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K-Tipp 15/2000
20.09.2000
Fleisch-Deklaration Forscher arbeiten an einer sicheren Markierung
Die Konsumenten sind verunsichert: Woher stammt das saftige Plätzli, woher das pralle Schinklein? Eine biologische Ohrmarkierung soll Abhilfe schaffen.
Martin Arnold redaktion@k-tip.ch
Massentierhaltung, dioxinhaltiges Futter, Antibiotika, quälerische Transporte und unsachgemässe Schlachtungen: Dem Fleisch auf dem Teller sieht man nicht immer an, wo und unter welchen Umständen es ...
Fleisch-Deklaration Forscher arbeiten an einer sicheren Markierung
Die Konsumenten sind verunsichert: Woher stammt das saftige Plätzli, woher das pralle Schinklein? Eine biologische Ohrmarkierung soll Abhilfe schaffen.
Martin Arnold redaktion@k-tip.ch
Massentierhaltung, dioxinhaltiges Futter, Antibiotika, quälerische Transporte und unsachgemässe Schlachtungen: Dem Fleisch auf dem Teller sieht man nicht immer an, wo und unter welchen Umständen es produziert wurde. Das macht immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten misstrauisch. Doch die Wege vom Bauernhof über die Viehhändler hin zum Schlachthof und in die Metzgerei lassen sich selten mit Sicherheit zurückverfolgen.
Der Chip im Magen
Das soll sich jedoch ändern. So laufen derzeit Versuche mit Elektro-Chips an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik in Tänikon TG. Die Kuh schluckt einen Chip und trägt ihn ein Leben lang im Magen herum.
In der EU wird das Einpflanzen von Chips in den Nacken der Tiere getestet. Dieses Verfahren ist jedoch kompliziert und nicht zeitgemäss, weil es nach Ansicht von Heinz Müller, Pressesprecher des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVET), «zu Unmengen Elektromüll» führt. Dieser Einwand klingt logisch, denn immerhin kommen in der Schweiz jedes Jahr rund 2,6 Millionen Schweine und rund 700 000 Stück Rindvieh auf die Schlachtbank.
Mehr Erfolg verspricht da die so genannte biologische Ohrmarkierung: Bei der Routine-Impfung spritzt der Tierarzt den Jungtieren eine Substanz, auf die sie Antikörper bilden. Diese lassen sich jederzeit bis über den Tod hinaus zweifelsfrei nachweisen. So kann man zum Beispiel Fleisch von naturnah gehaltenen Tieren eindeutig von solchem aus industrieller Mast unterscheiden.
Transparenz ist wünschbar
«Der Trend beim Konsumenten zu Transparenz ist offensichtlich», sagt Balz Horber, Geschäftsführer des Verbandes Schweizer Metzgermeister. Deshalb sei man im Fleischgewerbe «froh über jede Methode, welche die Herkunft des Fleisches durchsichtiger erscheinen lässt».
Mit farbigen Punkten - grün für kontrollierte Freilandhaltung, blau für förderungswürdige Stallhaltung und gelb für einen Hof, den der Metzger persönlich kennt - sei das Gewerbe bestrebt, für mehr Klarheit zu sorgen.
Einen vergleichbaren Weg geht die Migros mit ihrer 7-Punkte-Garantie. Doch all diese Bestrebungen zur Verbesserung der Herkunftstransparenz setzen das - fast blinde - Vertrauen der Konsumenten voraus.
Das heutige System der Tiermarkierung vermag nur sehr beschränkt zu überzeugen: Um in der Schweiz den Lebensweg der Kälber vom Schlachthof bis in den Geburtsstall zurückverfolgen zu können, führte das Bundesamt für Veterinärwesen am 1. Juli 1999 die «Tierverkehrskontrolle» ein. Jedes Tier muss an den Ohren eine gelbe Plastiketikette mit einer Kontrollnummer tragen, durch die es europaweit identifiziert werden kann. Unter dieser Nummer sind in der «Tierverkehrsdatenbank» alle Stationen seines Lebensweges registriert.
«Beim Schlachten gehen diese Etiketten natürlich verloren», sagt Peter Rüsch vom BVET. «Deshalb wäre eine biologische Markierung, die auch im einzelnen Fleischstück noch vorhanden ist, eine sehr elegante Lösung.»
Illegale Fleisch-Importe - Schmugglern das Handwerk legen
Die biologische Ohrmarkierung könnte auch ein Mittel sein gegen illegale Fleisch-Importe. Beispiele gibt es genug: Von 1994 bis 1996 führte ein Walliser illegal über 120 Tonnen Fleisch ein. 1997 wurde im Kanton Freiburg ein Mann zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt; er hatte illegal 1456 Kälber und Rinder aus Frankreich eingeführt. Derselbe Mann wurde 1998 beim Schmuggel von 90 Schweinen erwischt. Bei der darauf folgenden Untersuchung entdeckte man weitere 900 Schweine und Kälber, die widerrechtlich ins Land gelangten. Im selben Jahr schmuggelte ein Transportunternehmer 600 Tonnen Fleisch in die Westschweiz. 1997 wurden in der Nordostschweiz 47,5 Tonnen unverzolltes Fleisch beschlagnahmt.
BIOLOGISCHE MARKIERUNG - Fleisch auf dem Teller testen
Mit der biologischen Markierung lässt sich die Herkunft eines Tieres zweifelsfrei bestimmen - selbst im Teller.
Dringt ein Fremdstoff in den Körper ein, bildet er dagegen Antikörper. Diesen natürlichen Abwehrmechanismus des Immunsystems machte sich der Erfinder der biologischen Ohrmarkierung, Manfred Gareis, Leiter der deutschen Bundesanstalt für Fleischforschung im fränkischen Kulmbach, zu Nutze.
In ersten Feldversuchen impften die Forscher 53 Kälber mit einer bestimmten Peptiden-Kombination. Diese natürlichen Stoffe entstehen beim Abbau von Eiweissen und sind fürs Tier absolut unschädlich. Die Kälber reagierten wie von Gareis erhofft: «Sie entwickelten Antikörper, die sich noch Monate später und auch nach dem Schlachten im Fleischsaft nachweisen liessen.» Zuständig für die kommerzielle Verwertung der patentierten biologischen Ohrmarkierung ist die November AG im deutschen Erlangen. Dort entwickelt Eva-Maria Prinzenberg ein Schnellverfahren, um die Antikörper im Fleisch nachzuweisen.
Ein Teststäbchen mit Blut des Tieres wird in eine Lösung getaucht. Sind Antikörper vorhanden, verfärbt sich das Stäbchen. Dem Tier können mehrere Informationen «eingeimpft» werden, die der Schnelltest jederzeit sichtbar machen kann: zum Beispiel Herkunftsland, Kanton oder die Art der Tierhaltung.
Ziel ist es laut Prinzenberg, die Kosten für den Test mit rund fünf Mark so günstig zu halten, dass ihn die Verbraucher zu Hause selbst durchführen könnten. «Damit lässt sich die Herkunft des Fleisches auch noch auf dem Teller aus dem Tropfsaft eruieren», erklärt Gareis.