Diagnose: Viele Kantone sündigen beim Vollzug
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K-Tipp 16/2001
03.10.2001
Verbilligung der Krankenkassen-Prämien Zwei Studien durchleuchten, wie die Kantone mit Unter stützungsbeiträgen für Versicherte umgehen
Stellen Sie sich vor, Sie haben Anrecht auf eine Verbilligung Ihrer Grundversicherungsprämie - und wissen nichts davon. Falls Sie im Kanton Luzern oder Basel-Stadt wohnen, kann Ihnen das leicht passieren.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Die Ausgangslage ist klar: Wer «in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältni...
Verbilligung der Krankenkassen-Prämien Zwei Studien durchleuchten, wie die Kantone mit Unter stützungsbeiträgen für Versicherte umgehen
Stellen Sie sich vor, Sie haben Anrecht auf eine Verbilligung Ihrer Grundversicherungsprämie - und wissen nichts davon. Falls Sie im Kanton Luzern oder Basel-Stadt wohnen, kann Ihnen das leicht passieren.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Die Ausgangslage ist klar: Wer «in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» lebt, hat Anspruch darauf, dass der Staat einen Teil der Krankenkassen-Prämie für die Grundversicherung übernimmt. So will es das Krankenversicherungsgesetz (KVG) von 1994. 1999 haben rund 2,3 Millionen Menschen in der Schweiz eine Prämienverbilligung erhalten.
Alles bestens also? Keineswegs: «Bei der Umsetzung der Prämienverbilligung durch die Kantone konnten die vom Gesetzgeber angestrebten und gesetzlich verankerten Ziele noch nicht erreicht werden», hält das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) nüchtern fest. Das BSV zieht diesen Schluss aufgrund zweier Untersuchungen des Luzerner Büros Interface für Politikstudien, die sich mit der Wirksamkeit und dem Vollzug der Prämienverbilligung in den Kantonen befassen.
6-Prozent-Limite ist in 12 Kantonen nicht erreicht
Demnach bezahlten die Versicherten in der Schweiz letztes Jahr für die Grundversicherungsprämie durchschnittlich 6,6 Prozent ihres verfügbaren Einkommens - und zwar trotz Prämienverbilligung.
Absicht des Bundes wäre eigentlich, dass niemand mehr als 6 Prozent jenes Einkommens, das nach Abzug sämtlicher Steuern noch zur Verfügung steht, für die Grundversicherung ausgeben muss.
Diese 6-Prozent-Limite blieb in nicht weniger als 12 Kantonen unerreicht. Besonders ärgerlich: Die Hälfte dieser Kantone, nämlich AG, BL, LU, SH, SO und ZH, verzichtete gleichzeitig darauf, die vom Bund zur Prämienverbilligung bereitgestellten Mittel voll auszuschöpfen.
Das ist zwar nicht verboten; die Kantone dürfen bis zu 50 Prozent der ihnen zustehenden Bundesbeiträge ausschlagen. So können sie den aus der eigenen Kasse beizusteuernden Betrag um denselben Prozentsatz reduzieren. Dass aber Kantone, in denen die Prämienverbilligung nicht im erwünschten Umfang greift, sich diese Regelung aus Spargründen zu Nutze machen, entspricht nicht der Absicht des KVG.
Das Gesetz sieht eine Kürzung der Mittel nämlich nur dann vor, «wenn die Prämienverbilligung für Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen trotzdem sichergestellt ist». In Zürich hat der Souverän jetzt den Kanton an der Urne verpflichtet, künftig mindestens 80 Prozent der Bundesbeiträge auszuschöpfen.
LU und BS lassen Berechtigte im Unklaren
Doch die «Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» haben je nach Wohnkanton noch weitere Ärgernisse zu gewärtigen. So hat die Studie des Instituts Interface, die sich gestützt auf die Situation in den Kantonen GE, NE, BS, ZH, LU und AR mit dem Vollzug der Prämienverbilligung auseinander setzt, unter anderem ergeben:
- In den Kantonen LU und BS haben 20 bis 25 Prozent jener Personen, die möglicherweise Anrecht auf eine Prämienverbilligung haben, bisher keinen entsprechenden Antrag gestellt. In den übrigen untersuchten Kantonen liegt dieser Anteil unter 5 Prozent.
Hauptgrund: LU und BS informieren als einzige Kantone in der Schweiz potenziell anspruchsberechtigte Personen nicht individuell. Alle anderen untersuchten Kantone wenden sich mit einem persönlichen Schreiben an jene Versicherten, die aufgrund ihrer Steuerdaten zum Kreis der Bezüger gehören könnten; in NE und ZH erfolgt gar die Auszahlung der Prämienverbilligung automatisch.
- In den Kantonen GE und ZH beziehen vier Fünftel der Jugendlichen in Ausbildung (19- bis 25-Jährige) eine Prämienverbilligung. Das ist deutlich mehr als in den anderen Kantonen.
Hauptgrund: GE und ZH tun sich - vorab aus Verfahrensgründen - schwer, Personen auszusieben, die eigentlich nicht zur Zielgruppe gehören. Deshalb dürften in diesen Kantonen zahlreiche Jugendliche in Ausbildung eine Prämienverbilligung erhalten, obwohl sie - dank elterlicher Unterstützung - finanziell keineswegs darben müssen.
In NE, BS und GE sind Anträge immer möglich
Im Übrigen aber hält die Interface-Studie klar fest, «dass der Bezug von Prämienverbilligung durch Personen, welche nicht in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen leben, im Allgemeinen quantitativ unbedeutend ist».
- In den Kantonen NE, BS und GE können Versicherte während des ganzen Jahres einen Antrag auf Prämienverbilligung einreichen. Damit entsprechen diese Kantone dem Willen des Bundes punkto Aktualität der Bemessungsgrundlage sehr gut. Das KVG will nämlich, dass die Kantone «die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse» der Versicherten berücksichtigen, wenn sie über deren Anspruch auf Prämienverbilligung entscheiden.
In den übrigen untersuchten Kantonen sind Anträge meist nur bis zu einem bestimmten Datum möglich. Das hat zur Folge, dass Veränderungen wie die Geburt eines Kindes oder der Eintritt ins Rentenalter, die nach diesem Termin eintreten, erst im nächsten Jahr ins Gewicht fallen. Viele Versicherte sind deshalb gezwungen, die Prämie zu bevorschussen - obwohl das KVG explizit fordert, «dass die anspruchsberechtigten Personen ihrer Prämienzahlungspflicht nicht vorschussweise nachkommen müssen».
Vor diesem Hintergrund zieht der Leiter des Instituts Interface, Andreas Balthasar, einen klaren Schluss: «In manchen Kantonen gibt es punkto Prämienverbilligung erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten.» Wer wollte da noch widersprechen.
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Andreas Balthasar: «Die sozialpolitische Wirksamkeit der Prämienverbilligung in den Kantonen: Monitoring 2000» (Best.-Nr. 318.010.2/01d); Andreas Balthasar, Oliver Bieri, Cornelia Furrer: «Evaluation des Vollzugs der Prämienverbilligung» (Best.-Nr. 318.010.5/01d). Beide Studien sind erhältlich unter BBL/EDMZ 3003 Bern oder unter www.interface-politikstudien.ch
Diese Stellen geben Auskunft
1999 hat rund ein Drittel der Schweizer Wohnbevölkerung eine Prämienverbilligung erhalten. Wer im Einzelnen «beglückt» wird - das handhaben die Kantone unterschiedlich.
Diverse Kantone bestimmen den Kreis der Bezugsberechtigten zum Beispiel über einen Mindestprozentsatz, den die Prämie gemessen am jeweils massgeblichen Einkommen aufweisen muss. Andere Kantone wiederum definieren fixe Einkommensklassen, die einen Anspruch auf Prämienverbilligung begründen.
Wenn Sie daher wissen möchten, wie die Prämienverbilligung in Ihrem Kanton funktioniert und ob Sie selber bezugsberechtigt sind: Fragen Sie vor Ort nach.
- Wenden Sie sich an die zuständige Anlaufstelle Ihres Kantons. Diese finden Sie auf der folgenden Liste, die auf Angaben der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz beruht:
AG: Sozialversicherungsanstalt, Tel. 062 836 81 20
AI: Gesundheitsamt, Tel. 071 788 94 52
AR: Ausgleichskasse, Tel. 071 354 51 51
BE: Amt für Sozialversicherung, Tel. 0844 800 884
BL: Ausgleichskasse, Tel. 061 425 23 32
BS: Amt für Sozialbeiträge, Tel. 061 267 85 96
FR: Caisse de compensation, Tel. 026 305 52 52
GE: Service de l'assurance-maladie, Tel. 022 787 65 37
GL: Ausgleichskasse, Tel. 055 646 68 78
GR: Sozialversicherungsanstalt, Tel. 081 257 42 03
JU: Caisse de compensation, Tel. 032 952 11 11
LU: Ausgleichskasse, Tel. 041 375 08 60
NE: Service de l'assurance-maladie, Tel. 032 889 66 30
NW: Ausgleichskasse, Tel. 041 618 51 00
OW: Steuerverwaltung, Tel. 041 666 63 05
SG: Spitalamt, Tel. 071 229 35 74
SH: Sozialversicherungsamt, Tel. 052 632 61 49
SO: Ausgleichskasse, Tel. 032 686 22 67
SZ: Ausgleichskasse, Tel. 041 819 05 31
TG: Gesundheitsamt, Tel. 052 724 26 66
TI: Ufficio dell'assicurazione malattia, Tel. 091 821 93 15
UR: Amt für Gesundheit, Tel. 041 875 22 42
VD: Service des assurances sociales et de l'hospitalisation, Tel. 021 316 51 44
VS: Service de la santé publique, Tel. 027 606 49 43
ZG: Ausgleichskasse, Tel. 041 728 32 30
ZH: Stadt: Städtische Gesundheitsdienste, Tel. 01 216 20 76 Übrige Gemeinden: SVA Zürich, Tel. 01 448 50 00
- Erkundigen Sie sich auch bei Ihrer Krankenversicherung.
- Einige interessante Internet-Adressen mit Infos und Tipps zum Thema finden Sie unter www.ktipp.ch/verbilligung