Ein Segen für Werber
Mit aufwühlenden Appellen bitten bedürftige Pfarreien um Spenden. Verfasst werden die Briefe aber nicht für einen Gotteslohn.
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K-Tipp 9/2006
01.05.2006
Matteo Cheda - matteo.cheda@ktipp.ch
Der Brief, den K-Tipp- Leserin Tamara Hoffmann in Zullwil SO im Februar aus dem Bleniotal erhält, wirkt dramatisch. Werde die Kapelle des heiligen Bernhardin nicht bald renoviert, «drohen aufgrund der hohen Feuchtigkeit die Mauern einzustürzen», schreibt Renzo Giamboni, Präsident der Tessiner Kirchgemeinde Ghirone. Und: Die Renovation «übersteigt leider die finanziellen Möglichkeiten unserer abgelegenen und sehr kleinen Pfarrei. Daher zählen wir innigst auf Ihre grossherzige Freigiebigk...
Der Brief, den K-Tipp- Leserin Tamara Hoffmann in Zullwil SO im Februar aus dem Bleniotal erhält, wirkt dramatisch. Werde die Kapelle des heiligen Bernhardin nicht bald renoviert, «drohen aufgrund der hohen Feuchtigkeit die Mauern einzustürzen», schreibt Renzo Giamboni, Präsident der Tessiner Kirchgemeinde Ghirone. Und: Die Renovation «übersteigt leider die finanziellen Möglichkeiten unserer abgelegenen und sehr kleinen Pfarrei. Daher zählen wir innigst auf Ihre grossherzige Freigiebigkeit.»
Hoffmann hat schon mehrmals für diese Kapelle Geld gespendet. Die wiederholten Bettelbriefe aus Ghirone lassen bei ihr Unbehagen aufkommen: «Geht das Geld wirklich an die Kirche?» Die Zweifel sind nachvollziehbar. Diese Aufrufe verfasst eine Werbefirma, die einen beträchtlichen Teil der Spendengelder selber einsackt. Ihren Namen und wie viel sie erhält, möchte Giamboni partout nicht sagen. Den Vorwurf mangelnder Transparenz über die Verwendung der Spenden lässt er aber nicht gelten: «Wer dem Kirchgemeinderat angehört, wird informiert.»
Pro Franken gingen 57 Rp. an die Kirche
Martino Gianella, Sekretär der Kirchgemeinde Leontica im Bleniotal, ist offener. Die letzte Spendenaktion habe 88 000 Franken eingebracht. Davon entfielen 14 000 Franken auf Porti, 24 000 Franken gingen an die Marketing-Firma SAZ Dialog Agentur AG in Horw LU, die 22 000 Haushalte angeschrieben hat.
Mit anderen Worten: Von jedem gespendeten Franken sind 57 Rappen an die Kirche, 16 an die Post und 27 an die Werbefirma geflossen.
Früher hat Gianella mit der GGS Gesellschaft für gemeinnützige Sammlungswerbung in Kriens LU zusammengearbeitet. Diese kassierte eine feste Provision von 35 Prozent der Spenden, zuzüglich Porto.
Innert zehn Jahren haben Schweizer Spender rund 2 Millionen Franken für Leontica einbezahlt. Davon wurden 1,2 Millionen für die Kirchenrenovation aufgewendet. Die restlichen 800 000 Franken flossen ins Marketing.
Günstiger lief es in Erschmatt VS. Laut Gemeindepräsidentin Edith Inderkummen hat die Beorda Direktwerbung AG in Triengen LU rund ein Fünftel der für die Renovation der Kapellen «Brentschen» und «Hohe Brücke» gespendeten Gelder erhalten.
Erschmatt hat sich übrigens selber an die Beorda AG gewandt, so Inderkummen. Dort heisst es denn auch, man bearbeite dieses Feld seit drei Jahren nicht mehr aktiv. Der frühere Besitzer der Firma hingegen sei noch selber zu Kirchgemeinden gegangen, um Kollekten vorzuschlagen.