post an diesem System kann auch er nicht orten. «Unsere Kontakte», sagt Wolfensberger, «waren auch schon intensiver.» Bei der Post sieht man das nicht so. In einem Kassensturz-Beitrag zu diesem Thema erklärte Poststellen-Manager Andreas Hasler: «Wir wollen uns eben nicht auf einen Partner festlegen, sondern flexibel bleiben.»
Diese Flexibilität will Peter Kündig, Präsident des Schweizerischen Detaillistenverbandes, in der nächsten Zeit auf die Probe stellen. «Die Kombination Post und Lädeli könnte für viele unserer Ladeninhaber eine interessante Perspektive sein», sagt er. «Ich werde bei der Post anklopfen und gleichzeitig versuchen, unsere rund 3000 Mitglieder aktiv für die Idee einer Zusammenarbeit mit der Post zu begeistern.» Denn eines ist ihm klar: «Die Post ist bisher nicht zu uns gekommen - also gehen wir jetzt zu ihr.»
Peter Heiri, Branchenleiter Post der Gewerkschaft Transfair, kommt diese Initiative gelegen. «Wir sind auf jeden Fall für eine Zusammenarbeit mit Privaten», bekräftigt er, denn ein flächendeckender Service public sei auch in Zukunft das A und O der Postdienstleistung. Allerdings müsse der Grundservice zuerst neu definiert werden. Es gehe nicht an, dass der oberste Postchef Ulrich Gygi neue Sparmassnahmen jedes Mal mit dem Hinweis schönrede, die Post tue landauf und landab ohnehin mehr, als ihre Pflicht sei. «Solche Rechtfertigungen», meint Heiri, «sind schwach.»
Schwach finden die Gewerkschaften aber auch, dass die postinterne Kommunikation am Boden liegt. Immerhin geht es bei Gygis Sparprogrammen nicht nur um eine Einschränkung des Service public, sondern ganz konkret auch um einen Stellenabbau.
Rund 3000 Angestellte bangen angesichts der angedrohten Poststellen-Schliessungen um ihre Jobs. «Aber seit letztem Frühling haben wir vom Postchef in dieser Sache nichts Konkretes mehr gehört», klagt Gewerkschafter Samuel König. Auch gegenüber dem K-Tip will sich Gygi - aus Zeitmangel, wie er mitteilen lässt - nicht persönlich zu kritischen Fragen äussern. Das erledigt sein Pressedienst.
Keine Post mehr im Dorf - Neuzuzügler bleiben weg
Schade. Denn wie wichtig eine eigene Poststelle - egal in welcher Form - für ein Dorf sein kann, zeigt das Beispiel Zullwil SO. «Seit September gibt es bei uns keine Post mehr», sagt Gemeindepräsident Franz Stebler, «und bereits haben einige Leute deshalb darauf verzichtet, in unsere Gemeinde zu ziehen.» Das ärgert ihn. Für einen Ort mit 625 Einwohnern ist jeder Neuzuzügler ein sozialer und finanzieller Gewinn. «Wir haben der Post vorgeschlagen, in unserem Dorflädeli einen Schalter zu eröffnen», sagt Stebler. «Doch die wollte das partout nicht und hat uns nur die Wahl zwischen der mobilen Post und dem erweiterten Briefträgerdienst, dem so genannten House-Service, gelassen.»
Aus Rücksicht auf die älteren Dorfbewohner habe man sich dann halt zähneknirschend für den House-Service entschieden. Das bedeutet: Wer ein Schild an seinem Briefkasten anbringt, bekommt vom Pöstler persönlich Besuch und kann ihm Briefe mitgeben oder Einzahlungen tätigen. Für Gemeindepräsident Stebler ist das aber nur «eine halbbatzige Lösung».
Mit dieser Einschätzung des von der Post selber in höchsten Tönen gelobten House-Service steht er nicht alleine da. Auch im 200-Seelen-Dorf Busswil BE sind nicht alle mit dem eingeschränkten Service public zufrieden. Gemeindeschreiberin Christine Dammbach: «Der House-Service kommt nur Leuten zugute, die den ganzen Tag auf den Briefträger warten können.» Für Berufstätige sei das kein Ersatz für die geschlossene Poststelle. Und ob die Post mit diesen Einschränkungen des Service public ihr Budget wieder in den schwarzen Bereich fahren kann, ist ebenfalls ungewiss. Postgewerkschafter Samuel König: «Wir sind nicht davon überzeugt, dass der Poststellen-Abbau so grosse Einsparungen bringt, wie man uns das vorgerechnet hat.»
Schreiben Sie uns - Post im Lädeli
Jede dritte Poststelle wird geschlossen, vielleicht auch Ihre. Was halten Sie davon, auf dem Land und in Stadtquartieren Poststellen konsequent mit kleinen Läden zu kombinieren? Und was erwarten Sie sonst noch von der Post der Zukunft?
Schreiben Sie an: Redaktion K-Tip, Postfach 431, 8024 Zürich, E-Mail: redaktion@k-tip.ch