Dicke Luft in frisch gestrichener Wohnung
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K-Tipp 7/2001
11.04.2001
Dispersionsfarben Konservierungsmittel können Allergien auslösen - Bundesamt für Gesund heit fordert Deklarationspflicht
Auch Farben ohne Lösungsmittel können bei empfindlichen Personen Hautausschläge und Atembeschwerden auslösen. Experten warnen: «Die ersten zwei Tage nach dem Anstrich sind besonders gefährlich.»
Pirmin Schilliger redaktion@ktipp.ch
Kosmetika, Duschgels oder Cremen, die so genannte Isothiazolinone (MCI) als Konservierungsm...
Dispersionsfarben Konservierungsmittel können Allergien auslösen - Bundesamt für Gesund heit fordert Deklarationspflicht
Auch Farben ohne Lösungsmittel können bei empfindlichen Personen Hautausschläge und Atembeschwerden auslösen. Experten warnen: «Die ersten zwei Tage nach dem Anstrich sind besonders gefährlich.»
Pirmin Schilliger redaktion@ktipp.ch
Kosmetika, Duschgels oder Cremen, die so genannte Isothiazolinone (MCI) als Konservierungsmittel enthalten, können Hautallergien auslösen. Die Hersteller müssen deshalb MCI auf der Verpackung deklarieren und einen Grenzwert einhalten. Dieser beträgt 15 Milligramm pro Kilo. Seit einigen Jahren verwenden die meisten Maler wasserlösliche Farben, die MCI als Konservierungsmittel enthalten. Diese ersetzen die Kunstharzlackfarben mit ihren umweltschädigenden Lösungsmitteln. Ökologisch ist das zwar ein Fortschritt, gesundheitlich allerdings bedenklich: «Wir haben damit ein Allergieproblem, das wir aus dem Kosmetikbereich kennen, plötzlich auch in der Wohnstube», sagt Markus Niederer vom Kantonalen Laboratorium Basel-Stadt. «Da gesamtschweizerisch etwa fünf Prozent der getesteten Patienten auf MCI sensibilisiert sind», so Niederer, «besteht möglicherweise ein grösseres Problem.»
Zusammen mit der Poliklinik für Allergische Krankheiten Basel hat Niederer deshalb das gesundheitliche Risiko in neu gestrichenen Wohnungen untersucht. Zur Beurteilung musste er sich auf provisorische Richtwerte einer deutschen Expertengruppe abstützen. In der Schweiz fehlen die gesetzlichen Grundlagen, welche die erlaubte Belastung von Innenräumen mit MCI regeln würden.
Schon geringe Belastung kann ein Risiko sein
In Deutschland gilt eine Konzentration von 0,5 Mikrogramm und mehr pro Kubikmeter Luft als gesundheitsgefährdend. Auch wer sich langfristig einer geringeren Belastung aussetzt, das heisst zwischen 0,05 und 0,5 Mikrogramm, geht allenfalls ein Risiko ein. Entwarnung geben die deutschen Experten erst ab einer Konzentration unter 0,05 Mikrogramm.
Insgesamt untersuchte das Laboratorium 42 Räume, die mit MCI-haltigen Farben frisch gestrichen worden waren. Resultat: Niederer und seine Mitarbeiter konnten MCI in «erheblichen, Allergie auslösenden Konzentrationen in der Luft» nachweisen.
Als besonders gefährlich entpuppten sich die ersten beiden Tage nach einem Anstrich. Da fanden sich in 15 Prozent der untersuchten Räume MCI-Werte von 0,5 Mikrogramm und mehr.
Diese Konzentration erzeugte bei einer Bewohnerin allergische Symptome. Sie bekam einen heftigen und hartnäckigen Hautausschlag und musste sich mit Medikamenten behandeln lassen. Auch vier Monate nach Beendigung der Malerarbeiten konnte sie sich jeweils nur kurz im neu gestrichenen Raum aufhalten.
Bei der Untersuchung zeigte sich: Je nach MCI-Dosierung ist mit grösseren oder kleineren Emissionen zu rechnen. Die Konzentration von MCI in der Luft war in 90 Prozent der Räume nach vier Wochen unter 0,2 Mikrogramm gesunken. Doch in vier Wohnungen blieb auch nach längerem Auslüften die Konzentration deutlich höher. Am extremsten belastet war eine Wohnung, die nach vier Monaten immer noch eine MCI-Belastung von 0,5 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft aufwies.
Der Allergologe Andreas Bircher vom Kantonsspital Basel rät: «Wer in einer frisch gestrichenen Wohnung an neu auftretenden, juckenden Hautausschlägen im Gesicht, an Vorderarmen oder an den Händen leidet, sollte zum Arzt gehen.» Zu den typischen Symptomen können weiter eine Reizung der oberen Luftwege, verbunden mit Husten gehören. Die allergischen Reaktionen liessen sich meist mit entzündungshemmenden Mitteln erfolgreich behandeln.
Deklarationspflicht und Grenzwert gefordert
Noch besser wäre es, die Ursachen zu bekämpfen. Für einen vorsorglichen Gesundheitsschutz wäre jedoch zumindest die Deklarationspflicht der MCI-Stoffe eine erste sinnvolle Massnahme. Dies und ein allfälliger Grenzwert, den es im Gegensatz zu den Kosmetika für die Farben noch nicht gibt, wird gegenwärtig in der EU diskutiert. «Die Schweiz strebt die gleiche Regelung an wie die EU», erklärt Roger Waeber von der Sektion Chemie und Toxikologie des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Sollte sich jedoch das Prozedere in der EU verzögern, werde die Schweiz «zu einem früheren Zeitpunkt eine eigene Regelung treffen».
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Bio- und Naturfarben als Alternativen
Frisch gestrichene Räume sollte man sicherheitshalber frühestens nach zwei Tagen beziehen. Und mindestens zwei Wochen lang regelmässig die Räume lange gut durchlüften.
- Auf MCI in der Raumluft sind in der Regel nur jene Personen allergisch, die sich ihre Allergie bereits früher zugezogen haben, zum Beispiel durch Kosmetika. Wer also um seine MCI-Allergie weiss, sollte nach Möglichkeit Farben mit anderen Konservierungsmitteln verwenden.
- Bio-Farben: Auf der Verpackung ist das verwendete Konservierungsmittel meistens deklariert. Allerdings handelt es sich auch bei diesen alternativen Konservierungsmitteln unter Umständen wieder um chemische Substanzen, die dem MCI sehr ähnlich sind.
- Naturfarben: Eine bessere Alternative sind Naturfarben, die ätherische Öle als Konservierungsmittel enthalten. Doch aufgepasst: Auch Bio- und Naturfarben können Allergien auslösen. Allergiker sollten also ganz genau wissen, auf welche Stoffe sie reagieren.
- Falls Sie zwei Tage nach einem Anstrich einen kleinen Hautausschlag bekommen, ist das noch nicht alarmierend. Wer aber nach zehn Tagen immer noch gesundheitliche Probleme hat, sollte den Arzt konsultieren und sich ans Kantonale Laboratorium wenden, um allenfalls die MCI-Konzentration in der Luft messen zu lassen.
- Weitere Informationen und nützliche Adressen liefert die WWF-Broschüre «Schonend Wohnen»; zu beziehen für 15 Franken beim WWF, Tel. 01 297 21 21.