Fehler kosten 500 Millionen
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K-Tipp 14/2002
04.09.2002
Im Kampf gegen die hohen Gesundheitskosten können sich auch Patienten aktiv beteiligen - indem sie die Rechnungen der Mediziner genau unter die Lupe nehmen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Member of the swiss leading Hospitals» nennt sich die Zürcher Privatklinik Bethanien stolz. Und sie schmückt sich mit dem SQS-Zertifikat ISO 9001:2000; es bescheinigt dem Spital am noblen Zürichberg «ein zweckmässiges Management-System».
Das alles hind...
Im Kampf gegen die hohen Gesundheitskosten können sich auch Patienten aktiv beteiligen - indem sie die Rechnungen der Mediziner genau unter die Lupe nehmen.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Member of the swiss leading Hospitals» nennt sich die Zürcher Privatklinik Bethanien stolz. Und sie schmückt sich mit dem SQS-Zertifikat ISO 9001:2000; es bescheinigt dem Spital am noblen Zürichberg «ein zweckmässiges Management-System».
Das alles hinderte das Spital nicht, seiner Patientin Marina Schlaginhaufen eine Rechnung zu stellen, die um rund 300 Franken zu hoch ausfiel.
Festgestellt hat dies die Patientin selber. Nach ihrem Spitalaufenthalt nahm sie die Schlussabrechnung unter die Lupe - und bemerkte, dass man ihr unter anderem eine Pflegepauschale zu viel verrechnet hatte. Sie protestierte, mit Kopie an die Visana.
Folge: Das Spital schickte eine neue Rechnung und entschuldigte sich, die Visana musste weniger zahlen, und die Kundin freut sich, weil sich die Kasse bei ihr schriftlich bedankte und zwei Telefonkarten als Geschenk beilegte.
«Es freut mich, dass ich meiner Kasse beim Sparen helfen konnte», bilanziert Marina Schlaginhaufen.
Auch Ruth Kornfeld hat von ihrer Krankenkasse ein Schreiben erhalten: Die Helsana gratuliert ihr, weil sie eine Arztrechnung über 700 Franken genau anschaute, schriftlich protestierte und so erreichte, dass der Mediziner am Schluss auf seine Forderung gänzlich verzichtete. «Selbstverständlich sind die Rechnungen völlig unberechtigterweise gestellt worden», schrieb ihr der Arzt; er hatte unnötige Untersuchungen durchgeführt und nie einen Bericht abgeliefert.
Das Typische an den zwei Fällen: Die Krankenkasse wäre nicht in der Lage gewesen, den Fehler zu bemerken.
Zwar machen auch die Spezialisten der Krankenversicherer teils intensiv und erfolgreich Jagd auf Tarifsünder; in etlichen Fällen können jedoch Fehler nur den Patienten selber auffallen.
Das macht klar, dass auch Patientinnen und Patienten die Rechnungen von Ärzten und Spitälern genau anschauen sollten: Haben die verschiedenen Konsultationen stattgefunden? Stimmen die aufgeführten Medikamente? Ist die verrechnete Aufenthaltsdauer im Spital korrekt? Steht die richtige Spitalabteilung auf der Rechnung?
Das Sparpotenzial, das sich so öffnet und letztlich die Krankenkassenprämien entlasten könnte, ist enorm - eine halbe Milliarde Franken pro Jahr. Die Zahl beruht auf einer Schätzung von Santésuisse, dem Branchenverband der Krankenkassen.
Allein die Helsana hat im Jahr 2001 wegen falsch verrechneter Leistungen rund 130 Millionen Franken zurückgefordert. Aufgrund der vorliegenden Zahlen geht die Grosskasse davon aus, dass sich dieser Betrag im laufenden Jahr auf rund 180 Millionen Franken erhöhen wird.
«Oft werden nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt, es werden falsche Tarifpositionen angewendet oder schlicht Kommafehler gemacht», weiss Peter Marbet von Santésuisse.
Und das ist auch der Grund, warum in den Mitgliederzeitungen der Krankenkassen immer wieder lobend von Fällen berichtet wird, in denen Versicherte die Rechnungen aufmerksam studiert und die Kasse informiert haben.
Die Branche spricht in einigen Fällen gar von Betrug. Die Visana etwa schätzt, dass sie jedes Jahr 60000 Franken zu viel zahlt für Rechnungen, die absichtlich gefälscht wurden.
Auch Hans Heinrich Brunner, Präsident der Ärzteverbindung FMH, kennt das Problem. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sprach er im Juni dieses Jahres von «rücksichtslosen Gestalten», die betrügerische Rechnungen stellen. Er selber kenne jedenfalls mehrere Dutzend davon.
Klar ist: Falls demnächst der Kontrahierungszwang fällt, wenn also die Kassen nicht mehr gezwungen sind, jeden Arzt als Leistungserbringer zu akzeptieren, können die Versicherungen den schwarzen Schafen unter den Ärzten schnell das Handwerk legen.