Es geht um Kopf und Kragen
Alle Autos könnten mit einem neuen Sicherheitssystem nachgerüstet werden - aber nur ein Auto-importeur zeigt Interesse.
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K-Tipp 6/2003
26.03.2003
Markus Kellenberger - mkellenberger@ktipp.ch
Knapp ein Viertel aller Neuwagen ist bereits mit so genannten Anti-Schleudertrauma-Systemen ausgerüstet. Das ist nötig, denn jedes Jahr erleiden in der Schweiz rund 10 000 Menschen bei Auffahrunfällen ein Schleudertrauma, 1000 von ihnen werden die Beschwerden nie wieder los. Die jährlichen Behandlungskosten belaufen sich auf eine halbe Milliarde Franken.
Vor allem teure Autos sind ausgerüstet
Das Anti-Schleudertrauma-System gibt es erst seit kurzem - un...
Knapp ein Viertel aller Neuwagen ist bereits mit so genannten Anti-Schleudertrauma-Systemen ausgerüstet. Das ist nötig, denn jedes Jahr erleiden in der Schweiz rund 10 000 Menschen bei Auffahrunfällen ein Schleudertrauma, 1000 von ihnen werden die Beschwerden nie wieder los. Die jährlichen Behandlungskosten belaufen sich auf eine halbe Milliarde Franken.
Vor allem teure Autos sind ausgerüstet
Das Anti-Schleudertrauma-System gibt es erst seit kurzem - und bisher vor allem in Mittel- und Oberklassewagen. Das Durchschnittsalter der Autos auf den Schweizer Strassen beträgt aber sieben Jahre. Die überwiegende Mehrheit der Wagen ist also nicht damit ausgerüstet.
«Schutz ist aber für alle wichtig, nicht nur für jene, die sich ein neues Auto leisten können», sagt Anton Brunner, Ingenieur bei der Winterthur-Versicherung.
Zusammen mit anderen Fachleuten hat Brunner deshalb Wipgard entwickelt, ein Anti-Schleudertrauma-System, das sich nachträglich in Autositze einbauen lässt.
So ausgerüstete Sessel funktionieren praktisch gleich wie die serienmässig von Volvo verwendeten Sicherheitssitze, die in Crash-Tests übrigens als beste abgeschnitten haben.
Die Volvo-Sitze wie auch die nachgerüsteten Sitze kippen bei einer Heckkollision kontrolliert nach hinten weg. «Das baut Bewegungsenergie ab. Rückenlehne und Kopfstütze fangen Körper und Schädel dann so schonend wie möglich auf», erklärt Brunner.
Das Risiko eines Schleudertraumas, bei dem Halswirbel, Muskeln, Bänder und Sehnen innert Sekundenbruchteilen massiv überdehnt und dabei möglicherweise für immer geschädigt bleiben, nimmt so um durchschnittlich 30 Prozent ab.
Die Erfindung wird vorläufig nur in der Schweiz vertrieben. Und wirklich profitieren können von ihr bis jetzt nur die Fahrer von Volkswagen der Typen Bora, Golf IV und Passat ab Jahrgang 1997.
«Wir haben Wipgard zuerst für diese Autos entwickelt, weil sie auf dem Occasionsmarkt stark vertreten sind», begründet Brunner. Zudem habe sich der VW-Importeur Amag sofort dafür interessiert und sich beteiligt. Für 800 Franken bauen Amag-Garagen das System innert zwei Stunden in beide Vordersitze ein. Nachrüst-Sets für weitere Amag-Marken wie Audi, Seat und Skoda sind geplant.
Hier setzt aber die Kritik ein. «Gut, dass es das Nachrüst-Set gibt», sagt Beat Wyrsch vom TCS. «Aber nicht nur die Amag, auch andere Hersteller oder Importeure müssten solche Systeme anbieten.»
Für die Autobranche zu wenig interessant?
Das tun sie aber nicht, wie eine Umfrage des K-Tipp zeigt. Keiner der angefragten Generalimporteure plant für seine älteren Modelle ein Nachrüst-Set.
Ingenieur Brunner findet das schade, denn «unser System liesse sich mit den entsprechenden Anpassungen auf praktisch jede Marke übertragen». Anfragen habe er jedoch keine, womöglich sei es für die Autobranche wirtschaftlich zu wenig interessant.
Markus Schmid, Präsident des Schleudertrauma-Verbandes Schweiz, kann da nur den Kopf schütteln. «Es ist ein Hohn, wenn man zigtausende vor schweren Verletzungen oder sogar lebenslanger Invalidität bewahren könnte - und doch nichts tut.»
Auffahrunfall: So sitzen Sie sicher
Mehr als die Hälfte aller Autofahrer ist mit zu tief eingestellten Kopfstützen unterwegs. Das ist gefährlich. Stützen auf richtiger Höhe verhindern das Risiko eines Schleudertraumas bei einer Heckkollision deutlich.
So stellt man den Sitz richtig ein:
- Die Rückenlehne so aufrecht wie möglich einstellen.
- Der Abstand zwischen Kopf und Kopfstütze sollte höchstens 5 Zentimeter betragen.
- Der obere Rand der Kopfstütze muss mit der Oberkante des Kopfes eine Linie bilden. Das gilt auch für die Mitfahrer.
Verhalten im Verkehr:
- In einer Kolonne regelmässig die nachfolgenden Wagen durch den Rückspiegel beobachten.
- Ist ein Aufprall vorhersehbar, die Bremse voll durchtreten und sich in den Sitz und an die Kopfstütze pressen. Die Passagiere warnen.