Rückforderung eines Prozesskosten-Vorschusses: Kanton Bern lag falsch.
Sieben Briefe hat Frau L. aus K. (Name der Redaktion bekannt) in den vergangenen zwei Jahren von der Kantonalen Staatskasse Bern erhalten. Den letzten mit der Drohung, man werde sie betreiben, falls sie nicht innert 20 Tagen Fr. 18001.35 überweise. Was war geschehen? L. hatte sich vor neun Jahren gegen das Ansinnen ihres Ex-Ehemannes gewehrt, die Alimente für die damals sechsjährige Tochter Manuela von 520 auf 300 Franken pro Monat herabzusetzen. Für diesen Rechtsstreit kam die allein erziehende und mittellose Mutter in den Genuss der unentgeltlichen Prozessführung (siehe Kasten).
"Wir bedauern die falschen Ausführungen" Doch ihr Kampf nützte nichts. Die Kinderalimente wurden gekürzt, die Kosten von Gericht und Anwalt beliefen sich auf gut 18000 Franken. L. musste vorübergehend den Gang zum Fürsorgeamt antreten. Und nun kommt der Kanton Bern und verlangt die Prozesskosten zurück. Er stützt sich dabei auf eine Bestimmung in der Zivilprozessordnung, wonach bevorschusste Prozesskosten zurückzuerstatten sind, wenn die unterstützte Person "innerhalb von zehn Jahren seit der Rechtskraft des Urteils zu hinreichendem Vermögen oder Einkommen gelangt". Bloss: L. verdiente all die Jahre unter 3000 Franken im Monat - ein Betrag, der für sie und Manuela knapp zum Überleben reichte. Die Berner Staatskasse, eine Abteilung der kantonalen Steuerverwaltung, kümmerte das nicht. Sie fand eine neue Begründung für ihre Forderung: L., seit 1994 wieder verheiratet, habe "Anspruch auf einen Anteil an der Errungenschaft". Im Klartext: Der neue Ehemann müsse mithelfen, die vorehelichen Schulden seiner Frau zu begleichen. Ein starkes Stück, denn die Errungenschaft, also der Vermögenszuwachs während der Ehe, kommt immer erst ins Spiel, wenn sich die Partner scheiden lassen oder einer von beiden stirbt. Vorher existiert kein solcher Anspruch.
Das weiss auch die Berner Steuerverwaltung. "Wir bedauern, dass die Ausführungen der Staatskasse in diesem Punkt falsch waren", entschuldigt sich Fürsprecher Markus Langenegger, Vorsteher der Abteilung Steuerbezug, für seinen Sachbearbeiter. Die Staatskasse wird nun laut Langenegger "mit Hilfe von Frau L. klären, inwiefern eine Rückzahlung der 18000 Franken zumutbar ist". Dabei müsse allerdings berücksichtigt werden, dass die Lebenshaltungskosten einer verheirateten Person tiefer seien als diejenigen einer allein stehenden. Solche gründlichen Abklärungen seien im Kanton Bern nur in 10 bis 20 Fällen pro Jahr notwendig, erklärt Langenegger. Das erstaunt, denn sein Amt durchforstet alljährlich die Steuerdaten von mehreren tausend Personen, die in den letzten zehn Jahren auf Staatskosten einen Prozess führen konnten, nach neuem Einkommen oder Vermögen. Aufgrund dieser Nachforschungen erhalten dann etwa 500 Personen eine schriftliche Aufforderung, die Kosten zurückzuerstatten.
Nur wenig Geld fliesst zum Staat zurück Die Ausbeute dieses Vorgehens ist freilich gering: Von den 35,6 Millionen Franken, die der Kanton Bern zwischen 1989 und 1999 für unentgeltliche Prozessführungen ausgab, kamen nur 0,7 Millionen wieder herein. Das Ergebnis dürfte in anderen Kantonen ähnlich dürftig sein, denn die Voraussetzungen für eine Rückforderung gleichen sich. So verlangen die Kantone Aargau, Luzern und Zürich den Kostenvorschuss zurück, wenn die unterstützte Person "in günstige wirtschaftliche Verhältnisse kommt". Und die St. Galler müssen in den sauren Apfel beissen, wenn ihre wirtschaftlichen Verhältnisse "es gestatten". Bei welchem Einkommen das der Fall ist, weiss niemand so genau. Das sei eine Frage der Auslegung, heisst es. Oder wie Markus Langenegger in bestem Berndeutsch sagt: "Mir luege, obs längt."
Kasten: Tipps
In diesen Fällen zahlt der Staat Die meisten Kantone gewähren die unentgeltliche Prozessführung unter folgenden Bedingungen: o Dem Gesuchsteller fehle