Das Ehepaar S. aus W. sitzt tief in der Tinte. Die beiden hatten Drogenprobleme, ihre Schulden belaufen sich auf 230000 Franken. Weil der Ehemann Verkehrsbussen von 8700 Franken nicht zahlen kann, droht ihm Gefängnis. Dadurch würde er seine jetzige Stelle verlieren.

Das alles steht in einem Bettelbrief, den der Vormund Günther Stahl von der Amtsvormundschaft des Bezirks Baden an 72 Empfänger in der ganzen Schweiz verschickt hat - und zwar mit den vollständigen Namen seiner Klienten und etlichen weiteren persönlichen Angaben, etwa den detaillierten Zahlungsausständen bei den Krankenkassen.

Die Briefe gingen an Hilfswerke, aber auch an Zeitungsredaktionen, Banken, Versicherungen, Autoimporteure und Zünfte.

Damit hat der Badener Amtsvormund zünftig danebengegriffen. Der Berner Fachmann für Schuldensanierung Mario Roncoroni sagt, das ungewöhnliche Vorgehen sei «unorthodox».

Deutlicher wird Rosann Waldvogel, die Direktorin der Sozialen Dienste der Stadt Zürich: «Mit der Verbreitung solcher persönlicher Daten verletzt dieser Beistand klar das Amtsgeheimnis.»
Die Aufsicht über den forschen Amtsvormund liegt beim Badener Bezirksamtmann Stefan Kalt. Er sieht keinen Anlass, den «engagierten Amtsvormund» zu rüffeln. Und Günther Stahl selber betont, seine Klienten hätten den Bettelbrief gesehen und seien einverstanden gewesen. Immerhin habe er keine Angaben über ihren Gesundheitszustand gemacht.

(em)