«Eigenbedarf ist oft Ausrede»
Der Schreck ist gross, wenn der Vermieter die Wohnung kündigt. Doch nicht jede Kündigung ist rechtens - und die Begründung «Eigenbedarf» oft nur vorgeschoben.
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K-Tipp 18/2002
30.10.2002
Gery Schwager gschwager@ktipp.ch
Der Trend ist klar: Insgesamt 550 Personen haben letztes Jahr bei der telefonischen Rechtsberatung des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes Deutschschweiz (MV) um Hilfe gebeten, weil ihnen die Wohnung gekündigt wurde. Das sind rund doppelt so viele wie 1997.
Ähnlich sieht es bei den Schlichtungsbehörden aus. Sie hatten im ersten Halbjahr 2002 nach Angaben des Bundesamts für Wohnungswesen 2776 Fälle zum Thema Kündigungsschutz zu bearbeiten. Im zweiten Halbjahr 199...
Der Trend ist klar: Insgesamt 550 Personen haben letztes Jahr bei der telefonischen Rechtsberatung des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes Deutschschweiz (MV) um Hilfe gebeten, weil ihnen die Wohnung gekündigt wurde. Das sind rund doppelt so viele wie 1997.
Ähnlich sieht es bei den Schlichtungsbehörden aus. Sie hatten im ersten Halbjahr 2002 nach Angaben des Bundesamts für Wohnungswesen 2776 Fälle zum Thema Kündigungsschutz zu bearbeiten. Im zweiten Halbjahr 1997 waren es erst 1742 Fälle gewesen.
Weshalb diese Zunahme? «In Zeiten von Wohnungsknappheit werden Vermieterkündigungen vermehrt angefochten - nur schon, um Zeit für die Wohnungssuche zu gewinnen», sagt Bruno Hediger, Mietgerichtspräsident am Bezirksgericht Zürich.
Die Ursachen für die Zunahme sind unklar
Offen ist für Hediger dagegen, ob in Zeiten der Wohnungsknappheit Vermieter schneller eine Kündigung aussprechen, um missliebige Mieter loszuwerden oder Mietzinserhöhungen durchzusetzen: «Das kann von der Schlichtungsbehörde und vom Mietgericht Zürich weder bestätigt noch verneint werden.»
Auch für MV-Geschäftsleiterin Regula Mühlebach lässt sich über die Kündigungsursachen nur spekulieren. Auffallend sei aber, dass die Kündigungszah- wie schon in den frühen Neunzigerjahren parallel zum wachsenden Wohnungsmangel steige.
Tatsächlich ist die Leerwohnungsziffer gesamtschweizerisch von 1,82 Prozent im Jahre 1997 auf aktuell noch 1,13 Prozent geschrumpft. Besonders tiefe Werte verzeichnen die Kantone Genf (0,25 Prozent), Zug (0,35 Prozent) und Zürich (0,39 Prozent).
«Denkbar ist, dass manche Vermieter angesichts solcher Zahlen den Zeitpunkt für einen Mietzinsaufschlag als günstig erachten», sagt Regula Mühlebach. «Diese Absicht verstecken sie offenbar nicht selten unter dem Deckmantel "Eigenbedarf", der zusammen mit "Umbau/Sanierung" am häufigsten als Kündigungsgrund auftreten dürfte.»
Der Mieterverband vermutet, dass gar rund die Hälfte aller Vermieter, die "Eigenbedarf" angeben, diesen Kündigungsgrund nur vorschieben. Er stützt diesen Verdacht auf zahlreiche Interviews mit Schlichterinnen und Schlichtern. Motiv der Vermieter: ein möglichst geringer Aufwand.
«Eigenbedarf» ist klar definiert
Vor diesem Hintergrund fordert der MV die Schlichtungsbehörden auf, Kündigungen wegen Eigenbedarfs besonders kritisch unter die Lupe zu nehmen. Andernfalls könne der Kündigungsschutz immer wieder unterlaufen werden.
Der Zürcher Mietgerichtspräsident Bruno Hediger sieht das weniger dramatisch: Zumindest rechtskundige Vermieter wüssten, «dass der Mieter in den Genuss einer dreijährigen Kündigungssperrfrist gelangt, sofern der Eigenbedarf nicht ausgewiesen ist und die Kündigung daher als missbräuchlich erklärt wird». Deshalb dürften Vermieter «diesbezüglich eher zur Zurückhaltung neigen», so Hediger.
Nach Gesetz kann ein Vermieter Eigenbedarf nur geltend machen, wenn er die Wohnung «für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte» benötigt. Trifft dies nicht zu, ist die Kündigung missbräuchlich. Andernfalls kann der Mieter immerhin die Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, sofern die Kündigung «für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte».
Und wenn ein Mieter erst nach dem Umzug feststellt, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war? In diesem Fall kann er vom Vermieter Schadenersatz für seinen umzugsbedingten Aufwand und allfällige Mietzins-Mehrkosten fordern - wobei die gesamte Beweislast bei ihm liegt. Und das, meint Bruno Hediger, dürfte die Sache für den Mieter ziemlich schwierig machen.
So erkennen Sie eine ungültige Kündigung
Diese Punkte sollten Sie prüfen, wenn Sie vom Vermieter die Kündigung erhalten:
- Hat der Vermieter die Kündigung auf amtlichem Formular und beiden Ehepartnern separat mitgeteilt? Falls nein, ist sie ungültig.
- Sind Kündigungsfrist und -termin gesetzes- und vertragskonform? Ist die Kündigung also mindestens drei Monate vor dem vertraglich fixierten oder ortsüblichen Kündigungstermin eingetroffen? Konkret muss zum Beispiel eine Kündigung auf den 30. September spätestens am 30. Juni bei Ihnen sein. Trifft sie erst am 1. Juli oder später ein, ist sie allerdings nicht ungültig; sie wird aber erst auf den nächsten gesetzes- und vertragskonformen Termin nach dem 30. September wirksam.
- Könnte die Kündigung missbräuchlich sein? Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Vermieter kündigt, weil Sie sich zuvor für Ihre Rechte gewehrt haben. Oder weil er Sie zwingen will, einer Vertragsänderung zuzustimmen. Verlangen Sie vom Vermieter, dass er die Kündigung begründet, und fechten Sie diese bei der Schlichtungsbehörde des Wohnbezirkes an. Sie haben dazu ab Erhalt der Kündigung 30 Tage Zeit.
- Sie haben auch das Recht, eine Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn die Kündigung für Sie oder Ihre Familie «eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre», wie es das Gesetz formuliert.
- Im Zweifelsfall gilt: Fechten Sie die Kündigung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde an. Erweist sie sich als missbräuchlich, läuft das Mietverhältnis normal weiter. Stellt sie sich hingegen als gültig heraus, wird automatisch eine Erstreckung des Mietverhältnisses geprüft. Eine Kündigung, die nicht innert 30 Tagen angefochten wird, ist in jedem Fall gültig.
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