Ein Risikofaktor für Krebs
Können Mobilfunkstrahlen zu gesundheitlichen Störungen und Schäden führen? Was Industrie und Behörden verneinen, steht für einen Experten «zweifelsfrei fest».
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K-Tipp 15/2005
21.09.2005
Ernst Meierhofer - ernst.meierhofer@ktipp.ch
Etliche Schweizer Gemeinden weigern sich - zumindest vorläufig -, Antennen-Baugesuche von Mobilfunkbetreibern zu bewilligen. Oft argumentieren die Lokalbehörden, sie wollten ein Forschungsergebnis der ETH Zürich abwarten.
Diese Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) untersucht derzeit die gesundheitlichen Auswirkungen von UMTS-Signalen auf das Wohlbefinden des Menschen. UMTS ist die Bezeichnung für den neusten Mobilfunkstandard, der noch mehr Daten noch schne...
Etliche Schweizer Gemeinden weigern sich - zumindest vorläufig -, Antennen-Baugesuche von Mobilfunkbetreibern zu bewilligen. Oft argumentieren die Lokalbehörden, sie wollten ein Forschungsergebnis der ETH Zürich abwarten.
Diese Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) untersucht derzeit die gesundheitlichen Auswirkungen von UMTS-Signalen auf das Wohlbefinden des Menschen. UMTS ist die Bezeichnung für den neusten Mobilfunkstandard, der noch mehr Daten noch schneller übertragen kann. Die Veröffentlichung der ETH-Studie ist für Ende 2005 geplant.
Das klingt so, als wüsste man nichts Definitives über die Schädlichkeit der Mobilfunkstrahlen. Doch für Kritiker ist diese Schädlichkeit schon genügend belegt - und zwar auch bei Strahlungsstärken, die unterhalb der Schweizer Grenzwerte liegen.
Unterstützung erhalten die Kritiker vom Umweltmediziner Gerd Oberfeld, der im österreichischen Salzburg für die Landesregierung arbeitet. Er kommt zum Schluss: «In Zusammenschau aller verfügbaren Informationen steht für mich schon jetzt zweifelsfrei fest, dass gewisse im Alltag regelmässig auftretende Mobilfunkexpositionen zu verschiedensten gesundheitlichen Störungen und Schäden führen können.»
In der Tat gibt es eine ganze Reihe von Studien zur Mobilfunkbelastung - sowohl für den neuen UMTS- als auch den konventionellen GSM-Standard -, deren Resultate zu denken geben:
- Im deutschen Naila stellten Ärzte 2004 fest, dass sich die Krebsrate in einem 400-Meter-Umkreis zu einem Senderstandort mehr als verdreifacht hatte. Die Sendestärke betrug im Mittel 1 Volt pro Meter (V/m). Zum Vergleich: Die Schweizer Grenzwerte lassen für Schlaf- oder Arbeitsräume 4 bis 6 V/m zu (je nach Frequenz).
- Eine ähnlich angelegte Studie aus dem israelischen Netanya ergab 2004 ein viermal höheres Krebsrisiko für Antennen-Anwohner bei Sendestärken unter 1,4 V/m.
Symptome: Von Kribbeln bis Fehlgeburt
- Der französische Biochemiker Roger Santini ermittelte 2001 innerhalb eines Radius von 300 Metern um eine Antenne vermehrte Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfweh und Konzentrationsprobleme.
- In Österreich zeigte sich 2002, dass in der Nähe von Antennen (bei sehr geringer Sendeleistung) Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Herzpochen, Schwindelgefühl und Kopfschmerzen auftraten.
- Die so genannte Reflex-Studie (ein internationales Forschungsprojekt der Europäischen Union) konnte Veränderungen am Erbmaterial in verschiedenen Zellen nachweisen. Der federführende Franz Adlkofer dazu: «Veränderungen am Erbgut führen in der Regel zu Krebs.»
- Einer der international bekanntesten Elektrosmog-Wissenschaftler war der 2003 verstorbene Neil Cherry von der Lincoln-Universität in Neuseeland. Er kam nach Sichtung zahlreicher Studien zum Schluss, dass elektromagnetische Strahlung - etwa von Mobilfunksendern - ein wahrscheinlicher Risikofaktor sei für Krebs, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkte, Lernschwierigkeiten, Fehlgeburten und Missbildungen.
- 2003 stellte die niederländische Regierungsforschungsstelle TNO im Einflussbereich von UMTS-Signalen bei Anwohnern Ohrenrauschen, Kopfschmerz, Übelkeit, Kribbeln, Brennen und Schwindel fest sowie Veränderungen bei Erinnerungsvermögen, Konzentration und Reaktionszeit.
- Die Umweltorganisation «Diagnose-Funk» hat weltweit die wissenschaftliche Literatur durchforstet und 38 Studien gefunden, die signifikante gesundheitliche Effekte der Funkstrahlung bei Feldstärken unterhalb der Schweizer Grenzwerte nachweisen.
Keine Reaktion von Behörden und Industrie
Angesichts der zahlreichen nachgewiesenen Effekte ist für Mobilfunkkritiker Handeln angesagt. Peter Schlegel von der Betroffenenorganisation «Bürgerwelle»: «Was braucht es noch, bis unsere Landesbehörden dem Wirtschaftsdruck und den Technokraten widerstehen und die Grenzwerte massiv senken?»
Der Gedanke dahinter: Eine breite Versorgung der Schweiz wäre technisch auch mit einer massiv verminderten Sendeleistung möglich.
Behörden und Industrie lässt das kalt. Für das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) beispielsweise ist weiterhin unklar, ob und unter welchen Bedingungen die beschriebenen Effekte ein Gesundheitsrisiko bedeuten.