Der heisse Ritt ins Spital
Skipisten und Schlittelwege dienen allerlei Fun-Sportlern als Tummelfeld. Doch deren Schussfahrten enden oft gar nicht lustig.
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K-Tipp 01/2006
11.01.2006
Gery Schwager - gery.schwager@ktipp.ch
Die Vorherrschaft von Ski, Snowboard und Schlitten ist im Wintersport seit Jahren ungebrochen. Das hindert findige Hersteller allerdings nicht daran, praktisch jede Saison Neuheiten zu lancieren und als Trendsportgeräte mit Spassgarantie zu vermarkten.
Der Spass hat aber Grenzen. Das zeigen die Blessuren, die Dominik Heim, Chefarzt Chirurgie am Spital Frutigen BE, behandeln muss: schwere Unterschenkelbrüche, Knieverletzungen, Prellungen und Gehirnerschütterungen. Rund 10 Prozen...
Die Vorherrschaft von Ski, Snowboard und Schlitten ist im Wintersport seit Jahren ungebrochen. Das hindert findige Hersteller allerdings nicht daran, praktisch jede Saison Neuheiten zu lancieren und als Trendsportgeräte mit Spassgarantie zu vermarkten.
Der Spass hat aber Grenzen. Das zeigen die Blessuren, die Dominik Heim, Chefarzt Chirurgie am Spital Frutigen BE, behandeln muss: schwere Unterschenkelbrüche, Knieverletzungen, Prellungen und Gehirnerschütterungen. Rund 10 Prozent der in Frutigen eingelieferten Wintersportler haben sich auf einem Trendsportgerät verletzt.
«Grosse Sorgen machen uns die Snowblades», sagt Heim. Auf diesen Kurzski erreiche man ein hohes Tempo und lasse sich zu Sprüngen animieren, während die Balance schwer zu halten sei. Gleichzeitig haben die meisten Snowblades keine Auslösebindung wie die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) anmerkt. Die Folge: viele Stürze, gravierende Beinbrüche.
Schwere Folgen für Handgelenk und Kopf
Auch Big-Foot-Fahrer sind wacklig unterwegs. Auf den nur schuhlangen Brettchen besteht ein erhebliches Risiko, nach hinten zu fallen. «Solche Stürze können für Handgelenke und Kopf schwere oder gar bleibende Folgen haben», warnt die bfu.
Ebenfalls Kopf und Kragen riskiert, wer auf dem Airboard talwärts braust. Das bäuchlings zu fahrende Luftkissen lässt sich zwar steuern, wird aber höllisch schnell. Zudem gehts Kopf voran den Berg hinunter - Unfälle führen so leicht zu Gehirnerschütterungen, wie das Spital Frutigen bestätigt.
Problematisch sind Snowblades, Big Foot und Airboard nicht zuletzt, weil sie als leicht beherrschbar gelten. Das verleitet zu sorglosem Umgang mit Geräten, mit denen man eigentlich nicht ohne Schutzausrüstung - Helm, Skibrille, Handschuhe sowie Handgelenk- und Rückenprotektoren - fahren sollte.
Geräte ohne Stopper: Gefährlich für Dritte
Gleiches gilt für Snowskate (Skateboard für Schnee), Snowbike bzw. -scooter (Velo bzw. Trottinett auf Ski oder Brett statt Rädern) und Snowfox (eine Art Melkstuhl auf Ski). Hinzu kommt laut bfu: «Wenn Geräte keine Stopper haben und nach einem Sturz führerlos weitersausen, wird es auch für Dritte gefährlich.»
Die Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten macht denn auch klar: Wer Tendsportgeräte fährt, hat wie alle Skifahrer und Snowboarder die Verhaltensregeln des internationalen Skiverbands Fis zu befolgen (Download unter www.skus.ch).
Fun um jeden Preis im Snowparadise
Für Kurdirektoren, Hoteliers und weitere Tourismusabhängige in Winterferienorten muss der Sommer die Hölle sein. Sie wissen: Der Winter kommt bestimmt. Also brüten sie in brütender Hitze über Ideen für die kalte Jahreszeit. Das kann nicht gut gehen. Tragen deshalb fast alle Anlässe - sorry: Events - englische Bezeichnungen? So tönen sie immerhin nach etwas.
In Gstaad etwa wird dem anspruchsvollen Gast ein Slide Disaster geboten. Es ist dies ein Fun Contest, wo zum Master of Disaster erkoren wird, wer auf dem abartigsten Slideobjekt eine besonders spassige Rutschpartie hinlegt.
Saas Fee, Engelberg und Zweisimmen wiederum locken mit einem Waterslide Contest - wie übrigens auch Wengen, wo der Contest allerdings Pool Race heisst. Bei diesem Event gilt es, ein Wasserbecken auf Ski, Snowboard oder einem selbst gebastelten Gerät zu überqueren.
Wers nicht ganz so sauglatt mag, fühlt sich allenfalls von der Nordic Kneipp Tour oder vom Nordic Moon and Stars Walking in Engelberg angezogen. Schön wärs natürlich, wenn man sich danach mit einem gemütlichen Nordic Fondue Evening belohnen könnte. Doch nach diesem Angebot sucht man (noch?) vergeblich.
Dafür herrscht an tollen Happenings wie Big Air Masters (Wengen), Snow Groove (Laax), SB Jam Session (Davos) und High Fly (Saanen) kein Mangel. Überall gehts um Party und Sprünge auf Snowboards oder anderem Gerät. High Fly bietet daneben noch pyromanische Einlagen.
Da fallen Angebote wie Lama-Trekking für Alleinstehende (Klosters), Pouletflügeli-Abend (Davos) und Übernachten im Iglu (Adelboden) halt schon etwas ab. Warum nur werden sie nicht als Singles Llama Trekking, Chicken Wings Night und Overnight Stay in the Igloo vermarktet?
Gery Schwager