Die Mätzchen der Krankenkassen
Inhalt
K-Tipp 18/2001
31.10.2001
So lassen Kassen ihre Kunden in die Falle laufen
In der Eigenwerbung geben sich die Kassen gerne kundenfreundlich. Der Alltag sieht oft anders aus: Der K-Tipp zeigt Müsterchen aus dem Sündenregister der Krankenkassen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Groupe Mutuel verschaukelt die eigene Kundschaft
Das Ringen der Krankenkassen um zusätzliche Prämienzahler hat eine neue Wortschöpfung hervorgebracht: «caisse d'attaque», auf De...
So lassen Kassen ihre Kunden in die Falle laufen
In der Eigenwerbung geben sich die Kassen gerne kundenfreundlich. Der Alltag sieht oft anders aus: Der K-Tipp zeigt Müsterchen aus dem Sündenregister der Krankenkassen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Groupe Mutuel verschaukelt die eigene Kundschaft
Das Ringen der Krankenkassen um zusätzliche Prämienzahler hat eine neue Wortschöpfung hervorgebracht: «caisse d'attaque», auf Deutsch Kampfkasse.
Der Begriff stammt von den Marketingstrategen der Groupe Mutuel.
Die Groupe Mutuel ist eine Vereinigung von 16 einzelnen Kassen, bei denen die Grundversicherung unterschiedlich viel kostet. Die «Kampfkasse» ist in der Regel die günstigste - und mit diesem Billigangebot kämpft die Groupe Mutuel um neue Versicherte und «attackiert» so die Konkurrenz.
Mit anderen Worten: Wer als Neukunde zur Groupe Mutuel stösst, wird mit grosser Sicherheit in eine Kasse eingeteilt, bei der die Grundversicherung innerhalb des Verbandes am günstigsten ist; die Zusatzversicherungen sind überall gleich.
Die bekanntesten Mutuel-Kassen heissen Avenir, Futura, Hermes, SKBH/CMBB, Universa sowie neuerdings auch Caisse Vaudoise. Umgekehrt heisst das aber: Bei der Groupe Mutuel gibt es unzählige Versicherte, die nicht bei der billigsten Kasse sind und so gesehen für die Grundversicherung zu viel zahlen.
Beispiel Hinwil ZH: Wer dort im Jahr 2002 bei der Mutuel-Kasse SKBH/CMBB versichert ist, zahlt im Monat Fr. 270.80 (mit Unfall und Franchise 230.-).
Bei der Futura kostet das Gleiche Fr. 195.80. Das ergibt ein Sparpotenzial von immerhin 900 Franken im Jahr. Gemäss Angaben des Bundesamtes für Sozialversicherung hat die teure SKBH/CMBB im Kanton Zürich 1156 Versicherte.
Die SKBH/CMBB-Versicherten dürfen sich von der Groupe Mutuel mit Recht verschaukelt fühlen - und mit ihnen viele andere Mutuel-Versicherte. Richard Eisler vom Internet-Vergleichsdienst comparis.ch schätzt, dass alle Mutuel-Versicherten zusammen pro Jahr 120 bis 150 Millionen zu viel zahlen.
Die Groupe Mutuel sagt, diese Schätzung sei falsch. Eine andere Zahl hat sie dem K-Tipp aber nicht genannt.
Besonders stossend ist aber, dass die Mutuel-Verantwortlichen ihre Kundschaft noch nie auf diese Sparmöglichkeit innerhalb des gleichen Konglomerats aufmerksam gemacht haben. Und sie haben ihren Kunden nie aktiv die Möglichkeit angeboten, innerhalb der Gruppe die Grundversicherung zu zügeln und so Prämien zu sparen. Pressesprecher Jean-Michel Bonvin sagte am Telefon zum K-Tipp unverblümt: «Das wünschen wir nicht.»
- Deshalb der Tipp für die Mutuel-Versicherten, die beim Verbund bleiben, aber günstiger versichert sein wollen: Sie müssen das Heft selber in die Hand nehmen und herausfinden, welches die billigste Kasse innerhalb der Gruppe ist (die Zusatzversicherungen bleiben davon unberührt). Möglich ist das mit dem Talon der K-Tipp-Krankenkassen-Aktion auf Seite 11 oder via Internet auf den Seiten www.comparis.ch oder www.vzonline.ch
Um die Kasse innerhalb der Mutuel-Gruppe zu wechseln, müssen Sie einen Kündigungsbrief und eine Anmeldung separat schicken. Der K-Tipp hatte die Mutuel-Verantwortlichen gefragt, ob das nicht in einem Brief gehe, weil ja alle 16 Kassen in Martigny zu Hause sind und die gleiche Adresse haben. Die wenig entgegenkommende Antwort aus Martigny: «Wir wenden die üblichen Regeln an, welche auch vom Gesetz vorgesehen sind.» Fazit: Man muss zwei Briefe schreiben.
Übrigens: Wer von diesen «hemdsärmeligen» und «schlitzohrigen» Machenschaften der Groupe Mutuel (so die «Bilanz») genug hat, wechselt gleich in eine komplett andere Kasse - und spart so oft noch mehr Geld als mit der billigsten Mutuel-Kasse.
Helsana Verschleiert Kündigungsrecht in den Zusätzen
Bezüglich der Grundversicherung verpflichtet das Gesetz die Krankenkassen ausdrücklich, bei der Mitteilung der neuen Prämie die Versicherten auf ihr Kündigungsrecht aufmerksam zu machen. Bei den freiwilligen Zusatzversicherungen gibt es eine solche ausdrückliche Verpflichtung nicht.
Kundenfreundliche Krankenkassen machen aber ihre Versicherten dennoch darauf aufmerksam, dass Prämienerhöhungen in der Zusatzversicherung ein sofortiges Kündigungsrecht per Ende Jahr auslösen (wie beispielsweise die Swica).
In den aktuellen Prämienunterlagen der Helsana hingegen fehlt ein Hinweis auf das kurzfristige Kündigungsrecht infolge Prämienerhöhung. Im Gegenteil: In den mitgelieferten Kundeninformationen («Unbedingt reinschauen») steht, die Zusatzversicherungen seien «jeweils bis 30. 9. kündbar».
Helsana-Kunden könnten also durchaus den Eindruck erhalten, ihre Absprungschance sei schon vorbei.
Den Vorwurf, ihren Kunden das kurzfristige Kündigungsrecht infolge Prämienerhöhung bewusst verschwiegen zu haben, will die Helsana jedoch nicht auf sich sitzen lassen. Dieses Kündigungsrecht stehe in den allgemeinen Versicherungsbedingungen, und die seien «jedem Versicherten zugegangen».
- Tipp für Helsana-Versicherte: Die Helsana hat den Rabatt für das Sparmodell «Second Opinion» in den Spital-Zusatzversicherungen von 10 auf 7 Prozent gekürzt. Auch diese Verschlechterung für die Kundinnen und Kunden gibt ein verkürztes Kündigungsrecht - selbst wenn die Helsana diese Kürzung den Kunden ebenfalls verschweigt.
Swica verärgert Kunden von Naturheilern
Zuerst ein attraktives Angebot machen, dann den Kunden vorwerfen, sie hätten es zu ausgiebig benutzt, und anschliessend die Prämie erhöhen: Nach diesem Motto hat die Swica ihre Bedingungen für die Zusatzversicherung «Completa Top» massiv verschärft. Diese Zusatzversicherung zahlt unter anderem Behandlungen bei Naturheilern (Erfahrungsmedizin).
Der Swica-Completa-Top-Zusatz wird einerseits im Jahr 2002 teurer. Andererseits müssen Swica-Versicherte künftig auch massiv mehr selber zahlen: Bei Behandlungen durch Naturheiler beträgt der entsprechende Selbstbehalt (die Swica nennt ihn Franchise) neu happige 600 Franken, nachdem er bisher bei 230 Franken lag.
Immerhin hat die Swica ihre Versicherten klar über diese Änderungen informiert und sie gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass eine solche Prämienerhöhung beziehungsweise Verschärfung der Bedingungen ein ausserordentliches Kündigungsrecht auslöst; die Swica-Kunden können noch bis Ende Jahr den betreffenden Zusatz kündigen.
- Tipp für Swica-Kunden: Wer Leistungen aus der Grundversicherung bezogen hat und dort schon etwas an die obligatorische Franchise bezahlt hat, muss den entsprechenden Franchisen-Anteil in der Zusatzversicherung nicht mehr zahlen.
Das gilt auch für Swica-Zusatzversicherte, welche die Grundversicherung bei einer anderen Kasse haben. Sie müssen also ihre Grundversicherungs-Abrechnungen der Swica schicken und so sicherstellen, dass sie bei der Zusatzversicherung keine oder nur noch einen Teil der Franchise zahlen müssen.
Diese Franchisen-Regelung in der Zusatzversicherung ist eine Swica-Spezialität.
Die Swica hat für ihre Versicherten noch weiteren Ärger parat: 1996 führte sie Santé Bonus ein, das heisst eine finanzielle Belohnung für Kunden mit Zusatzversicherung, die längere Zeit keine Leistungen beziehen.
Noch 1999 prahlte die Swica in ganzseitigen Zeitungsinseraten, sie habe 41 Millionen an ihre Versicherten ausgezahlt.
Nun schreibt Generaldirektor Hans-Ueli Regius in den aktuellen Kundeninformationen verschämt: «Ab 2002 bieten wir das bisherige Santé-Bonus-Belohnungssystem nicht mehr an.»
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Neue Zusatzversicherungen - ohne Wunsch des Kunden
Das ärgert viele Krankenkassen-Kunden: Plötzlich haben sie auf ihrem Ausweis für das nächste Jahr eine neue Zusatzversicherung, die sie nicht beantragt haben und auch gar nicht wünschen.
Die Praxis der Krankenkassen, den Kunden ungefragt neue Zusatzversicherungen auf die Police zu schreiben, ist inzwischen weit verbreitet - sowohl bei grossen Kassen wie der Helsana als auch bei kleinen wie der BKK Heerbrugg.
- Tipp: Prüfen Sie die neue Police genau und melden Sie sich umgehend, falls Sie mit dem Vorschlag der Krankenkasse nicht einverstanden sind.