Die harte Tour der CSS
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Als Krankenkasse gibt sich die CSS familienfreundlich. Als Unfallversicherer operiert sie mit fragwürdigen Methoden und fadenscheinigen Argumenten.
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K-Tipp 9/2003
07.05.2003
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Der Unfall passierte im Juni 1996. Die damals 34-jährige Lucia Haas (Name geändert) war zu Fuss unterwegs und wurde von einem Mofafahrer gerammt. Der Täter flüchtete unerkannt, nachdem er im Vorbeifahren mit seinem Arm an den Hals der Passantin geschlagen hatte.
Die medizinischen Folgen der Attacke sind für Lucia Haas gravierend. Sie erlitt ein schweres Trauma der Halswirbelsäule und hat seither anhaltende Schmerzen im Nacken- und Hinterkopfbereich. In einem Gutachten ist vo...
Der Unfall passierte im Juni 1996. Die damals 34-jährige Lucia Haas (Name geändert) war zu Fuss unterwegs und wurde von einem Mofafahrer gerammt. Der Täter flüchtete unerkannt, nachdem er im Vorbeifahren mit seinem Arm an den Hals der Passantin geschlagen hatte.
Die medizinischen Folgen der Attacke sind für Lucia Haas gravierend. Sie erlitt ein schweres Trauma der Halswirbelsäule und hat seither anhaltende Schmerzen im Nacken- und Hinterkopfbereich. In einem Gutachten ist von zusätzlichen «blitzartig einschiessenden» Schmerzen die Rede.
Das alles beeinträchtigt Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis von Lucia Haas und schlägt ihr auf die Psyche.
Im jüngsten medizinischen Bericht vom März 2003 kommt ein Psychiater zum Schluss, Haas sei zu 75 Prozent arbeitsunfähig. Und selbst für die restlichen 25 Prozent sei sie wegen der Schmerzattacken in einem Job «nicht zuverlässig bzw. regelmässig einsetzbar». Einen ähnlichen Befund ergab ein Gutachten schon 2001.
Das alles hinderte CSS-Mitarbeiter nicht, Versicherungsbetrug zu wittern. Die CSS Versicherungen AG ist die Unfallversicherung von Haas; ihr früherer Arbeitgeber hatte also die obligatorische Betriebs-Unfallversicherung hier abgeschlossen.
Der Hintergrund: Es geht um viel Geld
Einzelne CSS-Mitarbeiter tun sich schwer mit der Versicherten Haas. Der Gipfel: In einem internen Mail schreibt Mitarbeiter J. S. seiner Kollegin P., die Frau «geht's mir langsam auf den Wecker»; er wolle «Ihr ein Detektiv "am Füdli" senden» (der Mitarbeiter ist französischer Muttersprache).
Solche Mails zeugen von einer äusserst bedenklichen Haltung der zuständigen Schaden-Sachbearbeiter gegenüber den Anspruchsberechtigten.
Das ist noch nicht alles. Gemäss einem Schriftstück, das dem K-Tipp ebenfalls vorliegt, meldeten sich CSS-Mitarbeiter unter fremdem Namen bei der Versicherten - offenbar, um sie zu bespitzeln.
So erstaunt es denn nicht, dass sich in einer weiteren verräterischen Aktennotiz die handgeschriebene Bemerkung «Versicherungsbetrug?» findet.
Der Hintergrund dieses unwürdigen Verhaltens: Es geht um viel Geld. Laut Unfallgesetz haben Erwerbsunfähige eine lebenslange Rente zugut - abhängig vom bisherigen Verdienst und vom Grad der Invalidität.
Auf die CSS kommen also Rentenleistungen in der geschätzten Höhe von 550000 Franken zu.
Die Haltung der CSS ist in diesem Fall auch widersprüchlich: Zwar zahlt sie bis heute anstandslos Taggelder und auch eine Integritätsentschädigung wurde ausgerichtet - doch eine Rente will sie nicht zahlen.
Und das, obwohl die staatliche Invalidenversicherung seit vier Jahren eine Rente zahlt, die auf der Annahme beruht, dass Haas zu 100 Prozent erwerbsunfähig ist.
«Die CSS schikaniert meine Mandantin», ist Dominik Frey aus Baden AG, der Anwalt von Haas, überzeugt.
Sein Fazit: «Viele Unterstellungen, Vermutungen und Anspielungen, aber keine stichhaltigen Beweise zum angeblichen Versicherungsbetrug.»
«Das Vorgehen ist nicht Stil der CSS»
Anlass für den Betrugsverdacht war ein Auto-Selbstunfall, den Lucia Haas im September 2002 baute. Intern kursierte bei der CSS anschliessend die Meinung, die Fahrerin habe auf einem Feld ausgerechnet den einzigen Baum «getroffen», und das mache sie verdächtig. In Tat und Wahrheit geschah der Unfall in einem Wäldchen.
Fazit von Anwalt Frey: «Dass die CSS als Unfallversicherer nicht mehr Objektivität wahrt und die ausgewiesenen Leistungsansprüche von Versicherten mit derartig fragwürdigen Methoden bekämpft, erscheint mir doch sehr bedenklich.»
Bei der CSS hat der Fall hohe Wellen geworfen - bis hinauf in die Teppichetage.
Der oberste Chef, Georg Portmann, liess dem K-Tipp ausrichten: «Das Vorgehen in diesem Fall ist nicht Stil der CSS; ich werde dafür sorgen, dass unsere Kunden in Zukunft nicht mehr so behandelt werden» Und: «Ich garantiere, dass der Fall Haas ab sofort nach rein sachlichen Kriterien behandelt wird.» Er prüfe «intern personelle und organisatorische Konsequenzen».
Im Übrigen sei kein Detektiv beauftragt worden.