Beatrice Günthard (Name geändert) träumte wie so viele von einer Model-Karriere. Die Zürcherin fuhr im August 2002 zum Eignungstest der Model Education nach St. Gallen. Mit sechs weiteren Frauen musste sie sich auf dem Laufsteg im Keller der Agentur präsentieren. Günthard: «Mein Eindruck war, dass die für die Fotomodell-Ausbildung jede nehmen, ob geeignet oder nicht.» Günthard meldete sich für den Kurs an, der ihr laut Vertrag eine «anerkannte Ausbildung als Fotomodell mit Abschluss-Diplom» bringen sollte.
Ein lukratives Geschäft für die Model Education, die auch als Look Model Agency auftritt. Fünf Kurstage für 1200 Franken – 350 Franken musste die 22-Jährige gleich am ersten Tag in bar mitbringen. Doch nach einem Autounfall musste Günthard den Kurs abbrechen. Wie viele Look-Models nach beendeter Ausbildung auf den Laufsteg gehen konnten, wollte die Agentur dem K-Tipp nicht verraten.
Ausbildungskosten füllen die Kasse
Die Masche der unseriösen Agenturen ist stets dieselbe: Verdient wird primär mit den hohen Ausbildungskosten oder überteuerten Fotosets, die jedes zukünftige Model kaufen muss. Allen, die interessiert und zahlungsbereit sind, wird eine erfolgreiche Karriere als Fotomodell versprochen. Lukrative Aufträge bleiben aber meist aus – die vermeintlichen Stars verschwinden in einer Kartei.
Lisa Giger leitet die Time Model Agency in Zürich, eine der ältesten und grössten Schweizer Profiagenturen. Giger: «Es bewerben sich täglich so viele Junge, dass zweifelhafte Agenturen alleine von willigen Models leben können, die nie vermittelt werden. Solche Geschäftemacher zerstören den Ruf der Branche.»
Unbrauchbare Fotos – und keine Aufträge
Professionelle Agenturen hingegen verdienen mit dem Vermitteln der Modelle rund zwölf Prozent vom Honorar. Sie klären kostenlos ab, ob jemand für den Laufsteg geeignet ist. «Kandidatinnen erhalten von uns erstellte Fotos gratis. Seriöse Vermittler machen daraus kein Geschäft», betont Christoph Locher, Leiter der Miss Schweiz Organisation AG.
Anders die Modellagentur New Life in Luzern. «Möchten Sie neben- oder hauptberuflich den Job ausüben als Model/Mannequin? Wir übernehmen das Management und bieten Ihnen die Möglichkeit, zu sehr lukrativen Bedingungen in diesem Job zu arbeiten», wirbt New Life im Internet.
Lukrativ ist das vor allem für Inhaber Erwin Orler: 1500 Franken kassierte er in bar von der 29-jährigen Anne Büchel (Name geändert). Dafür erhielt sie einen Stapel Fotokarten mit je fünf Bildern in Schwarz-Weiss. Seither sind vier Jahre vergangen - ohne einen Modellauftrag.
Das wundert den Luzerner Porträtspezialisten Stefan Peter nicht. Der K-Tipp hat ihm Bilder von New Life vorgelegt. Das vernichtende Urteil des Profifotografen: «Der Druck ist miserabel und die Fotos sind schlicht amateurhaft. Wer ins Modellgeschäft einsteigen will, kann damit nicht viel anfangen.»
An gleicher Adresse wie New Life fungiert die Beratungsstelle Fotomodelle-Mannequins (BFM), Inhaber: Erwin Orler. Doch von unabhängiger Beratung keine Spur. Nachdem Andrea Kölliker aus Faulensee BE 1990 bei BFM 600 Franken für Porträts verlor, wollte das Profimodel die Agentur testen. Sie bewarb sich Anfang 2003 mit ihrem eigenen professionellen Fotoset und 13 Jahren Erfahrung. Prompt teilte ihr der umtriebige Orler mit, Profimodel Kölliker solle neue Fotokarten bei ihm machen lassen. In ihrer Agentur All-About-Events vermittelt Kölliker ausgebildete Modelle an Kunden wie Bulgari und Vögele. Kölliker: «New Life und BFM leben von überbezahlten Aufnahmen. Ich habe in meiner 13-jährigen Tätigkeit kein Model kennen gelernt, dass dort je vermittelt worden ist.»
New-Life- und BFM-Leiter Orler wiegelt ab. «Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass der Preis für die Fotokarten sehr niedrig ist.» Ob und wie viele Models er überhaupt vermitteln konnte, wollte Orler nicht sagen.
Das Problem: In der Schweiz kann jeder ohne Vorkenntnisse eine Modellagentur eröffnen, auch einen Branchenverband gibt es nicht. Anders in Deutschland, wo seit 1990 der Verband lizenzierter Fotomodellagenturen (Velma) Qualitätsstandards setzt. Angeschlossene Agenturen dürfen ihr Geld nur mit der Vermittlung und nicht mit Fotos und Kursen verdienen.
Velma-Sprecher Thorsten Fuhrberg: «Wir wollen uns von Feld-Wald-und-Wiesen-Agenturen abgrenzen, denen junge Menschen schutzlos ausgeliefert sind.»
Ausgeliefert war auch jene 18-jährige Neueinsteigerin, die sich Anfang Oktober beim Branchenverband beschwert hatte. Sie musste sich für erste Fotoaufnahmen nackt ausziehen und mit dem Agenturchef intensive Kussszenen nachstellen. Der Kunde wünsche solche Bilder, beschwichtigte der Agenturleiter.
Fuhrberg: «Es gibt leider in dieser Branche solche, die eine Agentur nur betreiben, um billig an hübsche Frauen ranzukommen.» Auch Kölliker kennt mehrere junge Schweizer Models, die bei Aufnahmen betatscht worden sind.
Und Time-Inhaberin Giger ergänzt: «Leider gibt es wenig Adressen, bei denen junge Leute nicht über den Tisch gezogen werden.» Anstelle von Auftritten an in-ternationalen Modeschauen und tollen Gagen bleibt den jungen Frauen die Enttäuschung - und bestenfalls gibt es Werbeauftritte für Zahnpasta- oder Waschmittelhersteller.
So tricksen unseriöse Agenturen
Was professionelle von unseriösen Fotomodell-Agenturen unterscheidet – und wie Sie die grössten Fallen umgehen:
- Vorsicht bei Agenturen, die vor einer Vermittlung Geld fordern. Solche verdienen an Fotos und Kursen, können aber kaum Jobs vermitteln. Grundsätzlich nie im Voraus bezahlen!
- Sexuelle Ausbeutung: Nie darauf eingehen, sich für erste Aufnahmen zu entkleiden. Seriöse Fotografen berühren Models nicht. Begleitperson an den ersten Fototermin mitnehmen.
- Vor der Vertragsunterzeichnung: Lassen Sie sich den Kundenstamm (etwa bekannte Modehäuser, Kosmetikbetriebe) der Agentur geben. Wer Vermittlungsaufträge nicht preisgibt, hat nichts anzubieten oder sonst etwas zu verstecken.
- Verträge unseriöser Agenturen enthalten Konventionalstrafen, falls ein Model zur Konkurrenz wechseln will. Nicht unterschreiben!
- Auftrag erst annehmen, wenn alle Vereinbarungen schriftlich festgehalten sind - inklusive Lohn, Spesen und Einsatzdauer.