Die Sex-Falle schnap pt oft unbemerkt zu
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K-Tipp 4/2002
20.02.2002
Internet: Peter Freiburghaus vom Duo Fischbach wird Opfer teurer 0906er-Verbindungen - Kosten: rund 2200 Franken
Auf Internet-Sexseiten in die Kostenfalle zu tappen ist leichter, als man denkt. Weit schwieriger wirds, wieder herauszukommen. Der K-Tipp sagt, was Sie tun können.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Er ist weiss Gott nicht der Erste, dem das passiert: Peter Freiburghaus, der als schrullignaiver Ernst Fischbach an der Seite seiner knorrigrab...
Internet: Peter Freiburghaus vom Duo Fischbach wird Opfer teurer 0906er-Verbindungen - Kosten: rund 2200 Franken
Auf Internet-Sexseiten in die Kostenfalle zu tappen ist leichter, als man denkt. Weit schwieriger wirds, wieder herauszukommen. Der K-Tipp sagt, was Sie tun können.
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Er ist weiss Gott nicht der Erste, dem das passiert: Peter Freiburghaus, der als schrullignaiver Ernst Fischbach an der Seite seiner knorrigrabiaten Partnerin Lilian Fischbach (Antonia Limacher) erfolgreich über Schweizer Kabarettbühnen stolpert, hat bei einem Ausflug ins Internet einen Schuh voll rausgezogen.
Freiburghaus hat nämlich, ohne sich dessen bewusst zu sein, von Erotik-Seiten so genannte Dialer auf seinen Computer heruntergeladen - und sich damit für den vergangenen Dezember Telefonkosten von fast 2200 Franken eingehandelt.
Dialer sind Wählprogramme, mit denen vorab Sexseiten-Betreiber im Internet den Surfern Zugang zu bestimmten Inhalten ermöglichen. Sie kappen die Internet-Verbindung über die übliche Einwählnummer und stellen sie meist via 0906er-Nummer wieder her; solche Nummern können Kosten bis zu 10 Franken pro Minute verursachen.
Gravierend wirds dann, wenn eine teure Dialer-Verbindung unbemerkt weiterläuft, obwohl der Surfer die kostenpflichtigen Angebote längst verlassen hat und «gewöhnliche» Internet-Seiten besucht. Genau das könnte bei Peter Freiburghaus der Fall gewesen sein: Gemäss seiner Dezember-Telefonrechnung bestanden die 0906er-Verbindungen während achteinhalb Stunden. Freiburghaus selber hat aber nach eigenen Angaben nicht länger als insgesamt zwei bis drei Stunden versucht, ein Erotik-Video zu starten - und das erst noch vergeblich.
Dialer operieren häufig illegal
«Sicher, ich bin das Ganze stümperhaft angegangen», sagt Freiburghaus. «Aber das ist es ja gerade: Die Anbieter nützen solche Unwissenheit schamlos aus.» Und die Telefongesellschaften würden dazu auch noch Hand bieten, ja daran sogar mitverdienen. «Das ist in höchstem Masse stossend», ärgert sich Freiburghaus.
Der Zuger Anwalt Oliver Sidler, Experte für Medien- und Telekommunikationsrecht, sieht das ähnlich: «Aus Konsumentensicht wäre es wünschenswert, dass die Telefonfirmen wesentlich stärker auf die Seriosität der Dialer-Verwendung achteten.» Rechtlich allerdings seien sie nur schwer belangbar.
Zwar verstösst es laut Sidler gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und gegen Artikel 147 des Strafgesetzbuches (betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage), wenn ein Dialer im Verborgenen weiterläuft, nachdem der Internet-Surfer die kostenpflichtigen Seiten verlassen hat. Das gilt auch, wenn sich der Dialer auf dem Computer unbemerkt gar als Standardverbindung installiert und alle Internet-Ausflüge über eine teure 0906er-Nummer führt.
Schuldig aber machen sich in solchen Fällen primär der Anbieter des Dialers und/ oder der Betreiber der Internet-Sexseite, auf welcher der Dialer zum Einsatz kommt, so Sidler weiter. Diese können, müssen jedoch nicht identisch sein. Vor allem aber sind sie oft irgendwo im Ausland domiziliert und deshalb «straf- und zivilrechtlich nur mit hohem Kosten- und Zeitaufwand verfolgbar», wie Markus Meyer, Fürsprecher in Langenthal und Experte für Rechtsinformatik, ergänzt.
Die Telefongesellschaft, über welche die 0906er-Nummer läuft, ist so lange fein raus, wie sie von den Machenschaften der Anbieter keine Kenntnis hat. Sidler: «Sie macht sich allenfalls der Gehilfenschaft schuldig - aber nur, wenn sie von der widerrechtlichen Dialer-Verwendung weiss.»
Inhaber der Nummern bleiben geheim
Im Falle von Peter Freiburghaus waren 0906er-Nummern im Spiel, die bei Sunrise beziehungsweise SmartPhone geschaltet sind. Die Swisscom nimmt hier «nur» das Inkasso vor, zu dem sie gemäss Sprecher Christian Neuhaus verpflichtet ist. Im Übrigen verweist sie Freiburghaus an Sunrise und SmartPhone - beide aber geben Namen und Adressen der Nummern-Inhaber «aus datenschutzrechtlichen Gründen» nicht bekannt.
Was jetzt? Freiburghaus könnte trotzdem Strafanzeige gegen die Anbieter der Dialer beziehungsweise die Betreiber der Erotik-Seiten erstatten. Deren Identität zu klären wäre dann Sache der Behörden. Fürs Erste hat Freiburghaus sich entschlossen, einstweilen nur den unbestrittenen Teil seiner Dezember-Telefonrechnung zu bezahlen und abzuwarten, was passiert. «Wer weiss», sagt er, «vielleicht zeigen sich Swisscom und Co. zum Schluss ja kulant.»
Wie es geschah - «Bin ich denn dümmer als erlaubt?»
Wer auf Erotik-Seiten surft, sollte vorsichtig sein. Ein unbedachter Mausklick - und schon kanns teuer werden. Ernst Fischbach (alias Peter Freiburghaus, 55) weiss davon ein Lied zu singen:
Wie das Ganze passiert ist? Tja... also: Ich bin auf der Homepage der Swisscom-Tochter Bluewin beim Angebot "Neu: Erotik" hängen geblieben. Ich klicke darauf und sage mir: Schau ich doch mal so ein Filmchen an. Also klicke ich wieder und wieder, und irgendwann kommt so ein kleines rosarotes Feld, wo ich eingeben muss, dass ich schon 18-jährig bin...
Dort steht auch etwas von 4 Franken pro Minute - jedoch nicht, ab wann es so viel kostet. Dann muss ich etwas herunterladen, was ich auch mache, weil es ja heisst, der Download sei gratis. Dann ladet es und ladet es und ladet es. Die Zeit läuft, ich denke mir nichts Böses, da es ja gratis sein soll.
Endlich kommt etwas, viele Szenen und Bilder, und überall flimmerts: "Hier klicken, sofort ficken, supergeiler Direkteinstieg" und wer weiss, was sonst noch. Ich wähle "immerfeuchte Schlampen" oder so.
Nach einer Weile kommt die Frage, wie ich denn das anschauen wolle, und ich erhalte zwei Möglichkeiten zur Wahl, die ich beide nicht verstehe. Ich klicke auf die erste - nichts passiert. Also wähle ich die zweite Variante, und wieder beginnt etwas endlos zu laufen. Ich füttere den Hund, die Katzen, geh aufs Klo und putze die Zähne. Ich komme zurück - und jetzt heissts auf dem Bildschirm: "Diese Site kann nicht angezeigt werden."
Ich unterbreche die Verbindung und denke, was bin ich doch für ein Banause! Jetzt habe ich diesen Laptop schon drei Jahre und bin nicht einmal im Stande, mir darauf ein Sexfilmchen anzusehen, das darf doch nicht wahr sein, bin ich denn dümmer als erlaubt?
Der Grind gibt es mir nicht zu und ich gehe erneut dahinter. Wobei ich mir schwöre, dass ich nach den ersten Zuckungen eines laufenden Videos sofort unterbrechen werde. Ich bin ja nicht blöd, 4 Franken pro Minute - dafür kann ich mir zu einem 25-fränkigen Pay-TV-Film auch gleich noch ein Vierstern-Hotelzimmer leisten. Aber wissen, wie es gemacht wird, das will ich, wer bin ich denn!
Tja, was soll ich sagen: Den Video-Film habe ich nie auf meinen Bildschirm bekommen. Dafür eine 2200-Franken-Rechnung von der Swisscom in meinen Briefkasten.
Zahlen Sie nur den unbestrittenen Teil der Rechnung
Was kann man tun, wenn sich auf der Telefonrechnung Kosten finden, für die möglicherweise widerrechtlich operierende Dialer verantwortlich sind? Juristen empfehlen:
- Sichern Sie allfällige Beweise. Ziehen Sie einen Spezialisten bei, der Daten und Programme auf Ihrem Computer prüft und einen genauen Bericht erstellt. Oder verzichten Sie - falls das möglich ist - auf die Benutzung Ihres Computers, bis die Sache geklärt ist.
- Fechten Sie die Rechnung an und bezahlen Sie nur den unbestrittenen Teil (ohne den Betrag für 0906er-Verbindungen). Die Swisscom darf Ihnen dann den Anschluss nicht sperren, da sie die Grundversorgung garantieren muss. Der Telefonriese bestätigt das: Artikel 27 der neuen Fernmeldedienst-Verordnung lasse eine Totalsperre in solchen Fällen nicht mehr zu; man installiere jeweils nur noch das Sperrset für Verbindungen auf 0906er-Nummern.
- Reichen Sie Strafanzeige ein.
- Wenn die Telefongesellschaft an Ihrer Rechnung festhält und Sie schliesslich wegen der nicht bezahlten 0906er-Verbindungen betreibt, können Sie Rechtsvorschlag erheben. Dann kommts zur Klärung vor Gericht.
- Am besten ist ohnehin, wenn Sie gar nie in die Dialer-Falle tappen. Der K-Tipp hat schon mehrmals auf Schutzmassnahmen hingewiesen (K-Tipp 7/00, 13/01, 17/01). Informationen www.ktipp.ch/gebuehren