Weg vom Strom aus Atomkraftwerken – seit der Katastrophe im japanischen Fukushima hat dieses Bedürfnis massiv zugenommen.
Die Antwort der Elektrizitätswerke: Sie bieten ihren Kunden an, vom Mix, der Atomstrom enthält, umzusteigen auf Elektrizität, die laut Eigendeklaration ausschliesslich aus erneuerbaren Energien wie Wasser, Sonne und Wind produziert wird.
Der Wechsel hat allerdings Mehrkosten zur Folge. Wie hoch sie sind, hat der K-Tipp in einer Stichprobe bei 15 Stromversorgern erhoben (siehe Tabelle im pdf-Artikel).
Konkret wurde berechnet, welchen Aufpreis ein Musterhaushalt mit einem Stromverbrauch von 4500 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr zahlen muss, wenn er vom Standard- zum günstigsten «Atomfrei»-Produkt wechselt.
Resultat: In den teuersten Fällen sinds 243 Franken im Jahr. Also rund 20 Franken pro Monat. Das ist kein Riesenbetrag. Ihn auszugeben, macht aber nur Sinn, wenn sicher ist, dass der teurere saubere Strom auch wirklich ins Netz eingespeist wird.
Unvermischt kommt er ohnehin nicht ins Haus. Aus den Steckdosen fliesst für alle Bezüger Strom, der aus unterschiedlichen Quellen stammt. Elektrizitätswerke vergleichen das Stromnetz mit einem See, der aus diversen regulierbaren Zuflüssen gefüllt wird.
Jeder Zufluss steht für eine spezifische Stromqualität: Atomstrom, Wasserstrom, Sonnenstrom usw. Im See sind die Qualitäten nicht mehr unterscheidbar, sodass die Haushalte stets ein Herkunftsgemisch erhalten.
«Stichprobenmässige» Kontrollen
Je mehr Haushalte Elektrizität aus erneuerbaren Energien bestellen, desto sauberer wird der Mix. Denn die Elektrizitätswerke sorgen dafür, dass der verlangte Ökostrom der Nachfrage entsprechend ins Netz eingespeist wird. Zumindest sollten sie das.
Doch werden sie auch kontrolliert? Die Stromversorger verweisen darauf, dass bei Ökostrom mit TÜV- oder Naturemade-Zertifikat die regelmässige Prüfung durch externe Fachleute eine unumstössliche Bedingung sei.
Aber auch für alle anderen verkauften Stromarten müssten sie entweder über Herkunfts- oder vertragliche Nachweise belegen können, aus welchen Quellen der Strom stammt. Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie bestätigt das. Allerdings:
Die Herkunftsnachweise werden von der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid ausgestellt – sie gehört den Stromkonzernen Axpo, Alpiq, BKW, CKW, EGL, EWZ und Repower. Und die vertraglichen Nachweise überprüft das Bundesamt nur «stichprobenmässig». Laut Zünd hat das Amt bisher gerade mal eine Kontrolle durchgeführt.
Geschäftspolitik unter die Lupe nehmen
Zweifel an der Verlässlichkeit des Nachweissystems sind deshalb verständlich. Energie-Ingenieur Heini Glauser, ehemals Vizepräsident der Schweizerischen Energie-Stiftung, stellt nüchtern fest:
«Ob ihr Stromversorger effektiv so viel zusätzlichen Ökostrom ins Netz einspeist, wie er verkauft, bleibt für die Kunden der meisten Elektrizitätswerke letztlich eine Glaubensfrage.»
Zugängliche, verständliche Infos gebe es selten. Und eine Umlagerung des schon bisher integrierten Ökostroms auf zahlungswillige Kunden bei gleichzeitiger Verschlechterung des allgemeinen Mixes für die anderen wäre sicher nicht der Sinn der Sache.
Aufschlussreich sei aber häufig bereits ein Blick
auf die Geschäftspolitik: Hat das Elektrizitätswerk Bezugsverträge mit Ökostromproduzenten abgeschlossen, die einen weiteren Ausbau der sauberen Stromerzeugung ermöglichen? Motiviert es mit seinem Tarifsystem zum Stromsparen? Ist es sein Ziel, möglichst ohne Atomstrom auszukommen?
«Falls da nichts Substanzielles vorhanden ist, ist der Mehrpreis für Ökostrom ein Feigenblatt», sagt Glauser. Dann sei es besser, beim örtlichen Versorger weiterhin Billigstrom zu beziehen.
Und einen kleinen Ökoproduzenten für grünen Strom direkt mit einer Spende zu belohnen, z. B. ein unabhängiges Wasserkraftwerk oder eine Solarstromgenossenschaft.
Dort lasse sich gut überprüfen, dass der Strom erzeugt und ins Netz eingespeist werde: «Und der bezahlte Mehrpreis kommt sicher jemandem zugute, der sich voll für erneuerbare Energien einsetzt.»